Richard Loewy und Familie an Sohn Ernst, 10. Juli 1936
10.7.36. Mein lieber Junge! Ich will, da die liebe Mutter in der Küche ist, schon mal im Text weiterfahren & von mir aus Deinen lieben Brief beantworten. Vor allem freut mich die Nachricht Deines Wohlergehens & auch daß die Beschießung Eurer Kwuzah nichts auf sich hatte; aus den Notizen in der Rundschau & ZV-Zeitung konnte man sich sonst allerlei vorstellen. Nur wollen wir hoffen, daß nun bald Ruhe bei Euch eintritt. Nach den letzten Meldungen, die ich las, machen die Engländer nun ja endlich Ernst mit dem Aufräumen. -
Wir senden Dir wieder ein Paket Zeitungen; es liegt dabei auch ein Blatt aus dem Mittag mit einem Bericht aus Palästina: brodelndes Land. Was dieser Berichterstatter da alles zusammenschreibt, [..] meines Erachtens nach schon mehr an Märchen, solche Organisationen gibt es drüben doch gar nicht, wenn manches über die Bewaffnung auch stimmen kann, allerdings doch nicht im Geheimen, sondern mit Wissen & Willen Englands! - Eben kommt Opa mit der andren CV-Zeitung; wollen mal schnell sehen, was darin Neues über Erez steht! -
Soeben kommt Hans Polek aus Eindhoven zu Besuch! Er bleibt ein paar Tage hier, um seine [..] zu verbringen!
In der CV-Zeitung steht über die Unruhen wieder allerlei; noch immer kein Ende. Bei Euch ist ein Hilfspolizist durch Knieschuß verletzt worden.
Hoffentlich ist nur bald Ruhe & Frieden! Wir erwarten wieder mit Sehnsucht Deinen nächsten Brief!
Inzwischen habe ich jetzt zu Mittag gegessen & nun weiter im Text! Deine Nachrichten über die Kwuzah-Einrichtung interessieren mich natürlich sehr, auch über die Arbeit. Am letzten Montag (leider war Dein Brief zu der Zeit noch nicht da) war ich in der ZOG & wir sprachen dort über die Einrichtungen & über die Arbeitsverteilungin einer Kwuzah, darüber, wer die Arbeit verteilt, wer die Arbeiten auf dem Büro macht, ob dieselben Leute dauernd eine Kwuzah leiten, oder ob in der Leitung öfters gewechselt wird, auch ob auf dem Büro & auch bei den andren Arbeiten gewechselt wird, ob vor allem
2 in der Leitung & im Innendienst jeder einmal daran kommt, ob auch Frauen auf dem Büro Dienst tun. Es wäre mir interessant, mal über diese Dinge von Dir Authentisches zu erfahren. Bleibt der Muchtar (das ist doch arabisch?) immer derselbe oder wechselt er schon mal? Wer bestimmt die Einteilung der Arbeit? Du schreibst: der „Arbeitsverteiler”. Wer bestimmt ihn dazu & ist es ewig derselbe? Aus wieviel Leuten besteht die Leitung der Kwuzah, da Du schreibst, der Muchtar hätte auch nicht mehr zu sagen als alle andren? Wie geschieht die Leitung? In Form eines „Rates” oder einer „Versammlung”? Das sind mir noch alles dunkle Dinge! Ist denn nicht auch „Einer” da, der gewissermaßen der Führer aller ist?
Wie Du weißt, war ich nicht in Eindhoven. Es war mir zu teuer. Ich hebe mir das für später auf! -
Marken: Von den zuletzt gesandten habe ich ca 20 eingeklebt; einige sind sehr schön. Du kannst mir ruhig alle Dubletten (auch die neuen aus Erez) schicken. - Von den paläst. Marken mit Aufdruck habe ich: 1 braun, 2 grün, 2 gelb, 2 olive, 1 grau, 3 blau, 2 x 5 gelb, 7 gelb, 13 blau. Ich sehe aber, daß der Aufdruck in verschiedenen Lettern ist. Bei den meisten sind steile Buchstaben (PALESTINE) gebraucht, aber bei 2 grün & bei der einen 5/gelb ist eine andre Type = PALESTINE; der Aufdruck auch was kleiner. Wenn Du solche mit Aufdruck bekommen könntest, wäre ja nett. Die neuen Marken habe ich wohl alle; (außer 1), 2, 3, 4, 5, 6, 7 rot, 7 lila, 8 rot, 8 hellbraun, 10, 13 blau, 13 ocker, 15 blau, 20 olive. Die 6 grün ist lädiert; hofftl. bekommst mal eine gute. Wenn es noch andre Werte gibt, bin ich Abnehmer.
K[..] können wir uns etwa vorstellen. Hoffentlich lernen wir's nochmal selbst kennen! -
Den Brief an Rolf sende ich heute weiter. - Den Brief von Ernst Lamm hatte ich noch nicht abgesandt, ich übergebe ihn selbst. Anbei einen Brief von ihm; er beklagt sich, daß Du nicht schreibst, weil ich oben den Brief noch hier habe. - Nächste Woche fahre ich wohl nach Kronach; seit Mittwoch reise ich nicht mehr, die Ruhe tut auch mal gut. - Von Kronach aus schreibe ich Dir auch; aber ich hoffe, daß ich am Sonntag noch einen Brief von Dir hier habe & erst nochmal von hier antworten werde.
Heute gehen Zeitungen ab, sowie 1 Paketchen mit einer blauen Hose, schreib bitte
sofort, ob Du alles bekommst. - Daß Du dicker geworden, höre ich gerne, daß endlich mal was auf die Ruppen kommt. - Kräftiger wirst Du schon von alleine durch die Arbeit & auf alle Fälle: Du wirst ein aufrechter Mann! Das ist, was Du am meisten nottat! -
Nun Schluß; ich will noch was Platz lassen für die andren!
Viele, viele Küsse & Wünsche [..] Dein Vater.
In Deinem nächsten Brief kannst Du Rolf Schwarz mal um Marken bitten! Auf dem Paket mit der Hose habe ich eine Olympia-Marke 40 Pf. aufgeklebt; bitte um Rücksendung!
Lieber Ernst!
Du wirst Dich sicher wundern, von hier aus etwas von mir zu hören. Ich benutze meinen 10tägigen Urlaub dazu, die Lieben in Krefeld mal wieder zu besuchen. Ich habe Deinen letzten Brief gelesen und freue mich sehr, daraus zu ersehen, dass es Dir gut geht und Du Dich dort wohlfühlst. Auch bei uns in Holland ist alles beim Besten. Deine lb. Mutter konnte sich ja persönlich davon überzeugen.
Nun, mein lb. Junge, lass es Dir weiter recht gut gehen, wir werden ja über Dein Ergehen ständig auf dem Laufenden gehalten.
Empfange für heute recht herzl. Grüsse
von Deinem Hans Polek.
Lieber Pips! ich bin dauernd gestört worden & werde Dir ein andermal mehr schreiben. Für heute nur tausend Küsse Deiner Mutter.
Liebes Ernstelein sei herzlichst gegrüßt und geküßt von Deiner Großmutter u. Vater.