Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 20. Februar 1937

Samstag, den 20.2.37.

Eben kam Dein lb. Brief vom 9-13. ds. mein lb. Junge & waren wir sehr glücklich, dass wir nicht länger warten mussten. Viel, viel Dank; Deine Wünsche wie Antwortscheine & Schnellhefter werden wir Dir gerne erfüllen. Am meisten freut es mich, dass Du Dir mal wieder einen netten Nachmittag machen konntest & wieder viel in Jerusalem gesehen hast. Im Hotel King David war einmal Erich Levy aus Baden angestellt. Ob er noch dort ist, weiss ich nicht, bei Gelegenheit kannst Du ja mal nach ihm fragen. Ein Sohn von unserm geliebten Onkel Sali; Vaters bester Freund. Die Geschenke für Fritz fand ich sehr sinnreich, besonders Haube & Pantoffel. Ein Glück, dass Ihr für solche Spässe Sinn habt, es zeigt doch immer wieder Euren guten Humor. Macht nur weiter so. Mit dem Speisezettel bin ich auch einverstanden; die Hauptsache ist, dass Du tüchtig durchisst & Dir nicht nur die Leckerbissen heraussuchst. Oder gar den ganzen Hunger bis zum Abend aufbewahrst, wenn es Dir scheinbar am besten schmeckt. Ihr habt nun schon wieder Frühlingswetter & hier stürmt & regnet es in einem zu. Gestern Abend hatte Vater auf dem Friedrichsplatz, also kurz vor der Haustüre noch eine Radpanne. Er kam so durchnässt nach Hause, dass er sich bis auf die Haut umziehen musste & infolgedessen sehr nervös. Seit Dein Brief da ist, hat er aber wieder gute Laune. Was so ein Blatt Papier doch nicht ausrichten kann. Das Geschäft war diese Woche auch ganz gut. Aber um eines möchte ich Dich noch bitten, mein Goldjunge. Du musst nicht so felsenfest damit rechnen, dass der Pips diesen Sommer schon kommt. Vorläufig ist

II

es mal seine Absicht, aber wir haben das Reisegeld noch nicht ganz zusammen. Wolle Gtt, dass es bis dahin klappt, aber rechne nicht so sehr darauf, denn sonst bist zu enttäuscht, wenn es einmal nicht gehen sollte. Es kommt jemand, bevor Deine 2 Jahre herum sind, aber setze Dir bitte keinen festen Termin. Wir möchten Dich um Himmels Willen nicht enttäuschen. Halt Du das Däumchen & wir sparen wo wir können, mehr können wir Dir nicht versprechen. Was hat sich bei Manfred Mendel denn nun herausgestellt, woher kam das hohe Fieber. An Ha. Ban. erinnere ich mich noch sehr gut. Die Grüsse Deines Stubenkameraden & von Ilse erwidern wir herzlichst & nun muss ich an den Kochpott, damit Vater gleich was auf seinem Teller vorfindet. Lass Dich umarmen & innig küssen von Deiner Mutter.

Mein lieber Junge! Die l. Mutter will fort & der Brief soll mit; ich will Dir schnell etwas schreiben, viel habe ich heute nicht; ich schrieb Dir ja auch erst von Attendorn eine Kte. Einen Wust Arbeit habe ich vor mir liegen, ich weiß kaum, wie ich es schaffen soll. Dein Brief hat natürlich auch mir wieder viel Freude bereitet; ich wollte, ich wäre auch schon so weit wie Frau Kfm.

Gestern Nachm. war ich übrigens in Gerresheim bei Herrn Kfm. Zu Mutters Freude kamen heute aus Freibg aus Onkel Willis Nachlaß 4 Kisten & 1 großer Bretterverschlag mit Bildern, Kupferstichen, etc, die ich für den kleinen Jungen verwerten soll. Das ganze Schlafzimmer steht voll!! - Heute früh war ich mit der [..]; von Ernst & Claire war heute der erste Brief aus Johannesburg gekommen; sie haben vorerst Aufenthaltsgenehmigung auf ein paar Monate, hoffen aber dauernd zu erhalten. - Gerda schrieb gestern auch Brief; es geht ihr auch gut & sie habe keine Sehnsucht. - Von den andren Leutchen kam diese Woche keine Post; gesehn habe

ich auch noch kaum jemand; doch heute früh traf ich Deinen Freund Heinrich [..], der sich nach Dir erkundigt hat & ich soll Dich grüßen. - Wegen meines Besuchs: Mutter hat noch immer Angst, es würde nichts draus. Ich glaube aber feste dran! Es wird schon gehen! Wird' schon noch - - hat Ernst immer gesagt! Weißt Du noch! - Bei Deiner Arbeit im Kuhstall möchte ich Dich mal sehen! Ist es nun so was Schlimmes: „den Kühen die Schwänze auswaschen”? Wenn man es gern tut, ist auch diese Arbeit nicht schlimm & genau so ehrenvoll (& vielleicht noch amüsanter) als Seide verkaufen! Ich wollte gern tauschen!

Die Sonne scheint! Zum ersten Male seit vielen Tagen! Ich habe was mitgemacht an Regen die letzten Wochen! Bei Euch kann es kaum schlimmer gewesen sein!

Frau Kfm hat ja nun wohl recht schöne Tage bei Euch. Ich habe mit Hr. Kfm gestern vereinbart, sollte er am Montag Post hat, kommt er erst am Sonntag Vorm. (über Mittagessen) zu uns, sonst die Woche drauf. Grüße Frau Kfm bitte von uns. Sie wird ja wohl nicht in der Stadt wohnen, falls ihr nicht eins Eurer Häuschen Plat macht. - Hat Hr. Mendel die Kuh geschlachtet & gabs dann Leberwurst mit Senf? - Tante Bora wird hier bald auch wieder für ein paar Tage kommen.

So, heute ists sehr wenig, mein Lieber, ich muß an die Arbeit; aber ich schreibe Dir bald wieder. - Recht viel Küsse & [..] Dein Vater.

Lieber Ernst.

Nun bist Du schon beinahe 1 Jahr fort von hier, es kommt mir vor, als hättest Du Dich gestern bei uns verabschiedet, so schnell ist uns das Jahr dahingegangen. Hoffentlich verläuft das zweite Jahr auch so glatt, und zufriedenstellend.

Für heute, sei herzl. gegrüßt & geküßt von
Deinem Opa & Einer Oma welche nicht anwesend ist.