Richard und Erna Loewy und Tante Jettchen an Sohn und Neffen Ernst, 14. Juni 1936
Sonntag, 14/6.36.
Lieber Ernst!
Ich bin gerade bei Deinen l. Eltern und benutze die Gelegenheit einige Zeilen beizufügen. Wir haben Deinen Brief gelesen, und freuen uns, dass es Dir gut geht und zufrieden bist. Wir haben uns in der Wohnung gut eingelebt unser [..] hat sich gebessert. Den Geburtstag Deiner l. Grossmutter haben wir gut mitgefeiert. Jetzt lass es Dir weiter gut gehen. Ich füge auch Grüße an Tante Berta u. Tilde bei. Von mir viele Grüße u. Küsse
Deine Dich l. Tante
Jettchen.
Mein lieber Junge! Mit vieler Freude haben wir heute wieder den Briefträger begrüßt, brachte er uns doch Deine lieben Zeilen v. 2.-5. ds., in dem Du noch einmal einen Rückblick auf Deine Reise gehalten hast. Wenn wir diese Zeilen lesen, so stehen wir noch einmal mit Dir in Düsseldorf am Bahnhof, wir nehmen noch einmal Abschied & sehen uns noch einmal „Lehitraoth”! Die Reise, die ich wenigstens, zum größten Teil kenne, kann ich in Gedanken bis München mit Dir machen. Wenn ich denke, daß sich andre Eltern aus purem Egoismus nicht von ihren Kindern trennen können & sie lieber weiter auf der Schule halten, haben wir Dich schon ein paar Tage eher gehen lassen, als es sein mußte, nur damit Du in München noch ein paar schöne Tage in Freiheit verleben konntest, und es tut mir nicht leid, da ich weiß, daß Du in München noch viel Schönes gesehen und erlebt hast.
Du hast doch zum Abschied noch eine schöne Erinnerung an Deutschland mitgenommen; wer weiß ob und evtl. wann Du das noch einmal sehen kannst. Die Alpen zu sehen, Triest, das Mittelmeer und all das andre war ein großes Erlebnis für Dich in Deinen jungen Jahren & ich kann mir vorstellen, daß Du an dieser Erinnerung noch viele Jahre zehrst. Wir wollen hoffen & beten, daß unsre Wünsche & Erwartungen, die wir an Deine Reise nach Erez stellen, sich erfüllen mögen. Deine Briefe erfüllen mich immer neu mit Freude und Zuversicht, ich sehe, daß Du zufrieden bist und froh. Halte Deine Fröhlichkeit und Deinen Humor fest, laß Dich nicht unterkriegen: [..]! - Wenn Du mal Sorgen hast, und Du kannst nicht zu mir kommen, mein lieber Junge, dann wende Dich an Deinen Führer oder an Miß Szold. Sonst, weißt Du, bin ich immer für Dich da; trotz der weiten Entfernung darfst Du nicht vergessen: Dein bester Freund ist immer Dein Vater!
Die liebe Mutter ist mit Frau Wertheim eben zu Rosbergs, um Fritz Deinen Brief zu bringen; sie wollen ihn, wenn möglich, nun in den Kasten werfen. - An Tante Tini schrieb ich heute auch, ich sandt ihr Deinen Brief mit. Eben schreiben wir auch an Onkel Richard, der heute Bildchen von sich sandte. Eines sollst Du wohl haben. Onkel Richard bestätigte ich sein Geschenk an Dich.
Die l. Mutter fährt morgen nach Eindhoven, ich fahre am Samstag bis Sonntag wohl auch hin, dann kann Mutter ein paar Tage länger bleiben. Sie wird Dir von dort schreiben. Ich fahre morgen Richtung Münster, wo am Mittwoch Ausstellung ist.
Deinen Ausführungen über die Kwuzah stimme ich zu. Ich denke, zuviel Sorgen darüber, ob Du später mal dort bleibst, brauchen wir uns heute nicht darüber machen; es sind ja noch fast 2 Jahre, kommt Zeit, kommt Rat. Die Zukunft wird sich schon dann von selbst ergeben.
II
Da Du ja nicht alleine auf Deinem Standpunkt stehst, sondern Eure Gruppe allgemein so denkt, wird es wohl nach den 2 Jahren für Euch auch eine gemeinsame & wohl gleiche Lösung dieser Frage geben. Bis dahin nur fleißig lernen, damit Du dann was kannst! Deshalb ist es ja auch ganz gut, wenn Du mal hier, mal da arbeitest. -
Wie siehst Du aus? Bist Du schon recht braun gebrannt? Bist Du schon kräftiger geworden? Was macht Dein Biceps? Habt Ihr eine Waage, wo Du Dich mal wiegen kannst? Dick geworden wirst Du dort wohl kaum, ich glaube eher sehnig & kräftig. Stimmt das? Treibt Ihr auch Sport & vielleicht auch Turnen? Schreib mal bitte darüber!
Wie kommst Du mit Deinen Arbeitsschuhen zurecht? Wäre es nicht besser gewesen, Du hättest auch ein paar richtige Arbeitsschuhe mitgenommen, wie ich es wollte? Was trägst Du im Garten & am Bau für Schuhe? - Zeitungen erhältst Du nun öfters. Soll Dir vielleicht Onkel Richard mal welche schicken? Ich will ihn veranlassen; der Brief an ihn ist ja noch hier. Ich kann mir denken, daß Ihr Euch freut, wenn ihr heimatliche Zeitungen lesen könnt. -
Über die neue Brücke bin ich schon hin & hergefahren. I a!
Nun Schluß für heute, damit die l. Mutti Platz hat.
Für heute recht viele, viele Küsse & [..] Dein Vater.
- Marken anbei, weitere folgen!
Gruß an Ilse, Küken etc.
Palästina Marken habe ich: 2. 3. 4. 5. 7. 8 braun. 8 rot. 10. 13 braun. 13 blau. 15. 20. Kannst Du nicht welche älteren besorgen mit Aufdruck??
Mein lb. Ernst! Herzlichen Dank für Deinen netten Brief. Du schreibst so anschaulich, dass ich Deine Reise & alles mit erlebe & bin sehr froh, wie zufrieden Du dabei bist. Vater hat Dir Deinen Brief soweit beantwortet, so dass mir nur noch das Lokale übrig bleibt. Deinen Brief an Fritz haben wir eben dort in den Kasten geworfen (abends ½ 10), also hat er ihn morgen
früh zum ersten Kaffee. Er & Lore waren dieser Tage hier & lassen Dich vielmals grüssen. Ausserdem war gestern Herr Kronenberg hier, um sich nach Dir zu erkundigen. Er hat einen Teil Deiner Briefe mitgenommen, um sie morgen Abend in der Z.O.G. einmal vorzulesen. Sie wären alle so hungrig auf Berichte von drüben & hat sich sehr gefreut, dass ich sie ihm zu diesem Zweck mal überlassen habe. Mittwoch in 8 Tagen spricht hier im Kulturbund Joachim Prinz. Ich habe mir eine Karte dafür bestellt, da ich ihn unbedingt einmal hören möchte. Durch die Z.O.G. kann man Karten für 1.20 haben. Morgen fahre ich nun endlich nach Eindhoven. Ich freue mich sehr darauf & hoffe ein paar nette Tage dort verbringen zu können. Ich schreibe Dir von dort aus alles ausführlich. Hoffentlich habe ich nur besseres Wetter, heute hat es wieder dauernd geregnet & war sehr kühl. Ein Sommer zum Verzweifeln. Trotzdem steht hier alles wundervoll. Ich war heute mit Vater auf dem Monte Drecko, dort blühen die Rosen, eine wahre Pracht. Da unten an der Kaserne kommt jetzt eine grosse Rollschuhbahn & eine künstliche Eisbahn; Krefeld macht sich.
Alles weitere schreibe ich Dir von Holland aus; es ist spät & ich müde geworden. Also, lb. Pipslein, bleib weiter hübsch gesund & nimm viel gute Wünsche &
tausend Küsse Deiner
Mutter.
Hast Du das Päckchen & die Zeitungen erhalten?
Gruß von Levys.