Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 2. August 1936
Krefeld, den 2.8.36.
Sonntag Abend.
Mein lieber Junge!
Mit Deinem lieben Brief v. 23-25.7. hast Du uns wieder viel Freude gemacht, obwohl Du uns leider von einer Angina schreibst. Ich hoffe, daß diese sich unterdessen wieder verzogen hat & es Dir wieder ganz gut geht. Wir erwarten deshalb Deine nächste Nachricht mit besondrer Sehnsucht.
Dein Brief war pr. Luftpost bekommen & was meinst Du, wann er ankam? Die letzten Briefe kamen stets am Dienstag, dieser aber schon am Freitag mit der ersten Post! Also 4 Tage Unterschied. Du schriebst zuletzt am 25./7., also am Samstag, abgestempelt war der Brief am Sonntag, 26/7. 12-1 Uhr in Jerusalem & schon am 31/7. hier! (Freitag.) - Wenn Du stets so schreiben könntest, wäre das für mich herrlich! Ich bekäme dann gerade, wenn ich am Freitag Abend heimkomme, einen neuen Brief, während ich sonst den gleichen Brief, der erst Dienstag kommt, am nächsten Freitag erhalte, also ein Unterschied von 8 Tagen! (Entschuldige, ich mußte die Feder wechseln, ich konnte mit der andren nicht weiterschreiben!) Ich bitte Dich also dringend, Deine Post immer so wegzugeben, daß sie pr. Luftpost am Sonntag in Jerusalem abgehen können! - Ilse's Brief ist notabene auch schon gestern gekommen. - Für Dein Bild viel Dank! Aber mit Deiner schönen Brille konnten wir Dich gar nicht finden & erkennen!
Deine Nachrichten über die Kwuzah werde ich wohl morgen Abend in der ZOG vorlesen. - Heute war Kronenberg hier, um mir zu sagen, daß er mir ein kleines KKL-Amt besorgt habe, daß er auf [..] morgen zum letzten Mal zur ZOG käme; seine Eltern hätten die Fabrik verkauft & er ginge nach England; erst nach Lankaster & dann nach London!
Wir hatten seit gestern bis heute Abend Besuch. Tante Bora & Kurt waren hier; sie sind heute Abend wieder nach E. gefahren. Liebe Leute!
Die Unruhigen scheinen sich doch etwas zu legen. Ilse schreibt sogar, man sei dort der Meinung, sie stünden vor dem Ende! Wärs nur so!!
Das Bild von Euch ist nett. Wir freuen uns, daß Du die Namen dabei geschrieben hast. So können wir uns doch die meisten etwas persönlicher vorstellen. Euer Gottesdienst scheint ja ganz interessant zu sein. Aber es ist richtig, daß Ihr wenigstens das haltet, was ihr könnt. Machen die Mädels da auch mit? - Von den drei Alten könnt Ihr Euch wenigstens das sagen lassen, was Ihr nicht wißt (in religiösen Dingen.)
Fußlappen wollen wir Dir noch welche senden. Aber leinenene (es heißt nicht: leinerne!) deutsche Sprak, schwere Sprach!) Aber Du sollst sie auch dort nicht verlernen!) gibt es nicht; diese wären zu hart & reiben die Füße wund. Du mußt die Flppn oft wechseln, den Schmutz & Schweiß darin nicht hart werden lassen. Die Wärme schadet nichts. Du mußt sie nur richtig legen: Fuß draufstellen, erst die Spitze über die Zehen, dann die beiden Seiten umschlagen. Evtl. - wenn es Dir nicht zu warm ist - kannst Du immer noch ein paar dünne Strümpfe tragen; aber das mußt Du selbst ausprobieren. Ich habe sie beim Commiß sehr viel getragen.
Neues gibts hier sonst nicht. - Wir sind Gttlob gesund. Lore ist in Sandfort. Hilde Meyer heiratet am Dienstag. Meyers wohnen (weißt Du's schon) hier in Ilse's früherer Wohnung am Neumarkt.-
Nun Schluß für heute! - Viele, herzliche Grüße & Küsse & alles, alles Gute! ![..]!
Dein Vater.
(Gestern bin ich aufgerufen worden. Hast Du's gemerkt? Daß Du ein [..] bekommen hast??) Der kleine Lehmann wurde gestern [..].
Mein lb. Ernst! Dein lb. Brief kam herrlich schnell & vielen Dank dafür. Es tut mir nur sehr leid, dass Du eine Halsentzündung hattest, hoffentlich warst Du sie nur schnell wieder los & war es wirklich nicht schlimmer. Nimm Dich mit solchen Dingen nur in acht, es kann
sehr leicht böse werden. Habt Ihr eigentlich einen Arzt dort oder wer behandelt Euch sonst? Ist die Krankenschwester dauernd dort? Du siehst, wir haben immer wieder Fragen zu stellen. Warum hast Du beim Fotografieren eine Brille aufgesetzt? Ohne Erläuterung hätten wir Dich bestimmt nicht entdeckt; aber dennoch ist das Bild nett & mit jeder Aufnahme freuen wir uns sehr. Hast Du ordentlich mit gefuttert bei der Weinernte? Hoffentlich magst Du jetzt all die Dinge, die Du früher immer haben konntest & hast stehenlassen. Ich möchte einmal sehen, wie Du jetzt isst! Müsste ich mich immer noch ärgern?? Ich bin neugierig, ob Du nun auch die weisse Hose erhalten hast. Bis jetzt hat doch immer alles gut geklappt. Bevor wir die Fusslappen absenden, werde ich sie erst mal waschen, dann sind sie schon weniger dick & warm. Lore war wochenlang nicht bei uns, augenblicklich ist sie an der See. Wo sie auf der Bismarckstr. wohnt, schläft die Liebe langsam ein. Besondere Neuigkeiten wüsste ich keine; Vater hat Dir so ziemlich alles schon berichtet. Morgen Abend gehe ich mal wieder mit zur Z.O.G., mal hören was Bertold zu Kronenbergs Abschied zu sagen hat. Hans Seligmann ist auch wieder nach München abgereist. Er will nun seinen „Dr.” machen & dann nach Italien. So geht einer nach dem andern. Ingelore Friedberg ist augenblicklich hier. Sie hat in der kurzen Zeit, die sie in London ist, 16 Pfd. zugenommen & muss hübsch rundlich
geworden sein. Vielleicht habe ich morgen, bevor der Brief abgeht, noch etwas hinzuzufügen, es ist spät geworden & will ich nun ins Bett. Gute Nacht, mein gutes Pipslein & für heute noch viel, viel gute Wünsche & Küsse
Deiner Erna. Mutter.
Du siehst, ich schlafe schon bald, ich schreiben meinen Namen, aber es macht nichts, Dein Mümlein heisst ja so. Nochmals viel Küsse Deiner Mutter.
Liebes Ernstlein, ein Tag gleicht hier dem andern, Regen, Regen, Regen. Einen solchen Sommer hatten wir selten, die armen Leute, die wo in der Sommerfrische sitzen. Besonderes gibt es auch heute nicht, morgen schreiben wir Dir, wie es in der Z.O.G. war
Viele Küsse Deiner Mutter.
Mein lieber Ernst! Auch von mir heute nur noch viele Küsse
Dein Vater.