Richard Loewy an Sohn Ernst, 26. Mai 1936
Krefeld, d. 26.5.36.
Mein lieber Junge!
Deine Briefe machten mir immer sehr viel Freude; einesteils, weil sie von Dir kommen und mir immer Gutes von Dir sagen, andrenteils weil sie - ich muß das lobend anerkennen - stets sehr nett & auch stilistisch gut geschrieben sind. (Die Schrift dürfte zwar etwas sorgfältiger sein, das könnte nicht schaden!) Ich rechne allerdings, daß es immer etwas schnell geht und Deine Gedanken der Feder vorauseilen. Der letzte Brief, sehe ich soeben, ist, größtenteils besser geschrieben, als die vorigen! Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dir wiederholen: wenn auch Deine Briefe meist so schön geschrieben sind, so achte wenigstens (wenn Du mal für Dich etwas schreibst & Zeit hast) darauf, daß Deine Handschrift nicht verkommt; auch einem Landwirt kann eine gute Schrift nicht schaden. Dann sehe ich, daß Du ausschließlich in lateinischer Schrift schreibst; übe Dich manchmal auch in der deutschen Schrift und vergiß sie nicht. Du sollst auch da nicht einseitig werden.
Nun Dein lieber Brief v. 11.-16./5. Über Dein Wohlergehen & Deine gute Laune freue ich mich natürlich am allermeisten. Weiter so!
Auf dem Bildchen ist ja leider nicht viel von K. A. zu sehen; wenn Du uns mal eins schickst, wo etwas darauf ist, schicke ich Ilse gern einen Abzug. Wenn Du ihr mal schreiben möchtest, so will ich ihr Deine Zeilen gerne zukommen lassen. (Evtl. auch über Hebenbecher)
Ernst Lamm hat Deine Filme leider nicht erhalten. Wo mögen diese verloren gegangen sein? - Daß auch Lores Päckchen verloren ging, ist stark; das muß ganz besonders schön gewesen sein; Lore war sehr betrübt deshalb. Mit den Stachelbeeren warten wir also. - Tante Bora hat auch welche mitgenommen; sie haben in E. einen großen Garten. Sie waren übrigens nur ein paar Tage hier; die Schwester von Onkel Hermann in Haag ist plötzlich gestorben & da mußte es hin zur Beerdigung. -
Willi Boten ist lang zurück; der konnte nicht zu Dir kommen wegen der Unruhe auf der Straße. Eigentlich schade!
Deine Ausführungen über den Empfang usw. bei Eurer Ankunft, auch über alle andren Zustände lasen wir mit größtem Interesse.
Frl. Stern, die Euch besucht hat, schreibt dieser Tage über „die Jugend - drüben” im Rahmen eines Abends der Jugendhilfe in Berlin.
Deinen Eindruck, Jeruschalajim zu sehen, kann ich mir denken; es muß für einen Menschen, der Liebe zum eignen Volke u. Verständnis für die eigene Geschichte hat, ein großes Gefühl sein. - Daß Ihr Jungens festhaltet am Glauben der Väter ist nicht nur richtig, es ist notwendig für den Aufbau von Erez & Zion. „Wenn der Herr das Haus nicht baut, haben sich die Bauleute umsonst bemüht!” Ihr tut recht daran, wenn Ihr so manches von der Väter Sitten einführt und auch die alten Chawerim wieder darauf hinführt. Eine Entschuldigung mögen sie haben; sie sind in ihrer Arbeit verproletarisiert; Ihr aber, die Ihr schon aus Euren Familienhäusern her mehr Bildung mitbringt, müßt mit aller Zähigkeit an Eurem Wissen, Eurer Bildung festhalten. -
Fortsetzung im nächsten Brief. Ich muß schließen, da ich gleich zur Synagoge will. Heute Abend gehe ich auch zum Lernen in eine Chewrah. (mit nachfolgender [..]!) Viele Küsse & [..] Dein Vater.
Allen Grüße!