Richard Loewy an Sohn Ernst, 18. Oktober 1936

Krefeld, 18.10.36.
Sonntag-Nachm.

Mein lieber Junge!

Der heutige Brief fällt ziemlich mager aus; da Dein Brief ausgeblieben ist, fehlt uns die Anregung. Eigentlich dumm, was? Aber der Sonntag darf nicht vorbeigehen, ohne daß ich Dir einen Brief schreibe. Du sollst wenigstens nicht zu kurz kommen. - Wir hoffen aber, daß morgen früh vor meiner Abreise noch Deine Nachricht kommt, sonst ists für mich eine lange Zeit vom einen Brief zum andern. Zu berichten ist kaum was. Daß wir soweit gesund sind & daß wir auch sonst zufrieden sind. Der Sonntag geht auch in Ruhe vorbei, nichts Besondres; & morgen früh gehts wieder ins Geschirr. Bei uns ist jetzt richtig Herbst geworden, das Laub fällt von den Bäumen & es ist empfindlich kalt & stürmisch geworden. Wenn es so weitergeht, haben wir leicht schnell den Winter da, & aller Voraussicht nach wird es ein strenger Winter. Für mich kein Vergnügen, im Winter im Auto; fürs Geschäft ists ja wohl immer besser, wenn der Winter streng ist.

Diese Woche habe ich nicht viel gesehen, hier von den Freunden & Bekannten überhaupt niemand.

Mutter war diese Woche zum 1. Mal im Kulturabend; Dola Lupiuskaja. Es muß sehr schön gewesen sein. Du hast sie ja auch schon mal gesehen. Vielleicht habe ich vor Weihnachten auch mal Gelegenheit zum Kulturabend zu gehen.

Von den Verwandten hören wir auch gar nichts, man überhäuft uns zur Zeit nicht so sehr mit Post. -

Du, mein Lieber, bist hoffentlich recht wohl & munter. Wie Ilse dieser Tage schrieb, hattet Ihr den Chamsin, also scheint es bei Euch noch ziemlich heiß zu sein! Wir können ohne Ofen

schon nicht mehr sein. Ihr habt doch überhaupt keine Öfen? Wie ists nun mit Eurer Arbeit? Beginnt Ihr jetzt vor der Regenzeit noch mit der Aussaat? Habt Ihr schon alles geerntet oder noch nicht? Wir wissen ja gerade über diese Verhältnisse so wenig vom Lande; es ist dort ja alles so ganz anders als bei uns hier. Wann beginnt die Regenzeit? - Nun bin ich neugierig, ob Du in Tel-Aviv warst! - Wenn nun endlich Schalom in Erez ist, dann werdet Ihr bald nach der Stadt kommen & alles sehen & erleben dürfen! Auf Deine entsprechenden Briefe freue ich mich schon; natürlich noch mehr darauf, daß Du mir das eines Tages mal alles zeigen darfst. Was meinst Du, mein liebes Pipslein, wie schnell die Zeit vergeht & wie schnell wir zusammensein werden. Schade nur, daß die liebe Mutter nicht auch gleich mitkommen kann. Ja, wenn es nicht so sehr weit wäre & so teuer, bis man bei Euch ist. Na, wir wollen es in Ruhe abwarten, kommt Zeit, kommt Rat. Nur den Kopf hoch halten, der l. Gtt hat bis hierher geholfen, er wird schon auch weiter helfen. Und immer frischen Mut & gute Laune! Ja?

Diese Woche werde ich nicht vergessen, Dir von unterwegs wieder eine Karte zu schreiben, damit immer Post unterwegs ist & Du, mein lieber Bub, nicht solange zu warten brauchst. Heute ists ja wenig, was ich für Dich hatte, aber ein andermal ists ja auch wieder mehr.

Nun laß Dich umarmen & nun viele Küsse & ![..]
Dein Vater.

Mein l. Ernst. Nimm auch von mir viele Grüße u. Küße
Deine Großmutter. Ich hoffe Dich gesund und zufrieden. Mir geht es so leidlich, Großvater hat wieder den üblichen Husten.

Herzl. Grüße & Küsse von Deinem Großvater.