Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 14. August 1936
Krefeld, 14.8.36. Freitag
Mein lieber Ernst!
Herzlichst dankend kann ich Dir Deinen lieben Brief v. 5.-8./8. bestätigen, der heute früh ankam; abgestempelt & am Sonntag, 9/8. Du siehst, mein lieber Junge, es geht ungeheuer schnell mit Luftpost & kannst Du es wohl verstehn, wenn ich diese Art der Beförderung vorziehe; diesen Brief hätte ich sonst erst am nächsten Freitag, also 8 Tage später erhalten. Leider ist dieser Brief deshalb kleiner ausgefallen, wenn Du aber mit Luftpostpapier schreibst, & Dir, so wie im 2. Teil des heutigen Briefs, Mühe gibst, kleiner & enger zu schreiben, dann gibt es wohl schon einen Ausgleich; vielleicht kannst Du dann doch noch mit Ilse zusammenschreiben. Wenn Ihr Porto sparen könntet, wäre es ja sehr schön. - Da Du, mein liebes Pipslein, über Deine Gesundheit kein Wort schreibst, nehme ich an, daß Du Dich wieder ganz wohl fühlst; hoffentlich ists so & bleibt's so! - Daß die Unruhen auch bei Euch noch immer andauern, ist traurig; wenn man meint, es wäre vorbei, flackert es wieder von Neuem auf! Nun ist die hohe Kommission zur Untersuchung ernannt worden, aber ob sie für den Jischuv was Gutes bringt? Hoffentlich wird keine Sperre! Die Mütze & die weiße Hose hast Du also noch nicht! Wir haben jetzt die Adresse von dem jungen Mann: Max Levi bei Herrn Ernst Stein, Sch'chunat Borochow bei Tel-Aviv. Vielleicht ist eine Möglichkeit, daß Du Dir von ihm die Mütze & Hose abholen lassen kannst, evtl. schreibe Du ihm mal eine Karte. An der Tnuvah anzufragen, ist zwecklos; meine Karte, er solle sie dort abgeben, kam zu spät nach Gladbach - erst nach seiner Abreise -, & wie Du siehst, kann er selber gar nicht nach Jerusalem. Ich glaube auch, daß ihm Tante Jettchen (die doch seine Stief-Oma ist) schreiben & deshalb auch anfragen will. Notiere Du Dir auf alle Fälle seine Adresse, vielleicht kommst Du später mal in seine Nähe. - Daß Du das Geld bekommen hast, ist recht. Wie reich bist Du nun? Wie Dir schon mitgeteilt, sandten wir Dir am 17. ds. wieder 10 Mk. (15 sh 8 d). Wenn Du unsre neue Post-Anweisung bestätigst, schreibe doch bitte auch immer das Datum des Abgangs bei. Es dauert ja viele Wochen & ich möchte doch wissen, ob Du auch alles bekommst. Leider darf man ja nur 10 Mk pro Monat schicken; es geht auch nicht, daß ich & Mutter Dir je 10 M senden, sondern nur zusammen 10 Mk. Es ist eben nicht anders erlaubt & wir müssen uns danach richten. Ich möchte mich nicht strafbar machen; es mußt eben mit den monatlichen 10 Mk reichen.
Daß Due nun mit Deinem Führer Fritz zusammenwohnst, ist sehr gut für Dich; jedenfalls kannst Du nur von ihm lernen. Daß Dein Freund Herbert Euch bald verläßt, ist schade. Rolf Stern scheint dem Bilde nach zu urteilen, auch ein netter Junge zu sein. - Von Deiner Beschreibung der Weinernte & des Kuhstalles haben wir mit Interesse Kenntnis genommen. Die Trauben sind drüben gewiß groß & schön. Nur blaue? Oder auch weiße? - Wir haben diese Woche die ersten gegessen; 50 Pf. das Pfund! - Der Schaden an den Kühen ist ja furchtbar! Da bekommt Ihr dann ja überhaupt keine Kälber mehr! Bekommt Ihr vielleicht dafür neue, gesunde Kühe? - Stachelbeeren schicke ich Dir also erst auf Anforderung. Warum meinst Du, es lohnte sich nicht? Wenn die Pflanzen (zwischen Zeitungen!) gut ankommen & dort sofort eingepflanzt werden, dann werden sie doch auch aufgehen & Früchte tragen. Außerdem vermehren sie sich dann sehr schnell & gut; besonders wo Ihr genug Dünger habt. Freute es Dich denn nicht selbst, eine Zucht aus unserm Garten dort anzulegen? Hast Du die bereits gesandten schon eingesetzt?
Von uns gibts nichts Besondres. Es geht immer im gewohnten Geleise. Ich fahre erst kommende Woche wohl auf Tour; es lohnt sich eher nicht.
Mein lb. Junge! Viel Dank für Deine lb. Zeilen. Sie kamen heute besonders günstig, denn heute ist unser 18. Hochzeitstag & da uns Deine Briefe immer wie ein Geschenk sind, passte es heute besonders gut. - Du scheinst G. s. D. ja wieder ganz gesund zu sein, sonst würdest Du ja nicht wieder bei der Arbeit sein. An die Adresse von Max Levi, die Vater Dir aufgegeben hat, würde ich unbedingt einmal schreiben, nicht nur wegen der Hose, Du kannst Dich auch so mal mit ihm in Verbindung setzen, es kann nie etwas schaden. Ausserdem lasse ich mir dieser Tage mal die Adresse von Claire Levy - Hilsenraths Schwester geben. Sie ist seit einigen Monaten in der Nähe von Jerusalem & kannst Du Dich auch mal schriftlich mit ihr in Verbindung
II
setzen. Als sie damals in Berlin war, hat sie wochenlang bei Onkel Richard gewohnt & wenn Du Dich als Neffe von [..] bei ihr einführst, seid ihr gleich bekannt.
2 Paar Fusslappen sandten wir Dir dieser Tage, morgen sende noch ein Paar, dann hast Du 4 Paar. Wenn sie alle sind, schreibe deswegen. Braucht Ihr eigentlich Euer Moskito-Netz? Mich interessiere es doch, es einmal zu wissen. Besonderes kann ich Dir von hier nicht berichten, es geht alles seinen gewohnten Gang. Unlängst habe ich mal mit Paul Frankfurt gesprochen & ihm Deine Briefe für die Heimabende angeboten. Er sagte zu, sie mal abzuholen, hat sich aber bis heute nicht blicken lassen. Das zeigt von sehr grossem Interesse für Euch & für die Sache selbst. Tatsachen & Probleme lesen wir jetzt beide, wir haben es von der Z.O.G. geliehen bekommen.
Ich habe mitten im Satz von Vater weiter geschrieben, da ich gerade Zeit hatte & der Brief gleich weg muss. Also lb. Pipslein, bleib weiter gesund, viel gute Wünsche & herzliche Küsse Deiner
Mutter.
Lieber Ernst, ich habe heute so sehr wenig zu berichten, daß ich am Ende meiner Wissenschaft bin.
Mutter sagt eben, ich solle Dir schreiben, daß wir heute Mittag Pilze gegessen haben, zum 1. Mal gabs Rotkappen am Markt. Gibt es bei Euch auch Pilze? - Es ist gut, daß heute mit der 1. Post Dein Brief ankam. Denn mit der 2. Post kam die CV-Zeitung, die von der Beschießung von K. A. berichtet & daß Ben Jaakob
schwer verwundet sei. So wissen wir das schon von Dir, sonst wäre der Teufel wieder los! - Die Berichte in der Zeitung gefallen mir nicht recht. Hoffentlich ist endlich bald Ruhe & Ordnung!
Ilse ihr langer Brief, von dem sie an ihre Mutter schrieb, ist noch immer nicht da! Wir haben sie im Verdacht, daß sie überhaupt nicht gerne schreibt.
Anbei bekommst Du ein Bildchen von Hildes Hochzeit. Wir haben heute vor 18 Jahren dies Fest gefeiert! Wie die Zeit eilt! Heute ist unser großer Bub schon in der Fremde (in der Heimat!!) & wie schnell sind auch Deine ersten 2 Jahre herum & dann hoffen wir auf ein Wiedersehen! Ich hoffe, daß einer von uns bis dahin mal zu Dir kommen kann. Unser Erez-Reisefonds blüht & gedeiht & wird wohl bis dahin groß genug sein.
Nun noch ein bißchen Platz für Oma & Opa.
Bleib hübsch gesund, mein lieber Junge, & laß Dich umarmen & küssen & [..] Dein Vater.
Lieber Ernst.
Gerne benutze die Gelegenheit, Dir persönlich unsere besten Grüße und Wünsche zu übermitteln. Hoffentlich hat die Schießerei dort bald ein Ende. Wir lasen hierüber schon in der C.V. Zeitung. Also l. Junge mache es weiter gut & sei herzl. gegrüßt & geküßt
von Deinem Opa.
Liebes Ernstelein. Auch ich weiß Dir nichts Neues zu schreiben. Wir waren dieser Tage in Coesfeld zum Friedhof, Tante Jettchen und ich, wir kamen ganz oselig vor Kälte nach Hause. Mitten im August. Bleib weiter gesund, sei gegrüßt u. geküßt
von Deiner Großmutter.