Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 29. August 1936

Krefeld, 29.8.36. Samstag Abend.

Mein lieber Ernst!

Nachdem ich gestern, Freitag Abend, mit der lieben Mutter von der Reise aus dem schönen Sauerland zurückkam, hofften wir bestimmt einen Brief von Dir vorzufinden, leider aber war keiner da & wir waren betrübt; aber heute Nachmittag kam zu unsrer großen Freude Dein langer Brief vom 17. bis 22/8. Du schreibst, wie immer, über Dein Befinden kein Wort, sodaß wir wohl annehmen dürfen, daß Du gesund bist. Nun bist Du also Küchenjunge geworden! Ich weiß, daß auch diese Arbeit sein muß & wenn Du auch dabei nicht viel lernst, so ist auch diese Arbeit zweckvoll; denn man lernt dabei immerhin praktisch arbeiten & es ist eine gute körperliche Übung & stählt die Muskeln. Anscheinend hat dies auch Euer Arbeitsverteiler erkannt, daß Du noch Stählung Deiner Muskeln nötig hast, denn wie ich sehe, bekommst Du immer solche Arbeit, die nicht so sehr viel Körperkraft beansprucht. Allem Anschein nach will er Dir solche schweren Arbeiten erst später zumuten, wenn Du kräftiger geworden bist. Habe ich mit dieser Meinung recht oder irre ich mich?

Es ist bitter, daß die Unruhen noch immer kein Ende finden & die letzten Opfer ja sogar Kinder & Krankenschwestern, waren besonders schwer. Daß der bei Euch verwundete Wächter im Hadassah-Krankenhaus leider gestorben ist, hatten wir schon in der Zeitung gelesen. Es ist eine traurige Sache & das Ende ist leider noch immer nicht abzusehen. Hoffentlich führen die Verhandlungen doch zu einem guten Ende!

Daß Du Herbert Ballhorn bald verlierst, tut mir für Dich leid; es ist immer schade, wenn Freunde auseinander gerissen werden. Gute, wirkliche Freunde sind so sehr selten & ein wahrer Freund ist ein großer Schatz!

Von Dr. Bornheim finde ich es sehr schön, daß er sich so um Herbert annimmt. Hoffentlich findet er in Tel-Aviv sein Glück!

Daß auch Du Dich - wie Dein Referat über Syrien zeigt -, weiter um solche Dinge bemühst, ist wichtig. Ich freue mich auch darüber, daß Du die Sidrah gelesen hast. Lest Ihr auch die Gebete in Iwrith oder in dem gewohnten Althebräisch?

Luftpostpapier bekommst Du nächste Woche, ebenso noch 2 Paar Fußlappen. 5 Paar Fußlappen (3 P. weiße & 2 graue) haben wir Dir insgesamt geschickt; die letzten 2 Paar scheinen noch unterwegs zu sein; es macht aber nichts, wenn Du auch darin reichlich Vorrat hast. Schreibe uns bitte mal, welche sich am besten tragen & auch am angenehmsten.

Deine Schilderung der Küche ist auch für uns mal ganz interessant. Du schreibst, daß Ihr auch eine Schmiede & Schlosserei habt. Kommst Du später auch mal dabei heran? Werden jetzt schon welche von Euch dort beschäftigt?

Deine Aufklärung betr. Frauenarbeit kann ich leider vorerst in der ZOG nicht bekannt geben, da ich die erste Zeit nicht hinkommen werde; ich muß ja jetzt wieder von Montag bis Freitag reisen.

Deinen Brief an Onkel Karl werde ich morgen absenden. Tante Hilde schrieb dieser Tage, daß Onkel Karl wahrscheinlich im Frühjahr von Helmut nach Bamberg ziehen wird. Er habe dort gute Aussichten & es sei gut, wenn er von H. wegkäme. Es ist ja bestimmt wahr, was soll er auch dort allein & in Bamberg ist doch eine größere [..].

Deinen Brief an Lore kann ich wohl auch morgen abgeben. Lore war heute - nach ihrer Reise zum 1. Mal - hier. Sie sieht braun verbrannt & entzückend aus. Nächste Woche beginnt die Schule. Über ihre

Ferienerlebnisse kann sie Dir selbst schreiben. Sie kommt morgen wohl wieder. Inge ist auch wieder hier & bleibt vorerst zu Hause.

Tante Hilde schrieb auch, daß Ernst Lamm am Sonntag - also morgen! - nach München käme, ins Lehrlingsheim. „Von da wird weiter für ihn gesorgt. Das Jugendamt kümmert sich dann weiter für ihn auch für Erez. Sie schreiben kürzlich, die Sache mit Erez soll nicht an den Kosten scheitern, dafür sorgen sie. Vorerst bleibt er in München zu seiner Ausbildung.”

Na, hoffentlich klappt es auch bei dem! Ich möchte es ihm & auch seinen Eltern wünschen!!

Von uns selbst: wir sind Gttlob gesund. Das Geschäft war diese Woche auch sehr gut; ich wollte nur, es bliebe mal länger gut so. Nur den Kopf oben behalten & fleißig sein, dann wird es schon klappen! - Frau Rosa Böhm ist leider bereits gestorben. Eine traurige Nachricht für Trude in Tel-Aviv! Sie war erst 45 Jahre alt. -

Hier gibt es sonst keine Neuigkeiten. -

Die nächste Woche fahre ich nach Bielefeld; bei dieser Gegenheit kann ich Hilde Meyer, die junge Ehefrau, besuchen.

Unsre Reise ins Sauerland war sehr schön; wir hatten auch ganz prachtvolles Wetter; gestern Vormittag waren wir auch am Möhnesee. Ich wollte die liebe Mutter könnte öfter mitfahren, aber es ist zu tun. Und wir müssen leider zu sehr sparen!

Nun, mein liebes, liebes Pipslein, will ich schließen. Die liebe Mutter soll anschreiben, damit wir den Brief noch zur Spät-Leerung bringen können, damit er Montag früh 9 Uhr in München ist.

Alles, alles Gute! Und viele Küsse [..]
Dein Vater.

Mein lb. Ernst! Auch meinen herzlichsten Dank für Deinen lb. Brief. Ich war so froh, als er heute kam & Dich wieder zufrieden wissen. Hoffentlich gibt es bei Euch nun endlich einmal Ruhe; aber überall ist was anderes los. Besonderes habe ich Dir heute nicht zu schreiben, Vater hat Dir ja schon alles erzählt. Auf der Sauerlandfahrt war es sehr nett, besonders gefällt unserm Pips meine Begleitung. Es ist ja auch manchmal langweilig, stundenlang alleine im Auto zu sitzen. Dienstag geht auch der Monteur Steinmann, der bei Dutzi war, nach Erez. Du kennst ihn doch. Er fährt über Marseille mit einem ital. Dampfer. In den letzten Wochen sind unheimlich viel nach dort gekommen, vorige Woche ein Transport von 1300 Menschen. Vater lässt auch für die Briefmarken danken. Was machen Eure Instrumente? Spielt Ihr noch häufig? Ich will für jetzt schliessen, der Brief muss weg. Dieser Tage schreibe ich mehr, nimm jetzt nur viel gute Wünsche & tausend Küsse
Deiner Mutter.

Dich in bester Gesundheit hoffend grüßt u. küßt Dich Deine Großmutter.
& Dein Großvater.