Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 31. Mai 1936
15 ?
Krefeld, 31.5.36.
Mein lieber Junge!
Heute ist Pfinstsonntag! Jetzt Nachm. 3 Uhr will ich - anstatt des üblichen Pfingst-Ausfluges - Deinen heute früh wieder pünktlich wie immer am Sonntag eingetroffenen Brief beantworten. Die liebe Mutter hält, wie immer, ihr Mittagsschläfchen; Frau Wertheim ist nach Düsseldorf gefahren, - so stört mich kein Mensch in meiner Unterhaltung mit Dir, mein lieber Junge! - Dein Brief mit den beiden schönen Bildchen hat uns, wie immer, viel Freude gemacht; Du kannst Dir denken, mit welcher Sehnsucht wir am Sonntag immer auf den Briefträger lauern, er winkt uns immer schon von Ferne, wenn er einen Brief von Dir hat. Auch Oma hat sich mit Deinen Wünschen sehr gefreut; sie sind nun ja reichlich früh gekommen, denn der hohe Tag ist ja erst am 11. Juni! Aber besser so, als 1 Tag zu spät. - Daß Du gesund bist, mein liebes Pipslein, hören wir natürlich am liebsten, zumal Ilse schrieb, sie & die meisten andren hätten D'fall. Hoffentlich bist Du nicht dabei. Dann sehe ich immer wieder, was mich sehr freut, daß Du gute Laune hast und den Kopf oben behältst. Halt nur immer Deinen Humor fest & freue Dich Deines Lebens; es ist sinnlos, wenn man alles so schwer nimmt; mit Freude und Humor ist alles leichter!
Es ist gut, daß Du Deine Sachen von allen 4 Seiten erhalten hast. Halte sie nur schön in Ordnung!
Vom Sparen, um Dich zu besuchen, ist schön; wir hoffen, daß es mal
in 2 Jahren möglich ist. Ich möchte ja gern, auch die liebe Mutter, das kannst Du Dir ja denken. So G'tt will, wird schon alles zu seiner Zeit werden. Wir freuen uns, wenn Du dort Deinen Weg gehst und es wird dann schon nach ein paar Jahren glücken, daß wir wieder zusammen sind. Jetzt heißt es für uns alle: durchhalten jeder auf seinem Posten, wohin uns Gott gestellt hat.
Ich habe Dir diese Woche auf meinen Paß die üblichen 10 Mk geschickt; da der Kurs etwas schlechter ist, wirst Du diesmal statt 16 sh nur 15 sh 10 [..] erhalten.
Eben nur kleine Störung. Onkel Emanuel ist gekommen; ihm war daheim zu langweilig. -
Daß wir uns keine Sorgen wegen der Unruhen machen brauchen, freuen wir uns, von Dir bestätigt zu bekommen. Wir wissen ja aus allen möglichen Berichten, daß es in den Kwuzoth ruhig ist; auch von jedem, der von drüben Post bekommt, hört man, daß es nicht so schlimm ist, wie die Zeitungen schreiben. Selbst der alte Herr Kaufmann hört von seinen Kindern in Tel-Aviv, daß sie nichts merkten, denn sie wohnen entgegengesetzt von Jaffa. Den Zeitungen nach scheint die engl. Regierung nun eine ziemlich eindeutige Politik einzuschlagen, nämlich sich nicht durch Drohungen & Überfälle von der Erfüllung des Mandats abhalten zu lassen. Die Regierung hat ja auch die Quoten erhöht. Wir wollen hoffen, daß der Aufbau von Erez bald in Ruhe & Ordnung weiter vorwärts schreiten kann.
Ob wir Dir Zeitungen schicken können, wissen wir noch nicht, wir müssen uns erst mal an der Post erkundigen, ob es erlaubt ist; wir schicken Dir dann gern was, die ZV Zeitung usw.
II
Frau Wertheim wohnt nun schon 14 Tage bei uns & klappt es gut; sie wäre ja auch böse dran, wenn sie anderswo ein Zimmer hätte & käme aus dem Geschäft & wäre stets allein. Auch für die l. Mutter ists ja nett, wenn ich auf Tour bin, ist sie nicht so allein & die beiden verstehn sich doch gut. Heute ist sie nach Düsseldorf, um ihre Schwägerin aus Essen zu treffen. Frau Katzentz ist z. Z. in Kassel.
Lore ist mit ihren Eltern über Pfingsten in Holland. Am Donnerstag, zu ihrem Geburtstag, waren Mutter & ich dort, um ihr Dein Geschenk, Deinen Brief (den wir solange zurückgehalten hatten) & auch unser Geschenk zu bringen. Von Dir also einen schönen Füllhalter & von uns Seide ([..]) von Meister. Mutter sagte zu Frau Frank, für ein Nachthemd, aber Fr. Fr. sagte, sie bekäme davon ein Kleid; ist ja auch dafür sehr nett, Lore ist reich beschenkt worden; von ihren Eltern eine sehr schöne Zieh-Harmonika. Also, wenn sie mal zu Dir kommt, wird sie Dir was vorspielen!
Frau Frank zeigte mir einen Brief von Inge; sie hat es sehr schlecht in Kreuznach; na, ich glaube es Inge, Du weißt ja auch aus eigener Erfahrung über Kreuznach Bescheid. Es wird ihr schwer, dort noch bis 15. Juli auszuhalten. Die Oberin ist [..], wie Inge schreibt, sie wirft Inge vor, sie schauspielere mit ihrer Krankheit u.s.w. Arbeit hätten sie von früh 6-nachts 10 Uhr. Inge schreibt, Esther fresse und rauche den ganzen Tag, nur um sich aufrecht halten zu können. Frau Fr. hat Inge geschrieben, sie wolle es ihr überlassen, ob sie aushalten wolle, aber die andren würden es wohl auch & die 6 Monate seien sonst verloren.
Lore ist lieb & brav; nur manchmal übermütig; neulich habe ich mich mit ihr auf dem Teppich gewälzt!
Marken: Ich habe heute morgen Dubletten geordert; aber was Gutes sehe ich im Moment nicht. Wenn ich was habe, schicke ich was.
Kannst Du nicht mal von der Chawerim der Kwuzah, die vielleicht noch Verbindung mit Polen & Rußland haben, Marken bekommen?
Über Deinen 4wöchigen Haarschnitt standen Deiner Oma die Haare zu Berge!
Unsre Fahrt: Meister schreiben ich möchte erst im Juli kommen; die l. Mutter fährt dann mit. Wir fahren dann wieder mit dem Auto & lassen uns Zeit. - Jetzt wäre es ja nur eine Hetzjagd gewesen. - Die Eindhovener sind in Brüssel & erwarten Mutter später. - Wir geben Dir Ihre Briefe darüber.
Dir die Sachen zu schicken, ist nicht so leicht. Von hier fährt ja selten jemand nach Erez; demnächst vielleicht Neumann von Dutzi, der wartet aufs Zertifikat & meint, er käme nach Tel-Josef. Willi Böhm ist zurück. Onkel [..] schrieb, trotz der turbulenten Tage dort trägt Willi sich mit Auswanderungsgedanken. -
Dein Bild von Kirjath A. habe ich natürlich mit Interesse betrachtet. Es scheint sehr schön dort zu sein. - Nun muß ich schließen, wegen Platz für Mutti. -
Also laß Dich umarmen, mein lieber Junge, & viele, viele Küsse
[..] Dein Vater!
Mein lb. Ernst! Auch meinen herzlichsten Dank für Deinen lb. & langen Brief. Wir freuen uns sehr, zumal unsere diversen Sorgen unbegründet waren. Aber wenn man immer wieder von den Uneinigkeiten liesst, denkt man oft mehr als nötig, aber nun sind wir wieder ganz zufrieden. Schliesslich wackelt es überall einmal, garnicht zu verwundern in einem Kolonialland. Dass Ihr froh & zufrieden seid, beruhigt uns sehr. Heute am ersten Pfingsttag hocken wir zu Hause & frieren, ich sogar in der Strickjacke. Gross-
immer schlimmer & gestern Abend ist sie gestorben. Ist das nicht schrecklich? Für Marianne selbst ist es zwar gut so, denn ihre Krankheit war unheilbar, aber [..] tun mir sehr leid. Ein schönes Pfingstfest für die Leute. Hellmut Frank war diese Woche wieder hier, um Deine Briefe zu lesen. Er ist begeistert von Deinen Berichten & lässt vielmals grüssen wie ich Dich überhaupt von allen Bekannten grüssen soll, auch Heinz Jakobus war hier. Meine Wünsche würde ich Dir ja gerne erfüllen, aber ich weiss nicht wie. Wenn mal jemand rüberkommt gebe ich es bestimmt mit, aber wann wird das seinj? Du hast doch eine weisse Leinenhose, die von Vater; die wir kürzer gemacht hatten, kannst Du die nicht am Schabbat anziehen, wenn sie sauber ist? Hast Du auch Deine Uhr noch in Ordnung? Wenn Dir irgend ein Teil fehlt, könntest Du es Dir drüben nicht kaufen? Du hast doch jetzt Geld & so teuer sind die Sachen doch nicht, die Dir fehlen. Schreibe nochmal darüber & halte uns immer auf dem Laufenden mit dem, was Du brauchen könntest. Der Zufall bringt mir vielleicht mal eine Adresse von einem, der rüberfährt. Deine Vettern Kurt Loewy & Ernst Lamm kommen 1937 ja auch rüber. Du kannst Ilse sagen, ihre Briefe per Luftpost brauchen genau soviel Zeit als Deine auf gewöhnlichem Wege. Sie kann also ruhig mehr schreiben, es geht genau so schnell. Gerda schrieb aus Hanau & bat um Deine Adresse. Nun habe ich Dir mal wieder alle Neuigkeiten geschrieben & hoffe, dass Du mit mir zufrieden. Für heute recht viele Grüsse & Küsse & noch mehr gute Wünsche von Deiner Mutter.
Ich erkundige mich dieser Tage mal nach Zeitungen an der Post & sende Dir event. dann welche. Marken vom Brief zurückschicken.