Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 2. Oktober 1936

Freitag, den 2.10.36.

Mein lb. Junge!

Pünktlich kam heute Dein lb. Brief vom 22-25.9. Recht herzlichen Dank dafür. Über den schönen Bericht von den Feiertagen bin ich sehr glücklich, nichts Schöneres für mich, als wenn es Dir gut geht & Du zufrieden bist. Vater wird sich auch sehr freuen, wenn er gleich von der Reise heimkommt. Heute schrieb er noch auf einer Karte: hoffentlich empfängst Du mich mit einem Brief von Pips. Sein Wunsch wird ihm also erfüllt. Was Du von Mendel schreibst, wundert mich nicht, Sie nehmen alle den Mund immer sehr voll, die Geschwister kenne ich ja alle. Dass Du Dich so gut eingelebt hast & Dir die Zeit so schnell vergangen ist, ist uns eine grosse Beruhigung; auch, dass Du mit Krefeld endgültig angeschlossen hast. Hier ist für Euch ja doch alles versperrt; umso mehr freut es mich, dass Du Dich dort so wohl fühlst. - Die lila Hose wirst Du unterdess schon erhalten haben. Nachher gehe ich einmal bei Spanier rein & erzähle, dass Du bei seinem Verwandten warst, er hatte schonmal danach gefragt. Vorher will ich Fritz mal besuchen & hören, was da los ist. Ich schreibe dann weiter. 3.9. Lieber Pips, gestern war ich bei Rosbergs, aber vor verschlossener Türe. Später traf ich Fritz auf der Strasse, seine Hand ist wieder in Ordnung. Er ist von einem Autobus gestreift worden, hingefallen & hatte einen Bluterguss in der Hand. Er hat Glück gehabt; sonst rutscht er aber noch zu Hause rum. Spaniers haben sich sehr gefreut, dass Du bei dem Verwandten warst & lassen Dich grüssen. Damit Vater noch schreiben kann, will ich schliessen, der Brief wird sonst zu schwer. Meine besten Wünsche & viel Küsse Deiner
Mutter

Aus der Sache mit Hans Seligmann in Wien ist nichts geworden, da das Krankenhaus Kost & Wohnung nicht vergütet & Hans es sich nicht leisten kann, Geld zuzuzahlen. Wovon auch? Er verhandelt jetzt mit Leipzig & Hamburg. Es ist alles nicht so einfach. Nochmals Kuss Mutti.

Mein lieber Ernst! Die Freude über Deinen lieben Brief war bei mir natürlich auch wieder groß. Ich sehe, daß Du innerlich fester wirst & Dein Charakter männlicher wird. Daß Du Dich so körperlich & geistig wohl fühlst, beruhigt mich sehr. Also, nur weiter auf diesem Wege; ich weiß, Du bist auf dem richtigen! Viel Freude macht mir auch das kleine Stückchen Zeder. Es wird irgendwo schon einen Ehrenplatz finden. Gestern war ich in Düsseldorf bei Kükens Eltern. Ich soll Dich & auch Küken grüßen. Frau Kaufmann war recht ärgerlich auf Küken, weil er zu Jontef nicht nach Jerusalem zu Landauers gefahren ist. Georg Landauer kennst Du ja wohl auch, er ist ja eine zionistische Größe; ein Vetter von Kükens Mutter. Diese freut sich schon darauf, Euch zu besuchen. Es wird aber wohl erst Anfang 1937 sein. Wenn wir Dir dann was mitsenden sollen, wenn Du irgendwelche Wünsche hast, Frau K. nimmt Dir gern was mit. Du mußt uns nur rechtzeitig schreiben.

Morgen fahre ich nach Kempen, für den KKL sammeln. Am Montag spricht Kurt Borgel über Martin Buber in der ZOG. Ich bin wohl hier & gehe dann mit Mutti hin. - Hast Du die Karte von Kronenberg von Kirjath Anavim erhalten? Ich sandte sie Dir doch, Du hast sie nicht bestätigt.

Mit der Abmeldung hat es noch Zeit. Das eilt nicht; aber ich freue mich, daß Du Deiner Sache so sicher bist. Hoffen wir, daß nun General Jule für Ruhe & Ordnung sorgt, dann klappt alles & Ihr könnt auch auf Fahrt. Wenn ich auf alle Einzelheiten Deiner Briefe (betr. Kühen, Stall, [..], Mistladen) auch nicht immer eingehe, aber so lese u. denke ich doch alles gründlich durch & erlebe alles im Geiste mit Dir. Vergiß nicht, daß wir mit unsren Gedanken stets bei Dir sind & täglich oft & öfter von Dir sprechen, nicht nur unter uns, sondern auch mit Bekannten. Es gibt ja kaum jemand, dessen erste Frage immer lautet: „was macht Ihr Junge?” Und wir sind glücklich, so frohe Auskunft über Dich geben zu können. Heute war ich bei Delschen (die Herren waren nicht da, aber Herr Meyer fragte nach Dir; & so überall. Frau Geisler erkundigt sich oft nach Dir; alle Leute, mit denen wir irgendwo zusammenkommen.

Nun, mein Lieber, ich schreibe Dir diese Woche wieder. Viel, viel Küsse
Dein Vater.

Levys lassen grüßen!