Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 12. Juli 1936
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12.7.36.
Mein lb. Ernst! Vater & Hans sind etwas spazieren & so will ich schonmal wieder einen Brief an Dich anfangen. Heute früh erhielten wir von Herrn Stern aus Grevenbroich ein Negativ, wo ihr beide, Walter & Du drauf sind. Wenn heute nicht Samstag wäre, hätte ich es gleich zu Horster gebracht, so müssen wir unsere Ungeduld noch einen Tag bezähmen. Ich freue mich sehr auf das Bildchen & werden wir Euch nach Gebrauch das Negativ zurücksenden. Übrigens fällt mir eben ein, am 17. ds. hat Grossvater Geburtstag, hast Du daran gedacht? Gestern sandten wir Dir ein Paar Fusslappen & eine lange, blaue Leinenhose per Päckchen, d. h. die Lappen separat als Muster ohne Wert. Es sind jetzt eine Menge Sachen an Dich unterwegs, hoffentlich erhältst Du auch alles & passen die beiden Hosen. So sind Deine Wünsche doch schnell in Erfüllung gegangen, vielleicht kann ich Dir im Herbst, wenn das Mädel aus Gladbach rüberfährt, noch ein paar Arbeitsschuhe mitschicken. Der Schnellhefter folgt dieser Tage & wenn Du mal wieder einen Wunsch hast, den wir Dir erfüllen können, schreibe, wir erfüllen ihn Dir sehr gerne, wenn es zu machen ist. Dummerweise habe ich vergessen, die Fusslappen zu zeichnen, in der Mütze & den Hosen steht Dein Namen drin. Du denkst sicher, Vater wäre auf dem Wege nach Kronach, aber in letzter Minute schrieben Meister, die Reise würde sich erübrigen, da einer der Herrn Anfang August in Köln ist & Vater ihn dann dort sprechen
2) Briefmarken zurücksenden.
kann. Vater wäre natürlich gerne mal wieder mit seinen Geschwistern zusammen gekommen, aber da ich doch nicht mitgefahren wäre & wir sowieso sehr sparen müssen, ist es genau genommen, so besser für uns. Wir sparen dadurch eine Menge Geld & ein paar schöne Ferientage können wir uns auch hier machen. Mehr Ruhe hat natürlich Vater zu Hause, wo er tun & lassen kann, was er will & Ruhe kann er dieses Jahr besonders gut gebrauchen. Also fahren wir bei gutem Wetter ein bisschen ins Grüne & erholen uns hier. Eine Erholungsreise wäre es ja nach Bayern doch nicht geworden bei all den nervösen Menschen. Heute war Hilde Meyer mit ihrem Bräutigam bei uns. Sie lässt Dich herzlichst grüssen, ebenso die ganze Neusserstr., wo ich diese Woche war. Onkel Michel, Tante Lenchen, alle haben sich eingehend nach Dir erkundigt & freuen sich, dass es Dir gefällt, ebenfalls Dr. Bluhm. Ich muss nun für's Abendbrot sorgen, wenn die beiden gleich heimkommen, bringen sie wieder Hunger mit. Morgen Fortsetzung, indessen viel, viel Küsse Deiner Mutter.
Montag, 13/7.36.
Mein lieber, lieber Junge!
Zu meiner, zu unser aller Freude kam heute Dein lieber Brief v. 1.-3.7. an. Vor allem freut es uns, daß Du gesund & froh bist. Dank für Dein Bild, es ist gleich von Horster (mit dem Negativ von Stern zusammen) in Arbeit genommen worden & bekommen wir heute Abend die Abzüge. Für Dich lassen wir vorerst keine Abzüge machen, da Herr Stern schreibt, Ihr hättet
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Abzüge. Sollte ich Dir noch welche machen lassen müssen, dann mußt Du ohne die Negative, die ich Dir im nächsten Briefe wiedersenden werde, nochmals an uns zurückschicken.
Nun noch eins: wenn Du wieder einen Brief mit Ilse zusammen schicken möchtest, dann bitte ich Dich unter allen Umständen die Adresse auf dem Briefumschlag an uns - nicht an Frau W. - zu schreiben; denn die Post kommt doch um ½ 9, während Frau W. schon im Geschäft ist; der Brief liegt dann geschlossen bis um 1 Uhr, bis Fr. W. aus dem Geschäft heimkommt & wir müssen dann so lange warten; wir haben ja kein Recht, ihre Briefe aufzumachen, selbst wenn wir wissen, daß auch einer für uns drin ist. Also, stets an uns adressieren! Wenn dies Ilse nicht recht sein sollte, dann schicke die Briefe lieber alleine ab. - Habt Ihr dann eine Marke mehr, wenn Ihr die Briefe zusammen schickt? Hoffentlich doch? - Ilse wird das ja wohl einsehen; denn der Brief an ihre Mutter erleidet ja keine Verzögerung, nur im umgekehrten Fall, der an uns.
Daß die Knallerei dort nicht viel ausmacht, hoffen wir; es ist natürlich schlimm genug, daß es überhaupt so ist. Auch der wirtschaftliche Schaden ist böse genug für den Aufbau des Landes.
Ich höre gern, daß von der Universität jemand Euer Wissen bereichert & daß auf diese Art auch für Euren Geist etwas getan wird. Wir freuen uns, daß Ihr Euch jetzt so richtig ins Obst hineinknien könnt. (Wir können es leider nicht. Die vielen Äpfelchen, die an unsren Bäumchen waren, sind abgefallen, ich glaube bis auf 2; über die Kirschbäume sind Läuse gekommen, sodaß auch daran nicht mehr viele sind, Birnen gar nicht. Johannisbeeren sehr wenig - sind schon alle intus! -, aber sehr, sehr viele Stachelbeeren haben wir, soviele wie noch nie!) Hoffentlich lernst Du auch bei dieser Arbeit recht viel. Es macht mir herzlich Freude, wenn Du schreibst, daß Du Spaß an der Arbeit hast & Deine Befriedigung findest.
Eure Telefonzentrale scheint ja recht nett geworden zu sein. Es ist
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anscheinend doch schade, daß Du all Deine ehem. Dinge weggegeben hast. Was macht Euer Radio?
Daß Ihr Euch am Schabbat einen Gottesdienst einrichtet, ist bestimmt richtig! Vielleicht bringt Ihr der ganzen Kwuzah damit Segen! - Wie stellen sich denn die alten Chawerim dazu? Diese Leute - wenn sie den religiösen Dingen auch fremd gegenüberstehen - müssen aber doch alle m. E. noch mehr können & wissen was Ihr, denn in ihren Herkunftsländern haben sie in ihrer Jugend viel mehr davon gelernt als Ihr, die Ihr doch wohl alle aus liberalen Häusern stammt! Es würde mich dies interessieren!
Daß Du einen der Freunde durch Abgang verlierst, tut mir leid. Was will er denn in Haifa anfangen? Was seine Eltern?
Ich wollte, bei uns wäre es auch schon so weit!
Dank für die Marken! Ich konnte zuletzt 20, heute 15 verwenden. Anbei etliche Dubletten. Mit wem tauschst Du & für wen willst Du die Deutschen haben? Seit Deiner Abreise hat sich unsre Sammlung um 110 Stck (4662 zu 4552) vermehrt. Es geht langsam; zu den letzten tausend Stück haben wir fast 4 Jahre gebraucht!! Dabei waren doch die vielen auf einmal von Onkel Ludwig.
Opa hat sich mit Deinen Wünschen sehr gefreut. Er ist im Stadtgarten & wird Dir schon selbst schreiben. Mutters Anfrage auf Seite 1 ist damit ja erledigt. -
Nach Bayern also fahre ich nicht. Bleibe im Land! Eigentlich für mich eine Enttäuschung; ich wäre wohl ganz gern gefahren um alle wiederzusehen; aber so spare ich Geld u. ich kann mich hier ja auch erholen. Wenn nur das Wetter beständig wäre; es wechselt fast stündlich zwischen Sonne & Regen! Seit Tagen!
Wenn Du für Ilse einen Brief hast, sende ich ihn gern weiter zu Kronach & Helmbrecht, denen ich heute auch schreibe, werden sie sehr enttäuscht sein, daß ich nicht komme. - Wenn Herr [..] kommt, ist's auch ganz schön. Wir fahren dann 1937, s. G. w., wieder hin! - Nun, Schluß für heute! - Laß Dich umarmen & küssen von
Deinem Vater. ![..]!