Erna Loewy an Sohn Ernst, 26. Mai 1936
Krefeld, den 26.5.36.
Mein lb. Ernst!
Sonntag erhielten wir wieder Deinen langen Brief vom 11 bis 16 ds. Wir haben uns mal wieder schrecklich gefreut & danken Dir von Herzen dafür. Den Brief an Lore, den Du zum Totlachen geschrieben hast, habe ich ihr noch unterschlagen & gebe ihn ihr erst, wenn ich am Donnerstag hingehe & ihr den Füllfederhalter bringe. Dann ist die Freude umso grösser. Vater & ich sind erst am Samstag von der Tour zurückgekommen. Die paar Tage draussen waren sehr schön, für mich und etwas anderes. Wenn es nicht so teuer wäre, machte ich Vater mal öfter die Freude. Aber Pfingsten sind wir beide zu Hause. Bayern & Eindhoven gibt vorläufig nichts, Meister findet es richtiger, wenn Vater im Juli kommt & die Eindhovener sind nach Brüssel, um an einer Silberhochzeit teilzunehmen. Ich wäre ja sowieso nicht gefahren, wenn Vater nicht nach Bayern fuhr. Nach Grossmutters Geburtstag (am 11. Juni, hast Du daran gedacht?) will ich dann mal hin. Von der Reise habe ich Dir eine ganze Menge Grüsse zu bestellen. Erstmal aus Borken von Hannchen & Lenchen, dann nochmals aus Osnabrück & dann von Harz aus Coesfeld, besonders von Fritz. Der sucht auch eine Lehrstelle & kann keine finden. Vorläufig geht er noch zur Schule. Dann war Heinz Jakobus hier, um einmal Deine Briefe zu lesen. Auch er lässt
Dich herzlichst grüssen. Vater war heute bei Kaufmanns in Düsseldorf. Wir tauschen jetzt öfters Eure Briefe aus, denn jeder schreibt etwas anders & uns interessiert doch alles von Euch. Ist Ilse wieder in Ordnung? Sie schreibt von Durchfall & Fieber, hattest Du auch schonmal so etwas? Ich schicke heute oder morgen wieder 10,- Mk an Dich ab, hoffentlich erhältst Du, was wir immer senden. Die Briefe zu nummerieren habe ich zuletzt ganz vergessen, weiss auch die Zahl nicht mehr. Bis jetzt ist ja alles pünktlich angekommen, hoffentlich klappt es weiter so. Augenblicklich ist Lotte Fernich zu Besuch hier. Es gefällt ihr sehr gut, auch, dass sie so fromm dort sind. Hilde Meyer aus Moers verlobt sich Pfingsten. Onkel Hermann mit Familie ziehen aus Moers fort nach Krefeld & zwar haben sie die Wohnung von Frau Wertheim gemietet. Ist das nicht ein Zufall? Ich habe Dir nun alle Neuigkeiten geschrieben & überlasse nun Vater, Deinen eigentlichen Brief zu beantworten. Was machen die Raupen? Weisst Du noch, als im Garten mal eine spazierte & Du heulend gelaufen kamst, Mutti eine Schlange, eine Schlange! Deine Berichte sind so interessant, dass ich sie immer mehrmals lesen muss & mich freue, wie nett Du immer schreibst. Was gibt es denn immer zu essen? Franks werden schön lachen über Deinen Brief. Nachher gehen wir zur Synagoge, morgen ist ja Jontef & da habt Ihr ja auch frei. Alles Gute, mein lb. Junge, bleib gesund & lass Dich oft & herzlichst küssen von Deiner
Mutter