Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 8. Mai 1936

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Krefeld, den 8.5.36

Mein lb. Ernst!

Eigentlich hatte ich gehofft, heute früh Post von Dir zu erhalten, leider blieb sie aber aus. Deine letzte Nachricht ist vom 23.4., also schon wieder ziemlich alt. Aber trotzdem hoffe ich, dass es Dir recht gut geht, von uns auch nur Gutes. Endlich haben wir nun auch warmes Wetter, bis jetzt war sogar jeder Tag ein Gewitter. Vater schreibt auch ganz zufrieden von der Reise, wenn nun bald wieder gute Nachricht von Dir kommt, fehlt uns weiter nichts als Geld. Hier vergeht ein Tag wie der andere, ohne grosse Erlebnisse oder Neuigkeiten. Das heisst, Frau Wertheim hat eine Stellung gefunden & zwar bei Bruckmann & Strauss auf dem Kontor. Ich freue mich sehr für sie, nun kann sie doch in Krefeld bleiben. Bis sie eine neue Wohnung von 2 Zimmern gefunden hat, zieht sie zu uns & zwar in Dein Schlafzimmer. Für mich ist das auch sehr angenehm, so habe ich doch abends immer Gesellschaft. Lore besucht mich sehr häufig. Ihre grösste Sorge ist, ob Du wohl an ihren Geburtstag denkst. Sonst lässt sich keiner von Deinen Freunden sehen, obwohl ich ihnen bestellen liess, wenn sie sich für Deine Briefe interessieren, könnten sie sie bei uns lesen. Der Einzige, der wirklich treu ist, ist Hellmut Frank. Schwester Klara lässt Dich vielmals grüssen. Eben kommt die neue C.V. Zeitung. Leider wird darin berichtet, dass es bei Euch noch immer nicht ruhig geworden ist & will ich nur hoffen, dass Ihr von

den Unruhen verschont bleibt. Hoffentlich kommt nur bald Post von Dir. Aus der vorigen Zeitung schneide ich Dir einen Artikel aus, der zufälliger Weise von K. A. berichtet & uns sehr froh machte. Für heute will ich schliessen & bin mit vielen Grüssen & Küssen Deine Mutter.

Willi Böhm konnte Dich durch die Unruhen nicht besuchen, wie Onkel Sali schrieb. Du brauchst also nicht mehr mit ihm zu rechnen. Konnte er nicht, oder war das nur eine Ausrede. Hast Du schon mal was von Frau Friedberg gehört?

Samstag, 9/5.

Mein lieber Junge! Da die l. Mutter den Brief liegen gelassen hat, kann ich noch anschreiben. Auch heute kam keine Post von Dir, leider! Bis gestern Abend, wo wir bei Wertheims waren, auch von Ilse nichts. Hoffentlich kommt nun morgen etwas. Du kennst die Mutter, daß wir in Anbetracht der bestehenden Verhältnisse besonders auf Post gespannt sind. Wir hoffen Euch alle recht wohl, trotz und allem fidel und feste am Aufbau von Erez. - Besonders gibt es hier nicht mitzuteilen; es geht uns allen gut. - Was sagst Du dazu, daß Alma zu uns zieht? Dann ist Mutter nicht mehr so allein, wenn ich auf Reisen bin. Sogar Oma freut sich. - Ilses Oma fährt am Mittwoch nach Liebenstein. Sie freut sich besonders, daß Alma Stellung hat. - Bei uns im Garten ist es jetzt sehr schön; anbei eine Fliederblüte, der Strauch ist von Blüten voll.

Notiere Dir bitte vor: am 11. Juni wird Oma 70 Jahre alt! Du mußt mindestens 14 Tage vorher schreiben, sonst setzt es Tränen! Hast Du Lore schon gratuliert? - Wenn morgen Nachricht von Dir kommt, erhältst Du sofort Antwort. Heute habe ich nichts mehr. Viel Küsse Dein Dich liebender Vater.

Wie ists mit Briefmarken?