Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 7. März 1937

Sonntag-Vorm. 7./III.37.

Mein lieber Ernst!

Die liebe Mutter hat eigentlich schon alles wesentliche geschrieben, was zu berichten war; so kann ich eigentlich nur noch schreiben, daß es mir gut geht & daß ich mich, wie immer, mit Deinen Zeilen herzlich gefreut habe. Leid tut mir Manfreds Zustand, wir wollen nur hoffen, daß es jetzt wieder gut ist & er die Krisis gut überstanden hat. Ich war am Montag in Köln & auch bei Sterns; Friedel sagte mir schon, daß sie in Köln, wo die Tante Manfreds wohnt, nichts von seiner Krankheit wußten; ich nahm also schon an, daß man nichts nach Essen geschrieben hat. Obwohl es einerseits gut ist, wenn der Mutter die Aufregung erspart bleibt, kann ich es doch nicht gutheißen, denn - was dabei herauskommt, siehst Du an unsrem Schweigen mit m. Fuß. Trotzdem habe ich Friedel gesagt, sie möge nicht darüber sprechen. -

Elschen ist gewachsen; es ist ja nun 3 Jahre her, daß sie hier war, also darf sie in 7 Jahren wiederkommen! Sie wird jetzt 11 Jahre alt; 2 x ist sie bisher sitzengeblieben. Die Verhältnisse dort sind noch immer so elend wie vor Jahren. Ein trauriges Kapitel.

Draußen schneit es zur Abwechslung mal wieder! - Lotte Fernich heiratet heute in Berlin & kommt ja nun bald nach drüben; bisher war sie bei der Misrachi; da aber ihr Mann [..] ist, wird sie es wohl auch wieder!!! Daß sich Fr. Kfm & Fr. Brotzen getroffen haben, ist für die Mutter auch sehr nett. Erzähle Du nur Fr. Kfm viel, damit sie uns viel berichten kann. Vielleicht kommt Hr. Kfm heute Nachmittag auf ein paar Stunden. - Heute am Sonntag ist meine meiste Zeit wieder mit Schreiben ausgefüllt, ich weiß kaum, was zuerst tun - & kommt doch nichts dabei herum! - Dann muß ich Pakete machen von den Stichen von Onkel Willi & welche fortschicken. Soll ich Dir auch mal einige Bilder (Ansichten vom Rhein etc.) mitschicken? Als Zimmerschmuck? Wenn Du mal irgendeinem mit einer Ansicht seiner Heimatstadt eine Freude machen willst (als Geschenk), ich habe fast von allen Gauen & Städten Deutschlands Bilder; ich kann Dir auch davon welche senden. - Nun Schluß für heute. Es war nicht viel, aber ich weiß noch heute nichts Besonderes. - Viel Küsse & [..]
Dein Vater.

Die Marken erbitte zurück!

Eine Rembrandtkarte anbei.

II

Deiner Grösse nicht mehr vorrätig & habe ich eine ganz dunkelblaue genommen. Hans Simons hat sie anprobiert & glaube, dass sie Dir gut passt. Ich will noch die Knöpfe nachnähen, dann schicke ich sie ab. Bis Vater kommt, dauert noch so lange. Oder hast Du einen andern Geburtstagswunsch? Grossmutter hat Dir heute 10.- geschickt, auch für Deinen Geburtstag. Von hier weiss ich Dir garnichts zu berichten. Ob Fritz die Stelle nun endgültig erhalten hat, ist mir unbekannt, ich will dieser Tage mal zu Rosbergs gehen. Mit Tante Debora & Grossmutter war ich dieser Tage mal im Kino, das waren meine ganzen Erlebnisse diese Woche. Ich bin glücklich, wenn Vater gleich nach Hause kommt, mir ist diese Woche so seltsam zu Mute & da brauche ich jemanden, der mich wieder aufrüttelt. Wenn der Pips mich wieder ein bisschen auslacht, ist's wieder gut. Der bringt immer Leben ins Haus. Der kleine Freiburger scheint sich in Kronach sehr wohl zu fühlen. Er hätte in 12 Tagen 5 Pfd. zugenommen & wäre frech wie „ein Wanz”. Der lebt da mal ordentlich auf. Er ist dieser Tage 10 Jahre geworden & habe ich ihm ein hübsches Höschen & Schokolade geschickt. Ich will nun noch etwas zum Abendbrot besorgen & werde morgen weiterschreiben. Vielleicht gibt es bis dahin noch etwas Nettes zu berichten.

Indessen viel Küsse Deiner Mutter.

Schabbath! Liebes Pipslein! Vater ist wieder wohlbehalten eingetrudelt & mein Katzenjammer ist auch wieder weg. Alles andre wird Dir Vater berichten, dann von mir nur noch viel gute Wünsche & tausend Küsse
Dein Mümlein.

3) Wir hatten immer gerechnet, Herr Kfm käme mal; nun hatten wir noch zu Ostern auf ihn gehofft, er konnte aber nicht, da er selbst Besuch bekam. Nun warten wir, bis Frau Kfm zurück ist. Hoffentlich kann sie uns nur Schönes & Gutes erzählen. - Daß die Marken abgerissen waren, ist nicht schlimm, es waren neue Deutsche, die ich unterdessen aber schon öfter habe. Schicke mir bitte heute die 25-Pf-Marke, die ich aufklebe. Dann sieh doch bitte zu, ob Du nicht noch einige pal. Nachporto-Marken bekommen kannst. Diese sind ziemlich rar & wertvoll. - Deine Nachricht über Eure Arbeit & Unterricht lesen wir mit Interesse. Bis Du lernst, mit der Sense umzugehen, wird wohl noch was dauern. Schade, daß Euer Chawer Zellnik nicht mal bei uns gewesen ist. Frau Mendel zeigte uns mehrere Bilder mit Küken; ihr Mann & Manfred halten sich wohl meist dabei auf. Soweit an den Bildchen zu sehen, habt Ihr ganz schöne Tiere. - Wann ist nun Eure Feier? Mit oder ohne Manfred? - Was macht eigentlich Euer Führer Pinchas? Davon schreibst Du nichts; wohnst Du wieder mit ihm zusammen? - Fritz Seligman ist vielleicht heute gekommen. Hans hat ein Patent erfunden, Fuß-Einlagen, die ein Fabrikant zum Anfertigen übernommen hat; hoffentlich verdient er dabei soviel, daß er sein Studium im Ausland fertig machen kann. - Von Ernst Lamm hatten gestern auch einen Karte; er fühlt sich wohl auf Hachscharah. - Am Mittwoch war ich im Heimabend der ZOG; Hans Damidt aus Düsseldorf sprach über Boden-Erwerb in Erez; ich weiß nicht, ob Du ihn kennst. Nach Jontef ist wieder eine große Aktion; ich fahre wieder nach Hüls & Kempen, wie immer; hoffentlich bringt es was ein. Man erkundigt sich dann stets lebhaft nach Dir. - Nun genug. Mutter möchte auch noch Platz haben.

Also, mein Lieber, noch gut Jontef & viele Küsse [..]
Dein Vater.

Mein lieber Junge! Den Anfang habe ich gemacht & will ich natürlich auch noch fortfahren. Zunächst einmal herzlichen Dank für Deinen lb. Brief, mit dem wir uns wieder sehr gefreut haben. Mein Katzenjammer ist längst überwunden, das kommt, wie Du schreibst, in den besten Familien mal vor. Augenblicklich ist Vater ja zu Hause, dann habe ich dazu ja auch weniger Grund. Was sagst Du dazu, dass Vater schon

eine Anzahlung für seine Reise gemacht hat. Es scheint jetzt wirklich Ernst zu werden. Wollen wir nur hoffen, dass alles gesund & ruhig bleibt, dann seht Ihr Euch s. G. w. im Sommer wieder. Frau Wertheim kommt wahrscheinlich zur selben Zeit. Übrigens um auf meinen Weltschmerz noch einmal zurückzukommen; hier bei uns geht alles seinen gewohnten Weg & ist auch alles in Ordnung. Und Sorgen Deinetwegen mache ich mir eigentlich insofern nur wegen der immer wieder auftretenden Unruhen. Sonst bin ich davon überzeugt, dass es Dir gut geht & Du gut untergebracht bist. Frau Mendel wird Dir ja von uns erzählen können; eine Tafel Schoko habe ich ihr auch für Dich mitgegeben. So bekommst Du wenigstens etwas zu Deinem Geburtstag. Habe ich schon einen grossen Sohn, bald 17 Jahre & der zweite Geburtstag schon in Erez. Bekommt Ihr dort immer noch etwas geschenkt, im vorigen Jahr bekamst Du so nette Kleinigkeiten. Uns haben die Mazzen heute sehr gut geschmeckt, hoffentlich habt auch Ihr schöne Jonteftage. Für uns fallen die Tage sehr günstig, besonders für Vater, da sie mit Ostern zusammen fallen. Da kann er fast die ganzen Tage zu Hause sein. Nun Schluss mein lb. Junge, der Brief muss noch an der Stadthalle in den Kasten, sonst geht er nicht mehr mit. Viel gute Wünsche für Dein II. Jahr (wir haben einen ganzen Hefter voll Deiner Briefe & fangen mit Deinem 2. Jahr auch eine neue Mappe an) & viel herzliche Küsse Deiner
Mutter