Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 12. Dezember 1936
Krefeld, 12.12.36. Samstag-Nachm.
Mein lieber Junge!
Vielen herzlichen Dank für Deinen lieben Brief v. 30./11.-4./12. Gerade dieser Brief hat uns wieder recht Freude gemacht. Er ist die Antwort auf unsre Briefe, mit denen wir so manches über Eure Zustände wissen wollten. Du mußt nicht denken, daß wir Deine Briefe wegen der Grüppchen falsch verstanden hätten, wir hatten auch nicht eigentlich Sorgen deshalb, aber wir versuchten uns in die Zustände hineinzudenken & haben uns vielleicht dabei einiges etwas anders vorgestellt als es ist. Wir hatten nur befürchtet, Du würdest Dich vielleicht mehr isolieren als es richtig & gut ist. Umso mehr freut es uns nun zu sehen, daß dies nicht der Fall ist. Daß Du uns über alles & jedes unterrichten willst, - auch das, was mal weniger schön ist - ist unbedingt richtig von Dir & wünsche ich das unter allen Umständen auch für die Zukunft. Du sollst unbedingt wissen, daß Du mit Deinen Eltern alles, aber auch alles, besprechen kannst & daß wir Dir immer mit Rat & Tat zur Seite stehen wollen. Du sollst Dich nicht allein fühlen, sondern an Deinen Eltern Rückhalt haben. Wem sollst Du denn Vertrauen schenken, wenn Du das Deinen Eltern gegenüber nicht dürftest. Es mag sein, daß vielleicht der Vater des einen oder andren Deiner Chawerim sich gerne auf den würdigen & gestrengen Vater hier aufspielt, von mir aber weißt Du, daß ich immer & in allen Lagen Dein bester Freund sein will, dem gegenüber Du stets offen & vertrauensvoll sein sollst & - kannst.
Mit einem hast Du dann auch recht: wir wollen heute noch nicht über die 2 Jahre hinaus denken, es wird auch dann schon gut werden. Ich hoffe ja, daß es mir glücken wird, im Sommer Dich zu besuchen, dann können wir so manches besprechen, was später sein wird. Lassen wir das mal alles ruhen!
Für heute ist mir nur das Eine wichtig: Daß es Dir gut geht & daß Du Deinen innerlichen Frohmut behältst. Die materiellen Dinge interessieren mich eigentlich dabei am wenigsten. - Nachdem ich nun aus Deinen Zeilen sehe, daß Du froh bist & zufrieden, bin ich wieder vollständig beruhigt & wirst Du für die Folge keinen Anlaß mehr haben, Dich über unsre Briefe zu ärgern. Das war ja auch gar nicht der Zweck! Also lassen wir das!
Um Euer schönes Wetter möchte man Euch fast beneiden. Hier ists kalt & ruppig.
Daß Ihr Euch auch um Kunstgeschichte bemüht, ist schön. Vergeßt nur über Eure körperlichen Arbeit nicht die Beschäftigung mit schönen geistigen Dingen. Karte No. 8 nun anbei. Es wäre schade, wenn mal eine verloren ginge, nachdem ich sie so viele Jahre gut bewahrt hatte. - Daß Du noch mit Fritz zusammen wohnst, freut mich sehr. Wer ist Rolf? - Von Fritz finde ich es sehr schön, daß er Dir die Fahrt zahlen wollte; Du hattest aber recht, es dankend abzulehnen. Grüße Fritz bitte von uns; auch wir danken für seine Freundschaft.
Es war sehr nett von Dir, Levys zu Chanukkah zu schreiben & ein Blümchen zu schicken. Sie haben sich sehr, sehr damit gefreut. Das Blümchen habe ich bei Opa gestern hinter das Glas, bezw. vor Dein Bild gesteckt, das über der Chaiselongue hängt.
Nun von uns: nichts Besondres; wie immer. Die l. Mutter ist heute Nachm. zum 1. Mal zu Freunds; sie will ja für die Reise sparen. Sie geht nur Nachmittags hin.
Ich habe nun Ferien bis Januar & bin froh, mich mal ausruhen zu können. Zu Weihnachten hoffen wir auf Onkel Sali & Tante Debora.
Gerda schrieb vorige Woche an [..], sie sei operiert worden am Blinddarm. Es gehe ihr aber wieder gut. Sie wolle Dir schreiben. - Von den Verwandten hat sonst niemand was hören lassen. -
Nun Schluß für heute. Ich weiß heute wenig für Dich, mein Lieber. Halte Dich gut, [..] sei froh & gesund. Viele Küsse
Dein Vater.
Mein lb. Junge! Mit Deinem lb. Brief habe ich mich mal wieder so ganz, ganz richtig gefreut. Wenn unsre Vermutungen irrig waren, umso besser für beide Seiten. Es hätte mir sehr leid getan, wenn Du als Aussenseiter dagestanden hättest. Mich erschrickt immer ein Beispiel, Fritz Rosberg. Wie gesagt,
Herzlichst grüsst mit [..]
Ernst Kaufmann.