Richard Loewy an Sohn Ernst, 8. September 1936

2. Brief.

Gronau i. Westf., den 8/9.36.

Mein lieber Junge!

Hoffentlich kannst Du den Brief, den ich gestern Abend mangels Tinte mit Blei geschrieben habe, lesen. Umso leichter geht es wohl mit diesen Zeilen. Etwas Besondres habe ich Dir zwar heute nicht mehr mitzuteilen; ich habe heute wieder einen straffen Arbeitstag gehabt, G. s. D. auch mit Erfolg. Hoffentlich bleibt es auch so. Heute gegen Abend war ich bei Hn. Oster, der ja vor 1 ½ Jahren in Erez war, weißt Du, der Schwager von Dr. Berl in Kirjath Bialik, der Chemiker. Wir haben natürlich von drüben gesprochen & auch von Dir. Man freut sich überall für Dich, daß Du es so schön & gut getroffen hast. Die alten Osters wollen evtl. Ende dieses Jahres auf ein paar Monate hinüber. Vielleicht ergibt sich sogar

die Möglichkeit, daß sie auch mal nach K. A. kommen. Aber es muß natürlich erst Ruhe im Lande sein. Ich glaube überhaupt, wenn erst mal wieder Ruhe ist, dann werden sehr viele Leute zum Besuch hinüber fahren. Hoffentlich kann ich in 2 Jahren die Reise auch machen. Am liebsten möchte ich ja noch vor Ablauf Eurer 2 Jahre machen. Na ja, kommt Zeit, kommt Rat! Du weißt, mein lieber Junge, daß ich es gern sehe, in Ruhe abzuwarten, die Sache heranreifen zu lassen & dann handeln. Dann wird schon alles recht werden. Halte Du Dich nur dort gesund & mutig, sei froh und blicke der Zukunft voll Vertrauen auf Gtt & dessen geistiger Hilfe entgegen. Dann wird sein Segen, um den Deine Eltern täglich beten, über Dir sein! - Ich bin ja so froh, daß Du dort in guter Hut bist & ich kann Dir nicht sagen, wie wir alle uns immer mit Deinen Briefen freuen. Wenn ich dagegen die Briefe von Ilse sehe! Aus diesen Briefen geht sehr wenig hervor & wir könnten uns ohne Deine anschaulichen Berichte bestimmt kein Bild davon machen, wie es bei Euch aussieht. Wir warten nun mit Sehnsucht auf das

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angekündigte Bild. Ist denn niemand von Euch der einen guten Apparat hat & mal ein nettes Bild macht? - Ich möchte zu gern mal ein Bildchen - aber ein gutes von Dir allein in Deiner Kluft. Na, vielleicht kommt auch das später mal, wenn Du mal nach Tel-Aviv kommen kannst. - Es ist ja sehr bedauerlich, ½ Jahr bist Du schon bald drüben & hast noch nichts gesehen, noch nicht mal in der heiligen Stadt bist Du gewesen. - Aber es ist besser, Ihr wartet mal die vollständige Ruhe ab, als wenn Ihr unterwegs - wie neulich Euer Auto - beschossen werdet. Hoffen wir, daß Euch nie etwas passiert! - - Von den Zuständen im Land macht man sich ja überhaupt allerlei Gedanken. Der Aufbau ist meiner Ansicht nach ja wohl um ein paar Jahre zurückgeschlagen, aber den größten Verlust haben - außer an Menschenleben - doch auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Araber. Die Leute werden durch den Streik doch

bettelarm. Die Arbeit ruht nun schon seit Monaten & kein Verdienst!

Eure Kühe: ich habe mal über dies Problem nachgedacht & bin auf den Gedanken gekommen, daß die Krankheit Eurer Tiere daher rührt, daß man dort nicht die richtigen Kühe hat. Das Vieh, das Ihr habt, ist eben viel zu empfindlich für die dortigen Witterungseinflüsse. Ihr müßtet meiner Ansicht nach das Vieh haben, das, wie die Tierärzte bei uns zu Hause wünschen, das recht für Waidhaus u. Umgebung sein soll, das aber dort die Bauern nicht mögen, weil es ihnen nicht schön genug ist. Bei Weiden ist eine sogenannte „Zuchtviehweide” (staatlich!), dort züchtet man sogenanntes „Rotvieh”, das sind ziemlich kleine Kühe, alle rot gefärbt, nicht besonders schön an Gestalt, aber kolossal zäh & kräftig; geben allerdings nicht zu viel Milch. Die Bauern aber haben am liebsten schön gebautes, geflecktes Vieh, trotzdem die Tierärzte zum Rotvieh raten. Bei Euch weiß man anscheinend noch nicht, was dort am besten ist & man probiert noch immer aus - was viel Arbeit, Zeit und auch Geld kostet. Ihr müßtet auch mal „Rotvieh” haben! - Ich vermisse noch immer die „Anavim” aus K. A. Wo bleibt die Kiste?? Hier sind Trauben sehr teuer! Pfirsiche 60-90 Pf.!! Äpfel 45-50 Pf.!! - Nun Schluß für heute, mein Lieber.

Also, alles, alles Gute, [..] & tausend Küsse Dein Vater.