Erna Loewy an Sohn Ernst, 21. September 1936

Montag, den 21.9.36.

Mein lb. Ernst!

gestern erhielten wir Deine Antwortkarte & heute Deinen lb. Brief vom 7 bis 11 ds. Für beides viel, viel Dank. Wenn ich Dir wieder mit bezahlter Rückantwort schreibe, so kannst Du diese Karten einmal für andere Zwecke, als für uns, gebrauchen. Wir sind damit zufrieden, wenn wir jede Woche einmal einen ausführlichen Brief erhalten, über die Karten kannst Du anderweitig verfügen. Wenn ich eher gewusst hätte, dass es solche gab, hätte ich sie Dir schon lange geschickt.

Hoffentlich ist Euer Wunsch, Jontef nach Jersualem fahren zu dürfen, in Erfüllung gegangen. Ich freue mich ganz besonders über Dein Wohlergehen & kann auch Gutes von uns berichten. Vater ist heute früh wieder auf Tour, durch die Feiertage hatte er 4 freie Tage. Samstag sandte ich Dir eine neue Hose für den Schlafanzug, so kannst Du die Joppe doch wieder verwenden. Dass Du die Küchenwochen hinter Dir hast, ist Dir sicher eine Wohltat, & was tust Du jetzt? Denk Dir, Jüschen mit dem gläsernen Hintern ist beleidigt, weil Du ihr noch nicht geschrieben hast. Sie wurde ordentlich ungezogen, als sie mir das sagte. Ich glaube, Du hast bessere Verwendung für Deine Marken als für die alte Ziege. Samstag Abend sind Vater & ich einmal in den J.P.D. gegangen, um der Älternschaft mal ordentlich übers Maul zu fahren wegen Ilse. Vater hat ihnen wegen ihrem Geschwätz ganz gründlich die Meinung gesagt, jetzt wird wohl Ruhe werden. Erzähle aber Ilse nichts davon.

Und dann brachte mir Hellmut Frank beifolgenden Brief; der Dir sicher Freude macht. Er erzählt, dass sie von Dir noch immer sehr viel & gerne reden. Die Karte sandte mir Herr Kronenberg für Dich, er fand sie beim Aufbruch nach England & glaubt, dass sie Dich interessiert. Du siehst, es hat Dich noch keiner vergessen. Ernst Lamm ist sehr glücklich in München. Bis zu seiner Alija lernt er dort als Gärtner & hofft im Frühjahr rüber zu kommen. Dann bist Du s. G. w. schon ein Jahr drüben & kannst ihm schon behilflich sein. Morgen bist Du schon ½ Jahr fort, es ist kaum zu glauben. Für uns hat sich indessen wenig verändert, alles sieht noch genau so düster aus wie es war. Auf den Inhalt Deines Briefes gehe ich dieser Tage ein. Wenn der Brief morgen 9 Uhr in München sein soll, muss er schleunigst zur Post & was ich Dir schreiben wollte, ist hiermit erledigt. Halt Dich weiter so tapfer, mein lb. Pipslein, bleib gesund & nimm viel Grüsse & Küsse von Deiner
Dichl. Mutter.

Sage Ilse unsern Dank für ihre guten Wünsche zu Jontef.

Lieber Ernst. Hoffentlich seid ihr nun Jontef in Jerusalem gewesen, und habt viel schönes erlebt. Dich bei bester Gesundheit hoffend, für heute nur viele herzliche Grüße u. sei geküßt von Deiner
Großmutter.

Opa ist spazieren.