Erna Loewy an Sohn Ernst, 21. Juli 1936

Krefeld, den 21.7.36.

Mein lb. Junge!

Beim Schreiben des Datums fällt mir ein, dass es morgen schon 4 Monate sind, dass Du abgereist bist. Ich kann es kaum glauben, aber es ist Tatsache. Wie die Zeit fliegt, man hält es nicht für möglich, andererseits ist hier alles noch wie bei Deinem Weggang, also Stillstand. Eben ist erst ein Brief an Dich abgegangen, ich fange aber schon wieder einen neuen an, da ich gerade Zeit & Lust dazu habe & ich auch gerne auf Deinen heute eingegangenen Brief antworten möchte. Ich freue mich immer riesig über Deine guten Berichte & wenn ich dazu noch die netten Bilder von Dir betrachte, so macht alles in allem den besten Eindruck auf uns & wir sind zufrieden mit Dir. Die Kost scheint Dir gut zu bekommen, ich wüsste aber gerne mal wie so ein Tag auf Eurem Küchenzettel aussieht. Ich kann mir so recht garkein Bild davon machen, woraus das Frühstück besteht, das Mittagessen u.s.w. Wenn Du Lust hast, beschreibe mir mal einen Tag. Dass das Obst bei Euch auch so teuer ist, hätte ich nicht gedacht, dabei schmeckt es hier noch nicht einmal, da die Sonne fehlt. Schade, dass Ihr noch nicht englisch lernen dürft, ich halte das für so nötig, andererseits kann ich verstehen, dass Ihr erst die Landessprache beherrschen müsst. Mit wem bist Du jetzt auf einem Zimmer, nicht mehr mit Walter Stern?

Ich möchte Dich mal reiten & kutschieren sehen, lb. Pipslein; ist dann hinterher immer noch der Hosenboden trocken? Wagen & Pferd scheinen ja erster Klasse zu sein, aber Spass machts Dir doch, nicht wahr.

Du bedauerst, dass ich nicht mit nach Bayern bin, aber nun ist keiner von uns gefahren & wir erholen uns beide hier.

Dr. Bodenheimer hat Euch ja eine feine Aufgabe gestellt, aber wenn es sich auch aus botanischen Gründen lohnt, wünsche ich Euch viel Vergnügen damit. Er kann Dich ja später mal zu seinen Versuchen anstellen, Du schwärmst ja für so etwas. Wir waren gestern Abend zu einer Herzl-Bialik Feier. die Älternschaft des J.P.D. hat gesungen, eine Menge neuer Lieder, Bertold hat gesprochen & zwar sehr nett & natürlich, er muss unlängst wegen seiner langen Reden von jemanden eins auf den Deckel gekriegt haben & hat sich gebessert. Es war ganz interessant. Übrigens können wir das von Dir empfohlene Büchelchen nicht mehr haben. Der K.K.L. hat uns das Geld zurückgeschickt, es sei vergriffen. Schade! Die Negative anbei zurück & dann auch noch das zweite Bild von Knipscher, ein Rohabzug. Es war zu schlecht um es machen zu lassen, Du siehst es ja selbst. Nun habe ich nachgeholt, was ich im letzten Brief versäumt habe, dieser Tage Fortsetzung; bis dahin viele Küsse
Deiner Mutter.

Deine Hosenwünsche sind alle erfüllt, hoffentlich erhältst Du sie recht bald.