Richard Loewy an Sohn Ernst, 6. Februar 1937

Krefeld, 6/II.37. Samstag-Abend.

Mein lieber, lieber Junge!

Jetzt endlich, Abends 7.15, bin ich mit meinem schriftlichen Kram fertig & will ich, wo ich so weit bin, schon mit Deinem Brief anfangen, obwohl ich weiß, daß die l. Mutter gleich das Abendessen fertig hat. (Heringssalat mit Pellkartoffeln! Bekommst Du nicht Appetit?) Da ruft sie schon! Also schön, unterbrechen wir! Ich wollt', ich könnte Dich einladen, mitzuhalten! - So, mein Lieber, jetzt kanns losgehen, nachdem ich das Nötige intus habe & mir eine echte Havanna für 10 Pf. angesteckt habe! - Die liebe Mutter hat Dir eigentlich schon alles Wissenswerte berichtet, sodaß ich eigentlich schon mit Gruß & Kuß abschließen könnte! Aber ich will doch noch auf Deinen lieben Brief, der erst heute früh kam, eingehen. Ich freue mich, daß Du recht wohl bist. Sei Du nur recht vorsichtig, daß Du nicht krank wirst. Wie kommt Manfred an Typhus? Das junge Mädel damals hatte doch auch Typhus? Habt Ihr denn kein ordentliches Trinkwasser? Oder woran liegt das? Gib bitte mal Auskunft hierüber! Auch ich wünsche Manfred gute Besserung, grüße bitte seinen Vater von mir. - Wenn dieser nun Wurst gemacht hat, gibt es bei Euch sicher große Freude & großes Wurst-Essen! Da möchte ich mal bei Euch sein! - Eure Pferde & Kühe verwöhnt Ihr aber schön, wenn sie Apfelsinen bekommen. Ich habe mir diese Woche 1 Stck gekauft, in einem Papier eingepackt mit der Aufschrift „Tnuvah”, 40 Pf!!, allerdings I a Qualität. Das war bei mir die erste in diesem Jahre! - Onkel Richard verlangte dieser Tage Briefe von Dir zum Lesen; Mutter sandte ihm Deine letzten beiden. Er wird Dir auch wieder schreiben. Auch ein paar Marken sandte er mit „für Ernst”.

Daß Dir Polaks geschrieben haben, ist nett. Es sind ja liebe Menschen. Die Adresse von den Bekannten Tante Tinis kann ich Dir leider nicht angeben, da Tante Tini nicht mehr geschrieben hat, als sie anscheinend selbst wußte. Wenn Du nach der Stadt kommst, kannst ja mal anrufen & Dir die Adresse sagen lassen um dann hinzugehen. Ob es dort auch ein Telefonbuch nach unsrer Art gibt, weiß ich nicht, daraus könntest Du ja auch die Adresse sehn. - Wegen Deines Mantels (Lederol) mußt mir nochmal schreiben. Wenn ich Dir bis zum Sommer einen neuen besorgen soll, dann mußt Du mir auch mal Deine Maße

mitteilen & zwar Oberweite, (unter den Achseln gemessen) Ärmellänge & Rückenlänge. Ich weiß ja nicht, wie groß Du heute bist; ich nehme ja an, daß Du gewachsen bist. - Du mußt Dir allmählich auch alle Deine Wünsche überlegen & Dir nach & nach notieren, was Du eventuell an Kleinigkeiten brauchst, das kann man dann schon allmählich besorgen.

Nächste Woche ist hier Karneval, da steht wohl alles Kopf. Ich werde ja nichts merken. Ich habe gestern in Bielefeld den Wagen gelassen & fahre Montag früh nach Bielefeld zurück; dort ist ja alles evangelisch & kaum bei Karneval, dort kann ich auch ruhig arbeiten. Hier ist natürlich auch wieder ein großer Zug mit Prinz Karneval.

Daß Euer Unterricht gut vorangeht, höre ich gern. Auch daß Du fleißig in guten Büchern liest. Daran nur immer festhalten! Ich wollte, ich könnte Dir alle meine schönen Bücher schicken! Auch darin mußt Du mir noch Wünsche aufgeben, denn wer weiß, wann später mal wieder Gelegenheit ist.

Ich bin so ziemlich am Ende meiner Wissenschaft; dadurch, daß ich schon ca 5 Stunden am Schreibtisch sitze, bin ich auch ziemlich abgespannt. Wir wollen den Brief noch zur Post bringen. Es ist ½ 9 h Abends & er muß Montag früh 9 h in München sein!

Schluß nun! Viel tausend Grüße & Küsse & [..]
Dein Dich auch liebender Vater.

Lieber Ernst.

Da die l. Eltern, Dir alles Neue mitgeteilt haben, bleibt für mich nichts anderes übrig, als viele herzl. Grüße & Küsse auf diesem Wege zu übermitteln. Ich hoffe Dich bei bester Gesundheit, und sehe Dich im Geiste schon als Apfelsinen Großkaufmann.

In diesem Sinne herzlichst Dein Großvater.

Lieber Ernst, nun bleibt für mir nur Dir weiter alles Gute zu wünschen, vor allem Gesundheit.

Sei herzlichst gegrüßt u. geküßt von
Deiner Großmama.