Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 7. Juni 1936

Krefeld, 7.6.36.

Mein lieber Ernst!

Dein von uns so sehnlich erwarteter Brief ist leider heute nicht gekommen, es ist also der erste Sonntag, den wir ohne Deine Nachrichten sind. Es ist dies sehr schade; natürlich kann das mal passieren & hoffen wir, daß nun morgen Nachricht von Dir kommt. Auf jeden Fall lassen wir diesen Brief bis morgen, evtl. Dienstag früh liegen, da erst am 11. Juni das nächste Schiff geht, oder wir müßten den Brief morgen p. Luftpost schicken; dann ist er schon am 11ten in Jaffa. Mal abwarten, ob morgen früh Post kommt. -

Uns geht es soweit gut. Wir sind gesund & munter & hoffen auch das Gleiche von Dir, mein lieber Junge. Ich war diese Woche wieder raus, aber jeden Aben daheim. Es war nicht schlecht, wenn auch nicht ganz gut. Wir haben ja dauernd so schlechtes & kaltes Wetter, daß wir im Wohnzimmer geheizt haben. Wie soll die Kundschaft da Lust für Sommersachen haben. Auch heute regnet es den ganzen Morgen schon ziemlich heftig & es ist auch kalt. Dabei ist heute die Einweihung der Brücke, wahrlich kein Vergnügen bei dem mistigen Regen. Die Einweihung nimmt der Stellvertreter des Führers vor. - Morgen fahre ich nach Bielefeld, es geht dann zum ersten Mal über die Brücke. -

Neues gibt es hier nicht viel; vielleicht kann die l. Mutter Dir mehr berichten. Es läuft alles, wie Du es gesehn hast, im gewohnten Tempo. Lore war gestern & heute nicht hier. - Tante Jettchen hat die Blumen in Deinem Namen erhalten. Levys gehn heute Nachm. zum Kaffee hin. Wir haben dankend abgelehnt. -

Nun für diesmal alles. Du bekommst diese Woche von mir noch Nachricht von unterwegs aus. Dadurch, daß ich zu Hause war, bist Du um diese Briefe von der Reise aus zu kurz gekommen; das kommt aber jetzt wieder. - Viele, viele Küsse & [..] Dein Vater.

Grüße Ilse & die Chawerim alle!

Mein lb. Junge! Schade, dass heute Deine Post ausblieb & wir hatten uns schon so darauf gefreut. Hoffentlich brauchen wir nur nicht lange darauf warten; wir waren schon ein bisschen verwöhnt, weil Deine Briefe immer so pünktlich eintrafen. Gleich machen wir Dir ein Paket Zeitungen zurecht, die dann morgen an Dich abgehen & Freitag sandte ich Dir einen Brief mit einem Netzjäckchen. Schreibe mir sofort, ob es angekommen ist & gut war, dann kann ich Dir jede Woche eins schicken, bis Du einige zusammen hast. Lass Dir, wenn Du es bekommst, von Ilse einen Namen daran nähen, ich vergass es in der Eile. Und dann schriebst Du, es fehlten Dir noch Kleinigkeiten. Was sind das für Dinge? Wenn das Jäckchen ankommt, könnte ich Dir vielleicht kleine Wünsche auf diesem Weg erfüllen, mit den Hosen ist es schwieriger. Also lb. Pipslein, schreib mal darüber. Hoffentlich geht es Dir recht, recht gut. Gesundheitlich sind wir auch alle zufrieden. Möglicherweise fahre ich morgen in 8 Tagen nach Eindhoven. Die Lieben schreiben dauernd, wann ich nun endlich mal komme. Es hängt jetzt nur vom Wetter ab, wenn es so schlecht bleibt, verschiebe ich es nochmal um 8 Tage. Man hat doch nichts, wenn man draussen ist bei Regen & Kälte. Sonst gibt es hier garnichts Neues, Frau Rosberg & Fritz waren dieser Tage mal hier, aber ich war nicht zu Hause. Fritz tut immer noch nichts. Das wäre was für Deinen Vater. Hoffentlich brauchen wir nun nicht zu lange auf Deine nächste Nachricht mehr warten. Für heute viel gute Wünsche & herzliche Küsse Deiner Mutter.

Ich wollte Dir noch sagen, dass 3 ½ Bogen immer mit Kuvert das richtige Gewicht haben; Deine Briefe waren noch nie zu schwer.