Erna Loewy an Sohn Ernst, 5. September 1936
Samstag, den 5.9.36.
Mein lb. Junge!
Eben kommt, pünktlich wie meistens, Dein lb. Brief vom 24.-29/8. & danke ich Dir von ganzem Herzen dafür. Da Schabbes ist & ich fast nichts zu tun habe, kann ich ihn Dir sofort beantworten, was ich natürlich sehr gerne tue, da ein Plauderstündchen mit Dir doch zu meiner Lieblingsbeschäftigung gehört. Vor allem freue ich mich, dass Du gesund bist & Du nun endlich Hose & Mütze bekommen hast & Dir beides gefällt & passt. Bis jetzt hast Du alles bekommen, die Post klappt wirklich ordentlich. Zu Jontef schicke ich Dir 10.- Mk & da wir nun einmal bei Jontef sind, möchte ich Dir zum neuen Jahr alles Gute & Schöne wünschen. Das wünsche ich Dir zwar das ganze Jahr, nicht nur zu diesem einen Tag, aber an solchen Tagen ist es wohl jedem ein Bedürfnis, das noch einmal ganz besonders auszusprechen. Der lb. Gtt möge Dich weiter beschützen & behüten & mit Dir sein! Wenn Du uns weiter so viel Freude machst, als bisher, sind wir mit unserm Pipslein sehr zufrieden, auch wenn wir es aus der Ferne geniessen müssen. Haltet gut Jontef, in Gedanken sind wir immer bei Dir.
Dass die Unruhen kein Ende nehmen, ist schrecklich. Wenn man die Notizen in den Zeitungen liest, möchte man bald verzweifeln, aber auch da dürfen wir nicht kleinmütig werden & unser Gottvertrauen aufrecht halten. Hoffentlich nimmt alles bald ein gutes Ende. Dein Freund Herbert hat ja Glück. Wie alt ist er
dann, dass er gleich verdient? Eure Freundschaft kann ja auch weiterhin bestehen, auch wenn Ihr nicht zusammen bleibt. Vielleicht will es später doch mal der Zufall, dass Ihr wieder zusammen kommt. Wie ich Dir schon schrieb, ist Onkel Richard in Nizza, auch er wird Dich einmal besuchen. In unsere Kasse kommt immer was rein, hoffentlich können wir es zu diesem uns vorgenommenen Zweck auch einmal benutzen. Es wird schon werden! - Frische Feigen müssen doch gut sein, mal erst Johannisbrot. Ich habe letzteres als Kind wahnsinnig gern gegessen, heute sieht man es hier garnicht mehr. Bleibt der Vater von Manfred jetzt drüben & was wird er anfangen? Von Heinz Jakobus ist die Mutter, die immer krank war, gestorben. Der Junge tut mir sehr leid, denn mit dem Vater stimmt doch auch etwas nicht. Er ist ein besonders netter Kerl.
Ich freue mich schon sehr auf das Bildchen mit Herbert B., hoffentlich kommt es bald. Fritz R. kullert immer noch in der Weltgeschichte rum & wird immer dämlicher; auch ein Kreuz mit dem Jungen.
Da Vater gleich zu Tisch kommt, will ich schliessen, vielleicht nachher mehr. Bist Du noch in der Küche?
Nochmals alles, alles Gute & tausend Küsse
Deiner Mutter.
Hast Du eigentlich immer noch mit den Pickeln zu tun oder hat sich durch die andere Kost & das andere Klima gebessert? Ich muss nämlich gerade daran denken! Was haben dann Sie da of der Nosen?!