Richard Loewy und Großeltern an Sohn Ernst, 21. Juni 1936
Krefeld, 21.6.36.
Mein lieber, lieber Junge!
Der heutige Sonntag ist trotz des heißen Sonnenscheins kein Sonnentag für mich; Deine Post ist ausgeblieben & auch die liebe Mutter ist nicht hier, sondern noch in Eindhoven. Ich hatte eigentlich vorgehabt, über den Sonntag auch hinüberzufahren, aber dann war es mir doch zu teuer wegen der paar Stunden. So verbringe ich meinen Sonntag Nachmittag mit einer kleinen Plauderstunde mit Dir. - Deinen gewohnten Sonntagsbrief vermißen wir alle sehr (auch von Ilse kam nichts); hoffentlich kommt er nun morgen früh. Ich lasse den Brief mal so lang liegen.
Besonderes habe ich Dir eigentlich gar nicht zu schreiben. Ich kam Freitag Abend heim, saß gestern von früh morgens bis Abends hier am Schreibtisch (vor Deinem schönen, großen Bilde) & gestern Abend nach dem Essen war ich bei Fernich-Blankenstein, wohin ich wohl heute Abend wieder gehe. Gesehn & gesprochen habe ich niemand, ich war noch nicht mal auf der Hubertusstr., will aber dann doch noch eine Stippvisite dort machen, sonst ist man wieder beleidigt. - Lore war auch nicht hier. -
Anbei sende ich Dir den s. Z. vermißten Brief, den ich Dir aus Beth Olim geschrieben habe, nach. Er kam nach dem Hotel in Münster zurück; es waren meine letzten Reisewünsche für Dich, Du sollst sie doch noch, wenn auch verspätet, haben.
Seit einigen Tagen ist nun auch hier eine große Hitze. Wie mag es jetzt bei Euch heiß sein! - Fürs Geschäft ists wirklich spät; die Hitze hätte vor 6 Wochen sein müssen. Wir haben viel Schaden dadurch.
Von Tante Hilde kam gestern eine Karte, sie hoffen, daß Ernst bald auf Hachscharah kommt. Ernst schrieb, Du möchtest ihm mal schreiben. Ich werde gleich eine Karte schreiben, Ernst möchte mal Dir schreiben!
Die Zeitungen berichten immer noch so viel von den Unruhen dort; scheint das denn noch nicht bald zu Ende zu gehn? Auch in Noya sind Schüsse gefallen! Es ist uns nicht angenehm, das immer wieder lesen zu müssen; wir erwarten deshalb Deine Nachrichten immer mit besonderer Sehnsucht & ists uns eine Beruhigung, wenn Du schreibst, daß Ihr nichts merkt. Aber trotzdem bitte ich Dich, auch hier nicht etwa, um uns keinen Sorgen zu machen, die Sache beschönigen & uns etwas verheimlichen zu wollen. Wir wollen ja hoffen, daß alles gut ist & auch besser wird!!! Wir wollen den guten Mut nicht sinken lassen & unser Gottvertrauen nicht verlieren.
Du hättest den Brief von Triest noch gut erhalten können, aber er ist dadurch aufgehalten worden, daß er erst noch von der Devisenüberwachung geöffnet wurde & so kam er erst am 27/1 nach Triest, als Dein Schiff abfuhr!
Was hörst Du von Schüttüber? Schreibt Elfi noch? Und Du ihr?
Montg. 27/6.
M. l. Z.! Leider kam heute nichts von Dir! Nun erwarten mit Sehnsucht Deine Nachricht. Ilse schrieb aber. - In Eile Ich muß fort!
Viele Küsse Dein Vater.
Lieber Ernst.
Dich bei bester Gesundheit hoffend grüßt und küßt Dich vielmals Deine Großmutter.
Lieber Ernst.
Auch ich weiß heute nichts zu berichten, hoffentlich erhalten wir Morgen Nachricht von Dir. Hans Seligmann wird diese Woche mit seinem Staatsexamen fertig, hat bis jetzt alle Prüfungen mit I bestanden. Dein bestes Wohl voraussetzend verbleibe ich mit vielen Grüßen & Küssen
Dein Großvater.