Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 23. Januar 1937

Krefeld, den 23.1.37.
Freitag.

Mein lb. Ernst!

Eben mit der 9 Uhr Post kam Dein lb. Brief, wofür ich Dir rech herzlich danke. Auch Vater wird sich freuen, wenn er heute Abend von der Reise heimkommt. Deine Neuigkeiten betreffs Fritz machen auchmich nicht besonders froh, da wir ihn durch Deine Briefe als sehr anständigen Menschen kennengelernt haben & Du ihm besonders zugetan warst. Aber wie Du auch schreibst, er ist ja nicht für Dich gestorben & wünsche ich Dir, dass Du noch sehr viel schöne Stunden mit ihm verlebst, auch wenn er nicht mehr bei Euch ist. Ihr behaltet ihn ja in der Nähe. Nur der Grund weshalb er von Euch geht, ist so traurig. Nicht, dass er heiratet, sondern dass er die Verantwortung nicht mehr übernehmen will. Das wirft ein sehr schlechtes Licht auf Eure Gruppe. Hoffentlich ist der Neue nun ein ebenso anständiger Kerl mit dem Du Dich gut verstehen wirst. Dass er ein Verwandter von Claire ist, ist ulkig, die ganze Welt ist doch ein Dorf. So schreibst Herbert Meyer, der in Johannesburg ist, er hat einen Moerser Herrn dort auf der Strasse getroffen. Also, wie gesagt, lb. Pipslein, hoffentlich macht Ihr keinen schlechten Tausch & habt einen neuen Freund gefunden. Lasst Euch den Abschied von Fritz nicht zu schwer werden & wenn er noch bei Euch ist, grüsse ihn einmal von mir & ich wünschte ihm alles Gute für seine Zukunft. Er soll Euch Knirpse über sein Glück nicht ganz vergessen.

Dass sich alle Mühe geben, Zahnarzt, Musiker u.s.w. um Euch weiter zu bilden, finde ich sehr schön. Machen da alle mit? Auch freut es mich, von Eurem Lesezimmer zu hören, wo deutsche Zeitungen zu finden sind. Ich wollte Dir mal wieder welche schicken, aber nun erübrigt es sich ja. Dass Deine Schuhe nun passen, ist ja fein, es wäre jammerschade um die schönen Schuhe gewesen. Mit Euren Apfelsinen macht Ihr uns den Mund wässerig, aber ich gönne sie Euch von Herzen. Einen Kamm wwerde ich Frau Kaufmann noch mitgeben & Umschläge habe ich Dir ein ganzes Kuvert voll mit den Bogen geschickt. Also eins mit Bogen, einen zweiten Brief mit Umschlägen. Hoffentlich hast Du sie erhalten. Wenn nicht, kannst Du auch Deine gewöhnlichen Umschläge gebrauchen, die Du von hier mitgenommen hast. Sie sind nicht zu schwer, oder hast Du keine mehr davon? Wenn sie nicht angekommen sind, schreibe, ich schicke dann nochmal welche. Soweit Dein Brief. Von hier nichts Besonderes, es geht alles seinen alten Gang. Übrigens wollte ich Dir noch erzählen, dass Max Levy in Tel Aviv mit dem Steinmann, oder Steimmann, der hier bei Dutzi war zusammen ein Zimmer bewohnt. Sie haben sich drüben kennen gelernt & angefreundet. Wieder so ein Zufall, Gladbach & Moers, vielleicht triffst Du sie auch mal. Hörst Du nochmal was von Herbert Ballhorn? Ich war gestern mal bei Rosbergs. Und höre & staune. Sie haben vor, Fritz ein Jahr lang in eine Gärtnerei zu stecken. Er selbst

weiss noch nichts davon, da er sich mit Händen & Füssen dagegen sträubt. Sollte das auch fehlschlagen, lernt er bei seinem Vater Buchführung, kommt mit aufs Motorrad & soll bei Jupp verkaufen lernen. Das eine wie das andere ist für Fritz Blödsinn, der müsste mal erst von Grund auf umgemodelt werden, ehe was aus ihm wird. Die Mutter tut mir leid, sie macht sich sehr viel Sorgen & sieht sehr klar alle Fehler ihres Sohnes ein. So mein lb. Pips, ich muss in die Küche an den Kochtopf. Morgen mehr.

23/1.37. Samstag Nachm. Mein lieber Junge! Als ich gestern Abend von der Tour heimkam, fand ich zu meiner Freude Deinen leiben Brief vor. Daß es Euch allen gut geht, ist immer eine große Beruhigung für uns; es macht uns aber keine Freude, daß es so wenig in Eurer Gruppe klappt. Woran liegt das? Seid Ihr alle so sehr verschieden in Euren Anschauungen, in Eurem Charakter oder in Eurer Erziehung von Hause aus? Schließlich kommt Ihr doch wohl fast alle aus dem gleichen Millieu? Oder liegt es z. t. auch bei manchen am fehlenden guten Willen sich zu vertragen & sich auf eine gemeinsame, von Eurem Führer bestimmten Basis zu stellen? Ich kann es mir doch kaum anders denken! Denn wenn bei allen der gute Wille vorhanden ist, dann muß doch einen wirkliche Chewrah entstehen!! Es ist natürlich eine sachliche Beurteilung von hier aus nicht gut möglich & hoffe ich im Sommer mich durch Augenschein von allem überzeugen zu können. Auch mir tut es recht leid, daß Euer Fritz Euch verläßt, aber vielleicht und hoffen

freundest Du Dich mit P. K. ebenso gut an. Die Freundschaft mit Fritz, möchte ich Dir aber warm empfehlen, weiter zu pflegen & ihm auch die Freundestreue nach seinem Abschied zu bewahren. Die Stadt ist ja nicht so entfernt & Du wirst ja wohl noch öfter Gelegenheit ihn zu sehen. Grüße ihn bitte & sage ihm in meinem Namen, daß ich ihm dankbar wäre, wenn er auch Dir später Freundschaft hielt & ich würde mich freuen, ihn im Sommer kennen zu lernen. Daß Du P. K. schon von hier aus kennst & daß er mit Claire verwandt ist, ist ja auch kein Fehler für Dich. Verhaltungsmaßregeln brauche ich Dir ja nicht zu geben, ich vertraue darauf, daß Du ohnehin weißt, was Du zu tun hast. -

Von uns sonst nichts Besondres. - Wenn Du mal wieder nach Tel Aviv kommst, besuche Max Levi (P[..]str. 13) & grüße ihn & Steinmann von mir. St. kennst Du ja auch, ich habe ihm s. Z. Deine Adresse gegeben & gebeten, er möchte Dich mal, wenn möglich, besuchen.

Ich bin nun wieder dauernd auf Tour; es ist noch nicht viel los, aber es wird erst zum Frühjahr schon werden. Wie immer. Diese Woche war ich in Borken, bei Lenchen; Hannchen ist wegen Zuckerkrankheit seit Wochen im Krankenhaus. - Etwas, was Dich auch interessiert: der B.D.J.J. ist auch aufgelöst; mußte sich auflösen; auch die Heimabende der RjF., die alle 4 Wochen waren, dürfen nicht mehr sein. Demnächst wohl nur noch die Makkabbi- & Z.O.G.-Veranstaltungen. -

Heute gehen wieder 10.- M an Dich ab. - Daß Du Onkel Michel & Sali geschrieben, ist recht. - Paul ist mit seiner jungen Frau auch schon fort. Die Hochzeit war sehr nett. Getraut hat sie Tannenberg, Paul war ja mit dem „Raf” nicht gut Freund. Es war eine überaus schöne & ernste Feier. - Für heute genug. Ein andermal mehr. Ich habe viel schriftliche Arbeit & muß anfangen. - Alles Gute, viele Küsse & [..] Dein Vater.

Liebes Pipslein, anbei noch einen Karte & heute noch von mir viel Grüsse & tausend Küsse Deiner
Mutter.

Karte Nr. 12, stimmt das?