Richard und Erna Loewy sowie andere an Sohn Ernst, 27. Juni 1936

Krefeld, den 27.6.36.

Mein lb. Ernst!

Gestern Abend bin ich aus Eindhoven zurückgekommen, wo ich 12 sehr schöne Tage verbracht habe. Etwas Besonderes erlebt habe ich dort eigentlich nicht, wir haben ausser Spaziergängen garnichts unternommen, aber die herrliche Ruhe & das gute Wetter haben soviel dazu beigetragen, dass sie sich hier zu Hause alle wundern, wie gut ich aussehe & mich erholt habe. Polaks sind reizende Menschen, bei denen sich's aushalten lässt, ausserdem haben sie ein Häuschen für sich mit Garten & Hund, letzterer spielt dort die Hauptrolle; man lebt dort also ganz für sich. Von den Eiswagen, die Du uns so oft von Arnheim geschildert hast, haben wir oft Eis gegessen & jedesmal musste ich dann an Dich denken. Auch auf einem Markt, der alles bot, war ich mal mit Kurt. Ich wäre gerne mal nach Arnheim gefahren, aber da man nur 10,- Mk mitnehmen kann, hatte ich dazu kein Geld. Kurt hat uns alle zusammen geknipst. Wenn die Aufnahmen etwas werden, will er Dir die Bildchen schicken. Vor allem fand ich bei meiner Rückkehr Deinen Brief vom 9.-13. ds. vor, der sich diesmal etwas verspätet hat. Aber das kann ja mal vorkommen, die Hauptsache, Du bist gesund & zufrieden. Wie schmecken denn die geschenkten Aprikosen & Äpfel, ich glaube nochmal so gut, als wenn ihr Euch welche nehmen dürft. Auch hier gibt es jetzt viel Obst; nur ist der Preis zwischen Holland &

hier gewaltig. Hier kosten Erdbeeren per Pfd. 30 Pf. & in Holland bekam man 3 kg. für 25 Cent; dass ist umgerechnet 7 Pf. per Pfd. So ist es mit den Lebensmitteln, drüben ist alles enorm billig. Es scheint doch so, dass die Frau in Eurem Gemüsegarten zufrieden mit Dir ist, sonst würde sie Dich sicher nicht zurückgerufen haben! Warum bist Du auf keinem von den Bildchen, die Ilse geschickt hat, ich möchte so gerne mal eins von Dir haben. Geht das nicht? Wie ich das mal mit der Leinenhose mache, weiss ich nicht. Ich möchte Dir gerne eine schicken, da sie aber mehr als 1 Pfd. mit Verpackung wiegen wird, ist das nicht so einfach. Mal sehen, wie wir's machen. Zeitungen gehen wieder mit gleicher Post an Dich ab & eben sortiert Vater Marken. Das Hühner- & Kuchenessen war Euch doch sicher nicht unangenehm, bekommt Ihr mal häufiger so etwas? Den Schabbat gestaltet Ihr Euch ja sehr nett, wir lesen diese Deine Ausführungen immer mit grossem Interesse. HIer stöhnt alles wegen Hitze & Ihr wisst sicher schon garnichts mehr davon. Ich will für heute schliessen, Vater möchte noch schreiben & der Brief soll auf die Post. Karuso grüsse bitte wieder, ebenso Ilse & sei Du selbst oft & herzlichst gegrüsst & geküsst von Deiner
Mutter.

Lieber Ernst & liebe Ilse! Gern nehme ich die gute Gelegenheit wahr & sende Euch herzliche Grüße! Mit Euren Briefen haben wir uns sehr gefreut & werde ich Dir l. Ilse morgen wieder schreiben. Hast sicher inzwischen meinen langen Brief von voriger Woche bekommen? Ich war Mittwoch zum Vortrag von Joachim Prinz in der Synagoge! Hatte mehr erwartet & war deshalb enttäuscht! Er sprach über jüd. Kultur! Werde noch Näheres darüber schreiben. Herzl. Grüße & für mein Ilselchen 1000 herzliche Küsse von Deiner Mutter & Frau Wertheim.

Lieber Ernst.

Es war rührend schön von Dir, daß Du soviel an meinen Geburtstag gedacht hast, und hat Dir hoffentlich das Huhn gut geschmeckt. Wir hatten nämlich kein Geflügel, da ich doch keine Verwendung für die Herzchen hatte. Auch halten die Pralinen diesesmal so lange, hattest Du sie doch sonst größtenteils verzehrt. Bleibe weiter gesund und froh, nimm herzliche Grüße u. Küße von
Deiner Großmutter, Großvater.

Demnächst bekommst Du auch wieder 10 Mk.

Mein lieber Ernst! (beinahe hätte ich mich in der Überschrift geirrt!) Also, mein lieber Junge, auch ich habe mich mit Deinem Brief wieder von Herzen gefreut & freue mich schon jetzt auf morgen, wo gewiss wieder ein neuer kommt. Ich bin froh, daß heute die liebe Mutter wieder zu Hause ist; die vorige Woche war es sehr einsam für mich hier, Mutter nicht & Du nicht!

Hoffen wir, daß nur die Unruhen bald einmal aufhören; aber es scheint fast nicht so. Heute schreibt die hiesige Zeitung in einer kurzen Notiz, daß die „Daily Chronicle” melde, 60.000 Araber aus Transjordanien beabsichtigten in Erez einzumarschieren. Im Text allerdings weiter keine Details. Ich kann das nicht glauben. Denn 1) sind 60 000 Menschen eine ganz gewaltige Heeresstärke, die nicht von heute auf morgen auf die Beine gebracht werden können (es ist etwa der 10te Teil der gesamten deutschen Armee vor dem Kriege!), am wenigsten in einem solchen Lande wie Transjordanien! & ?) wird sich England dies doch bestimmt nicht ohne weiteres bieten lassen!

Ich habe immer das Vertrauen in England, als Mandatsmacht, daß es für Ruhe & Ordnung sorgen wird. - Deinen Berichten sehen wir weiter mit Spannung entgegen!

Zeitungen gehen eben auch an Dich ab. Steht aber nicht viel drin. Hoffentlich hast Du die andren erhalten.

Marken: einige anbei. Schön ist die [..] holländische. Ich füge Dir jedem Brief einige bei. Kurt S. ist z. Zt. nicht hier. Wenn ich ihn wiederspreche, lasse ich mir Dein altes Album geben, falls überhaupt noch was drin ist. Mir kannst Du an Dubletten schicken, was Du bekommen kannst, wenn auch die Marken mehrmals dabei sind. Ich kann sie bei Kurt wieder vertauschen, der jetzt auch alles sammelt.

Du schreibst von Eurem Iwrith-Unterricht. Wie ist es denn mit Englisch? Lernt Ihr das denn gar nicht? Ich dachte, das wäre doch sehr wesentlich, daß Ihr Euch darin weiterbildet. Und arabisch? Können eigentlich die alten Chawerim Englisch oder Arabisch? Kommen schon mal Araber zu Euch in die Kwuzah?

Ilses Brief, der bei Abgang des Deinen noch nicht fertig war, kam schon am Montag an, Deiner aber erst am Dienstag! Ilses kam p. Airmail!

Von uns kann ich Dir sonst nichts berichten. Ich war von Montag bis Freitag on Tour (Erndtebrück/Laasphe); geschäftlich ists nicht berühmt; sonst geht es uns gut. - Deinen Zettel für die [..] gebe ich gleich bei Helmut ab, an Ernst Lamm schicke ich den Zettel demnächst weiter. Das ist ja nicht so sehr wichtig!

Wenn morgen ein Brief von Dir kommt, schreibe ich morgen nochmal. Anbei auch einen Antwortschein!

Nun alles, alles Gute, mein lieber Junge! Grüße alle & nimm viele Küsse von Deinem
Vater. [..]!!