Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 29. Januar 1937
Krefeld, Freitag den 29.1.37.
Mein lb. Junge!
Deine lb. Zeilen vom 19.-23 ds. kamen pünktlich wie die Uhr heute früh wieder an, immer mit derselben Freude in Empfang genommen. Der schönste Augenblick in der ganzen Woche. Viel Dank, mein Guter! Ich freue mich Deines Wohlergehen & kann auch nur Gutes von uns sagen. Du hast ganz recht, Onkel Willy ist wohl dran, viel schlimmer ist es für den Jungen. Aber für den kleinen Kerl wird schon gesorgt, er kommt zu Tante Hilda nach Kronach. Die Gemeinde Freiburg gibt einen monatlichen Zuschuss für seine Erziehung & wenn das nicht langt, müssen wir alle etwas mitzahlen, was wir in diesem Falle gerne tun. Bei Tante Hilda ist er vorläufig gut aufgehoben, die hat viel Platz, Zeit, dort ist gute Luft & was später wird, wird sich auch wieder finden. Wie gefällt Dir Pinchas? Ist er ebenso nett als Fritz? Vielleicht ist es nicht von Schaden, wenn bei Euch ab & zu mal andre Luft weht. Übrigens las ich eben von neuen Unruhen in der C. V. Zeitung. Der lb. Gtt. bewahre Euch davor, das wäre ja schrecklich. Kommt denn für uns nie Ruhe! Dass Ihr so netten Unterricht habt, höre ich sehr gerne, ebenso schön finde ich es von Fritz, dass er Dich zum Abschied beschenkt hat & Dich schon über Schabbath in sein neues Heim eingeladen hat. Du schreibst, Schluss, ich habe Hunger & will zum Abendessen gehen. Was gibt es denn immer, auch das möchte ich ab & zu mal wieder wissen. Ernst Lamm gefällt es sehr
gut, bis der aber mal weiter kommt, wird noch lange dauern. Er muss 2 Jahre dort bleiben. Bei uns hat es nun auch geschneit & zwar hat der Winter mit einer derartigen Kälte eingesetzt, dass man sich nicht vor die Türe wagt. Unser armer Pips dabei draussen auf der Landstrasse. Heute früh schreibt er mir, dass er wahrscheinlich heute Abend nicht heimkommt, bei der Glätte & der Kälte möchte er nicht spät noch unterwegs sein. Ich bin sehr froh, dass er so vernünftig ist, denn es ist wirklich kein Vergnügen. An die karrierte Hose habe ich gestern noch denken müssen, vor mir ging ein junger Mann in hohen Schuhen & genau derselben Hose. Ich dachte noch, gerade wie Pips! Du brauchst keine Angst haben, mein Kleiner, Dein Mümmlein bleibt immer die Alte, sie wird nie Bridge spielen & sich die Lippen färben, auch dann nicht, wenn sie mal eine Zigarette raucht. Dein Vater hat masslos übertrieben, er selbst qualmt ununterbrochen, aber ich habe seit Du fort bist, vielleicht 6 Zigaretten geraucht. Vater möchte mich oftmals dazu verführen, er findet das so gemütlich, wenn wir abends zusammensitzen, aber so gross ist meine Freude daran nicht. Du kannst ganz beruhigt sein, ich gewöhne mir keinen Neuheiten an. Aber vorüber ich mich sehr gefreut habe, ist, dass Du bei Deinen Vorhaltungen mich Mümlein nanntest. Ich dachte schon, Du hättest das ganz vergessen. Also keine Sorgen, ich bleibe die Alte, trotz des ½ Dtz. Zigaretten. Für Kakel freue ich mich, dann kann sie doch
II
bald ihre Mutter nachkommen lassen. Gestern habe ich von Dr. Bluhm erfahren, dass Lotte Fernich nächsten Monat heiratet. Sie hat ihren Mann auf dem Gut kennengelernt; er ist Gärnter & hat schon eine Stellung in Erez. Nach der Hochzeit siedeln sie gleich hinüber, wohin weiss ich natürlich nicht. Er soll ein netter Kerl sein, Sohn eines Sanitätsrates. Für Lotte freue ich mich, sie war immer ein nettes Mädel. Fernichs selbst sehe ich ja nicht mehr, mit solchen Menschen kann man doch keinen Freundschaft halten. Willi Salomons war hier, den Du doch auch kennst & drüben ist, hat einen jungen Sohn. Sonstige Neuigkeiten weiss ich heute keine, vielleicht fällt mir morgen noch etwas ein. Übrigens habe ich die Uhr für Vater bekommen. Onkel Sali hat mich wirklich gut bedient, eine Uhr für 10,- die im Laden 25,- Mk kosten würde. Ankerwerk, unzerbrechliches Glas. Ich will jetzt mal zur Hubertusstr. gehen, ich war die ganze Woche nicht drüben. Also einstweilen viel gute Wünsche & tausend Küsse Deiner
Mutter.
Mein lieber Junge! Gestern sandte ich Dir eine Karte & haute schon wieder Anschrift am Brief; ist das nicht ein bißchenviel??! Ich weiß ja, Du freust Dich über jede Zeile von uns genau wie wir uns mit Deinen Briefen freuen. Dein letzter hat auch nur wieder Freude gemacht, auch das Bild. Ich schreibe eben hir auf der Hubertusstr., wo ich die Führerrede gehört habe zum 30.1. Ob Ihr sie auch gehört habt? Da heute bei Euch arbeitsfrei ist, hattet Ihr ja auch Zeit zum Hören. - - Ich bin gestern Abend doch heimgefahren, & war glücklich, wieder zu Hause zu sein. Hier ist Schnee, Kälte, Eis, Windstärke 10, sodaß ich am Montag gar nicht dran denke mit dem Auto zu fahren; ich setze mich mal schön in den geheizten Zug & warte mal bis wieder besseres Wetter ist.
Daß Fritz nun schon fort ist, tut mir leid, aber ich hoffe, daß Du Dich mit P. ebensogut stellen wirst; bitte ihn zu grüßen; ich dankte ihm im Voraus für die Mühe, die er sich mit Dir geben wird. Ich hoffe ihn im Sommer kennen zu lernen. - Das Bildchen ist nett & folgt im nächsten Brief zurück. Da wir morgen nach Düsseldorf zu Kfms fahren, möchte ich es Frau Kfm erst zeigen. Sie fährt nun am 10/II. Ich will mit Mutti gleich los, um Dir die Schuhe & Müffkes zu besorgen. - - Der kleine Freiburger wird es in Kronach vielleicht besser haben als in Fbg; wir werden schon für ihn sorgen. Deine Hoffnung auf Onkel Ludwig wird wohl trügerisch sein, ebensowenig von Onkel Carl. Tante Hilda & wir werden es schon schaffen. Von Verwandten seiner Mutter hat er nicht viel zu erwarten; eine Schwester seiner Mutter ist Buchhalterin in einem Weinort a. d. Mosel, die auch in Fbg war & mit Tante Hilda manches erledigt hat. - Auf alle Fälle wird es dem armen Kerlchen schon nicht schlecht gehen. Er wird wohl in 8-14 Tagen übersiedeln. -
Eins: Du mußt nicht so oft zusammenaddieren & uns das Resultat aufgeben. Ich möchte das nicht, das geht Onkel Paul gar nichts an! Ob das neun oder ein halbes mehr sind. - Tante Hilda hat mit Onkel Carl etwas Knies, weil er sich in Fbg mehrere Bücher „als Andenken” mitgenommen hat, & zwar heimlich! Über Onkel Carl kann man sich wirklich manchmal ärgern. Er wäre besser gar nicht zur Beerdigung gefahren, er macht nur Scherereien. - Von Ernst Lamm kam heute eine Karte; die ich Dir mitsende. - Kakel grüße bitte, ich lasse ihr „Masel tov” wünschen.
Ich will nun mit Mutti, die eben kam, zur Post, um die 40,- Mk nach Berlin zu senden, damit sie nichts zu sagen haben; dann wollen wir zu Bata. - Besondres weiß ich nicht in der eile, in der ich schreiben muß, zumal alle im Kreis sitzen & reden, Du kennst das ja! - Der Brief muß aber fort. - Frau Kfm wird Dir ja nun bald viel berichten, das wird wohl für Euch alle ein Fest werden, der erste Elternbesuch; doch nein, da fällt mir ein, daß ja Manfreds Vater dort ist; Du kannst ihn gelegentlich grüßen. - Nun, mein lieber Junge, alles, alles Gute, [..] & viele Küsse Dein Vater.
Mein lieber Ernst ich sende Dir meine herzlichsten Grüße & Küsse
von Deiner Tante Berta
Herzliche Grüße u. Küsse
Deine Tante Jettchen
Lieber Ernst, sende Dir hier jetzt die herzlichsten Grüße u. Küsse Deiner Tante Tilde.