Erna Loewy an Sohn Ernst, 18. Oktober 1936

Krefeld, den 18.10.36.
Sonntag nachmittag.

Mein lb. Ernst!

ich möchte Dir heute so gerne einen Brief beantworten, aber Deine Post ist bis jetzt ausgeblieben. Hoffentlich kommt sie noch morgen früh, bevor der Pips auf Reise geht, sonst ist er wieder unglücklich. Von hier kann ich Dir nicht sehr viel Neues berichten. Ich bin immer noch im Geschäft & freue mich, jeden Abend etwas in die Sparbüchse tun zu können. Wir bekommen jeden Tag unser Geld & das lasse ich dann sofort verschwinden, damit es für nichts anderes ausgegeben wird. Auf diese Weise kommt wenigstens was zusammen & ich wünschte, der Ausverkauf hielte noch recht lange an. Die Freude dauert aber nur ein paar Wochen, dann gehe ich vor Weihnachten noch zu

Freunds & dann muss ich wieder privatisieren. Lore hat sich schon lange nicht mehr sehen lassen, auch sonst komme ich mit niemandem zusammen, da ich doch den ganzen Tag beschäftigt bin. Von allen Franks soll ich Dich herzlichst grüssen. Hoffentlich geht es Dir recht gut & ist es wahr, was die Zeitungen von dort berichten. Danach soll alles ruhig sein & wünschen wir für Euch nichts anderes. Dann könnt Ihr ja auch K. A. einmal verlassen & Euch das Land einmal ansehen. Ich bin so neugierig, was Du jetzt für eine Beschäftigung bekommen hast & ob Du in Tel-Aviv warst. Dein Brief fehlt uns heute sehr, aber dafür kannst Du natürlich nichts, mein lb. Pipslein. Für heute will ich schliessen, mangels Stoff, sobald Deine Post kommt, beantworte ich sie sofort.

Viele Grüsse & Küsse & noch mehr gute Wünsche!
Deine Dichl. Mutter.