Ernst Loewy an seine Eltern, 29. Dezember 1936

Kirjat Anavim, Dienstag, den 29.12.36.

Meine Lieben!

Was sagt Ihr dazu? Gestern hat es hier geschneit!! Regelrecht geschneit. Teilweise mehrere Zentimeter hoch und es bleibt sogar mehrere Stunden liegen. Das hätte ich im vorigen Winter ja nun doch nicht gedacht, dass ich hier in Erez so bald Schnee wiedersehe. Das kommt auch hier nur recht selten vor. Wir haben drei Öfen bekommen, kleine Petroleumöfen, die durch alle Zimmer durchgehen. Einen davon haben Fritzens Eltern gestiftet. Ich finde das sehr anständig von ihnen. - Von Lore und der Hubertusstrasse erhielt ich gestern Post. Lore will nun in ihrem nächsten Briefe ein Bild mitschicken, das sie für ihre Eltern zu Chanukah hat machen lassen. - Ich will Euch jetzt Euren lieben Brief vom 15. ds. beantworten. Dass Frau Kaufmann etwas später fährt habe ich schon durch Küken gehört. Es ist natürlich auch so viel vernünftiger als im Januar, dem schlimmsten Monat in der ganzen Regenzeit. Ich finde es sehr nett von Frau Kaufmann (natürlich auch von Euch) dass sie mir die Schuhe mitbringen will. Ich habe noch einen Wunsch, der aber bestimmt nicht so wichtig ist, dass es unbedingt sein muss, und zwar noch ein paar gute Kamelhaarhausschuhe. Aber wenn Frau K. sie nicht gut mitnehmen kann, so ist es auch nicht schlimm. - Ich wollte nun doch meinen hohen Lederstiefel tragen. Natürlich nur für mittags - für die Arbeit sind sie ja viel zu schade und sehe nun, dass sie mir nicht passen. Ich kann sie mit meiner Manchesterhose unmöglich anziehen. Ich werde in den nächsten Tagen einmal in die Stadt fahren und mich in einem Schuhgeschäft erkundigen, ob man den Schaft nicht weiten kann, besonders oben; an den andern Stellen passt der Schuh. Ich habe von Fritz schon die Erlaubnis zu fahren - will aber warten, bis das Wetter wieder gut ist, da ich mir dann ausserdem noch die Stadt ansehen will und vor allen Dingen einige Leute besuchen; besonders die Bekannten von Onkel Richard. Ich werde wohl Mitte der nächsten Woche fahren, wenn das Wetter gut ist.

30.12.36.

Ich will Euch heute weiter schreiben. Das Wetter ist noch sehr mies. An Feldarbeiten ist bei dem Regen natürlich garnicht zu denken. Wir stehen morgens mal um 7 Uhr auf, und bis wir mit der Arbeit anfange, wird es 8 bis ½ 9 Uhr. Ich habe die letzten Tage

Lieber Herr Loewy,

Schon oft wollte ich Ihnen Grüsse senden, dieses mal verpass ich's aber nicht. Ich nehme aber doch an, dass Sie über alles, was hier vorgeht und für Sie Interesse hat, unterrichtet sind, kommen von mir heut nur herzliche Grüsse an und und unbekannter Weise an Ihre Frau von Erika [..].

in der Scheune über dem Kuhstall gearbeitet, wo wir einen grossen Raum mit Strohpacken leeren mussten - zwei Tage Arbeit für an die 10 Menschen. In der vorigen Woche haben wir wieder Rote Rüben gesät, vor allen Dingen viel Hachscharah gemacht, auch ein wenig Möhren gesät, für den eigenen Gebrauch. Einen Regentag habe ich im Werkzeugschuppen gearbeitet, Werkzeuge repariert u.s.w. - Die Kwuzah hat jetzt eine Ärztin angestellt; sie wird bezahlt und ist natürlich keine Chawerah der Kwuzah. - Unser Zahnarzt hat uns in der vorigen Woche einen Vortrag über Thomas Mann gehalten. Er ist ein ausserordentlich intelligenter Mensch, mit einem sehr grossen Wissen. Er hat über verschiedene Menschen kleine Essays geschrieben und diesen persönlich zugeschickt, so an Liebermann, Thomas Mann u.s.w. Sein Essays über Thomas Mann hat er uns vorgelesen und dann auch aus Mann's Werken selbst. - Vor ein paar Tagen hörte ich hier im Radio einen Teil einer Karnevalssitzung aus Köln. Alte vertraute Klänge. Es ist doch etwas wunderbares, dass man von hier so etwas hören kann, was tausende Kilometer entfernt liegt. Europa hören wir abends überhaupt ausgezeichnet, ausserdem noch Kairo und unsern palästinensischen Sender Ramallah, dessen Funktürme man von Jerusalem aus sehen kann. Heute abend werden wir eine Übertragung des Toscaninikonzerts aus Jerusalem hören. Das ist das zweite Gastspiel hier; das erste war am letzten Schabbath in Tel-Aviv. Ich freue mich riesig darauf. Am nächsten Schabbath kommen übrigens auch die jungen Musiker aus Jeruschalajim wieder. Man hat sogar extra dazu das alte Klavier der Kwuzah neu stimmen lassen. - Ich habe gestern ein paar hübsche Marken geschenkt bekommen, die Du, glaube ich, allerdings alle hast, die aber zum Vertauschen ganz gut sind, hauptsächlich polnische Sachen. - Das Bild von den Kindern der Kwuzah schickt mir bitte wieder - ich glaube, ich habe vergessen, Euch darum zu beten. Dass soll für heute genügen, mehr habe ich jetzt nicht zu schreiben.