Ernst Loewy an seine Eltern, 6. Juli 1936

Kirjat Anavim, den 6. Juli.

Meine Lieben!

Euren Brief, die Karte aus Holland und Zeitungen habe ich erhalten und danke Euch bestens dafür. Ich freue mich besonders, dass mein Brief noch angekommen ist, und nicht, wie ich schon befürchtete, verlorengegangen ist, wie das hier schon einmal vorkommen soll.

Ich freue mich, dass Du lb. Mutter in Holland ein paar schöne Tage verlebt hast. Du schreibst, dass bei Euch das Obst so teuer ist, hier ist es noch viel teurer, Kirschen kosten das Pfd. ungefähr 1 M, Erdbeeren noch mehr, und auch Birnen sind sehr teuer, Äpfel kosten dasselbe wie bei Euch. Dagegen kosten Apfelsinen fast garnichts. Auch sonst ist das Essen hier sehr billig, für 50 Pfg. kann man sehr gut zu Mittag essen. Wenn Ihr mir die Hosen nicht schicken könnt, ist das nicht schlimm - vielleicht kann sie mir demnächst mal jemand mitbringen.

Huhn haben wir bis jetzt 2 x bekommen (Kranke bekommen es oft). Kuchen gibt es hier so jede Woche einmal - entweder so was ähnliches wie Bolchen mit einer Marmeladefüllung oder ganz grosse Plätzchen - immer zum Abendessen. Abends gibt es überhaupt oft Nachtisch - Kompott, Kuchen, einmal haben wir auch Weintrauben bekommen (allerdings noch keine eigenen).

Das mit den 60 000 Arabern, die hier aus Transjordanien einmarschieren sollen, ist natürlich Quatsch. Massgebend soll für Euch nur sein, was in der jüd. Rundschau oder einer andern jüdischen Zeitung als amtliche Nachricht dasteht. Nichts anderes. Zu einem grossen Kampfe wird es hier nie kommen. Alles was geschehen ist und noch geschieht sind Strassenüberfälle und sonst nichts.

Gestern abend ist hier zur Abwechslung mal wieder geschossen worden -

allmählich gewöhnt man sich daran. Man hört was schiessen, dreht sich um und schläft weiter. Bei den gestrigen Schüssen ist ein Mann, der oben auf dem Berg auf Wacht stand, leicht verwundet worden. Es soll aber durch seine eigene Schuld geschehen sein, da er während des Schiessens auf arabischen Boden gegangen sein soll. Wir haben jetzt 12 Polizisten hier, alles Hilfspolizisten, die wegen der Unruhen ausgebildet worden sind. In den Zeitungen werdet Ihr wohl schon davon gelesen haben. Auch von unserer Kwuzah sind 6 Leute Hilfspolizei geworden. Sie sind 8 Tage in Jerusalem ausgebildet worden, haben Uniform und Gewehr bekommen und gelten jetzt als richtige Polizisten. Die andern 6 Polizisten sind zum Teil Studenten von der Universität, die sich freiwillig gemeldet haben. Ein anderer von ihnen ist sogar eine bedeutende Persönlichkeit, deren Namen Ihr vielleicht schon gehört habt. Dr. Bodenheimer, Professor der Biologie an der Universität. Sein Vater hat den K.K.L. gegründet, und er ist verheiratet mit der Tochter von Assischkin. Augenblicklich läuft er hier mit Uniform und Gewehr herum, was zu seinem Gelehrtengesicht gar nicht gut passst. Täglich kommt eine Militärpatrouille, um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei.

Wir haben, d. h. die Kwuzah, eine neue Chawerah bekommen, die ein paar Jahre in England war und perfekt Englisch spricht. Sie wollte uns englischen Unterricht geben, eine Stunde hatten wir sogar schon (natürlich freiwillig). Fritz hat es uns aber verboten, bis wir einigermassen Iwrith können, auch die Kwuzah sieht es nicht gerne, das wir 2 Sprachen auf einmal lernen, wo wir auch in Iwrith noch garnicht allzu gute Fortschritte machen.

Die Chawerim können zum grössten Teil weder Englisch noch Arabisch, zum grossen Teil sogar noch sehr schlecht Iwrith. Unter sich sprechen die meisten noch jiddisch.