Richard Loewy an Sohn Ernst, 5. September 1936

Krefeld, 5/9.36.

Mein lieber, lieber Junge!

Heute bin ich der letzte, der Dir schreibt, & sonst fange ich immer an. Und dabei gehts schon auf 6 Uhr Abends, ich bin müde & abgespannt, nachdem ich seit dem Mittagessen hier am Schreibtisch sitze & arbeite. Du kennst die Kritzelei ja immer am Samstag, wo sich alles von der ganzen Woche aufhäuft. Eben schlugs 6 h & ich muß vor 7 zur Post. Es geht heute darum schneller; dafür entschädige ich Dich mal diese Woche von unterwegs. - Ich bin vor allem froh, mein lieber Bub, daß es Dir gut geht & Du zufrieden schreibst. Alles andre wollen wir dem lb. Gtt überlassen; er hat bis hierher geholfen, er hilft auch bestimmt weiter.

Zum Roschhaschanah, dem ersten im Erez, wünsche ich Dir aus vollem Herzen das Allerbeste. Meine Gebete an diesem Tage werden besonders Dir gelten. Feiert den Tag froh & hoffentlich friedlich!

Es scheint ja nun doch, als wenn die Mandatsregierung nicht den Drohungen der Araber nachgibt. Die vorige & auch diese Woche sind viele Transporte nach Erez abgegangen, zum Teil ab Marseille; 3 Schiffe mit 2000 jungen Leuten. Wie aus den Zeitungen ersichtlich, wollen sich die Engländer nun doch bald energischer zeigen & für Ordnung sorgen. Freilich - die Toten kehren nicht wieder.

Die Haltung der Jischuv erregt ja fast in der ganzen Welt die größte Bewunderung. Und trotzig & mutig gehts doch voran!

[..]! Seid stark & fest!

Deine Nachrichten haben auch mich sehr interessiert. Herbert Ballhorn wünsche ich viel Glück. - Auf Dein Bild freue ich mich sehr. Kannst nicht mal den Film schicken? leihweise?

Hier ist nicht viel los. Ich war diese Woche in Bielefeld - Detmold. Geschäftlich wars gut, sodaß ich zufrieden sein konnte.

In Bielefeld habe ich auch Hilde Meyer besucht.

Am Montag ist in der ZOG ein Vortrag von Dr. Eduard Strauß, Frankfurt/M. Dozent am jüdischen Lehrhaus in Fft. über: Palästina - Aufbau, die Notwendigkeit dieser Stunde; von [..] veranstaltet. Ich bin leider nicht da. Die l. Mutter & Alma gehen hin.

Falls Manfreds Vater zu Euch kommt, grüße ihn bitte; er kennt uns ja; dazu war ja seine Mutter eine Cousine von Opa Levy. -

Mein l. Ernst, ich bin so abgespannt, daß ich kaum schreiben kann. Ich muß an die Luft.

Sei nicht böse wegen der Kürze heute; ich schreibe ja sonst genug. Noch eins: Gerda schrieb wieder aus London, daß Alfred Sadler (weißt der Koburger, Du hast ihn ja s. Z. in Waidhaus kennen gelernt) mit Familie nach Haifa übergesiedelt sei. Bruno sei in Fft/Main, ob er nach Erez käme, wußte sie nicht. Kurt & Erich seien bei Sadlers, Herbert in Prag. - Ernst Lamm ist nun ja schon in München. Den Brief an ihn sende nach Kronach, den Waidhausen schicke ich auch ab.

Nun nochmal alles, alles Gute!

Viele, viele Küsse Dein Vater.