Richard Loewy an Sohn Ernst, 7. August 1936

Krefeld, 7/8.36.

Mein lieber Junge!

Heute sind wir sehr enttäuscht; wir hatten bestimmt heute wieder einen Luftpostbrief erwartet, er ist leider ausgeblieben. Frau Werth. aber erhielt einen von Ilse. Nun werden wir wohl bis zum Dienstag auf Nachricht von Dir warten müssen & wir waren schon so erfreut, jetzt am Freitag eine Nachricht zu haben. Also, liebes Pipslein, wenn es geht, schick doch Luftpost, ab Jerusalem am Sonntag 12-1.

Hoffentlich ist Deine Angina nun ganz fort & es geht Dir wieder gut. Von uns: wir sind gesund & wohl. Neues, besondres, ist nicht zu melden. Morgen kommt Hr. H. Meister & wollen wir alles Notwendige besprechen. Er wird, wie ich annehme, wohl morgen Abend schon wieder abreisen.

Am Dienstag hat Hilde Meyer Hochzeit gehabt. Eine ziemlich nüchterne Angelegenheit. Das junge Paar ist nach Südslawien an die See gefahren. Hilde kommt nach Bielefeld, wo ich ja öfters Gelegenheit haben werde, sie zu sehen.

Montag Abend in der ZOG: Abschiedsfeier für Kronenbg; mit einer salbungsvollen Rede von Berthold & der gleichen Erwiderung von Marx Krbg. - Dann sprach Frau Friedberg einiges über Erez & Transjordanien. An & für sich ist sie wohl etwas enttäuscht, (es kommt wohl auch daher, daß ihre Tochter gar nicht in Erez, sondern Transj. ist), aber sie aus[..] sich mit vollem Lob über die Haltung & den Mut & die Zuverzicht der Jischuv bei den Unruhen. Der Aufbau geht doch weiter. Am nächsten Montag will sie - nicht in Form eines Vortrags - sondern in einer Form von Rede, Frage & Antwort - weiter berichten.

Am Montag Abend müssen wir doch Deine Ohren geklungen haben; denn Dein Name ist im Laufe der Diskussion sehr oft gefallen. Wir sprachen, wie ich Dir schon mal schrieb, über die Einrichtungen der Kwuzot & Du hast mir neulich Auskunft über alle die Fragen gegeben. Ich habe nun Deinen

vorgelesen & es schloß sich eine lebhafte Diskussion an. Dr. Luß meinte, ich möchte mal bei Dir anfragen, ob in Euren Sichoth auch öfters Kritik an den Einrichtungen der Kwuzah geübt wird, ob in diesen Sichoth auch darüber gesprochen wird, daß die verschiedenen „Ämter” in der Kwuzah abwechselnd (auch von Frauen!) ausgeführt werden sollen, auch der Arbeitsverteiler soll mal abwechseln; Verwendung der Frauen auf den Büros? Sprecht Ihr schon mal darüber, daß auch Frauen führend sein sollten, auch bei der Kassenverwaltung etc. Werden derartige Sichoth auch in der Kwuzah (nicht nur bei Euch, der Jugendalijah, die ja keinen Einfluß in der Kwuzah & auf der Assifah nichts zu melden hat!) geführt & werden derartige Fragen auch dort angeschnitten?

Werdet Ihr alle nur in der Landwirtschaft angelernt oder gibt es bei Euch auch einige Möglichkeiten für ein Handwerk? Ihr habt doch sicher in der Kwuzah einen Schreiner, Schuster, Stellmacher, Maurer etc.; wer hilft denen? Haben diese keine Lehrlinge & Gehilften? Mir fällt ein: Küken hatte doch Gelegenheit in die Schusterei zu kommen? Als was?

Das sind Fragen, die wir in der ZOG aufgeworfen haben; Du kannst dabei mitreden aus der Ferne, indem Du Aufschlüsse gibst & einfach auch Anregungen zur Diskussion. Die Leute, die hier in der ZOG sind, waren ja außer Frau Friedbg alle nicht in Erez - wissen alle nichts.

Onkel Richard schrieb, er hätte sich mit Deinem Bild (Du mit Walter Stern) sehr gefreut. - Von Kronach habe ich seit Wochen nichts gehört.

Brauchtest Du noch deutsche Marken oder andre Dubletten? Ist Herbert Ballhorn schon fort? - die Unruhen machen uns allen doch viele Sorgen! Wenn endlich nur Ruhe eintreten wollte!

Nun genug für heute. - Sobald Dein Brief kommt, folgt Antwort.

Recht viele, viele Küsse & [..] Dein Vater!