Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 23. März 1937

1 Antwortschein

Krefeld, Dienstag, den 23.3.37.

Mein lb. Ernst!

Wo ist eigentlich die Zeit geblieben. Gestern war es schon 1 Jahr, dass Du fort bist. Um diese Zeit warst Du in München & hattest noch viel Schönes erlebt. Von Frau Kaufmann hatten wir gestern einen langen Brief aus Jerusalem. Am 24. ds. also morgen reist sie wieder ab & wird uns bald alles erzählen können. Sie äussert sich recht zufrieden über Euch & schreibt, sie fahre viel beruhigter wieder ab, als sie hingefahren sei. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen & beruhigt mich ausserordentlich. Sie findet Dich gut aussehend & grösser geworden. Hoffentlich auch stärker! Der nächste Besuch wird jetzt Frau Mendel sein. Dienstag nach Ostern wollen wir nochmals nach Essen, ich habe dort angefragt, ob es ihnen auskommt.

Nachher schicke ich 10,- an Dich ab, die für Deinen Geburtstag bestimmt sind. Wenn Du in die Stadt kommst, kaufe Dir etwas sehr Schönes dafür, was Du gerade gebrauchen kannst oder haben möchtest. Wir können Dir ja leider nichts schicken, auch kennen wir Deine Wünsche nicht. Gerade kommt ein Brief vom Reisebüro Waldbaum. Vater muss jetzt schon anfangen, sich um seine Papiere zu bemühen & am Reisekreditbrief. Da ich im Herbst bei Spiro geholfen habe, wird es möglich sein, dass alles klappt. Halt mal den Daumen; ich würde mich ja so freuen, „auch” wenn ich zu Hause bleiben muss. Das Jahr drauf s. G. w. komme dann ich. Vielleicht gewinnen

wir bis dahin das grosse Los. - Wir sprachen auch Rosbergs selbst. Fritz hat gestern seine Stelle angetreten, aber die Sache hat mal wieder einen Haken. Vorerst 4 Wochen auf Probe & wenn er die nicht besteht, ist er genau soweit als vorher. Frau R. sieht selbst sehr schwarz.

Karfreitag, 26/III.37. Erew Pessach!

Mein lieber Junge! Wir kommen soeben (6 h Nachm.) aus Essen zurück, wo wir Frau Mendel besucht haben. Sie schrieb, wir möchten schon heute kommen, da sie am Mittwoch abfährt & am Dienstag noch so manches zu besorgen hätte. Da heute früh - nachdem gestern das schönste Frühlingswetter war - plötzlich wieder Schneewetter eingetreten war, sind wir lieber mit der Eisenbahn nach Essen gefahren & bin ich froh, daß wir es so gemacht haben; es war den ganzen Tag bis eben Schneetreiben & ein ekelhafter Matsch. - Bevor Jontef beginnt, will ich Dir Deinen Brief noch fertig machen, damit er morgen abgehen kann. Wir gehen heute Abend ausnahmsweise nicht zur Synagoge, ich war froh, eben die Schuhe ausziehen zu können. Wir holen morgen alles nach. Die Frauen freuen sich auch, dann sind sie doch eher mit ihrer Küche fertig als wenn ich erst um 8 h aus der Synagoge komme & dann noch gegessen werden muß. - Nun kam heute noch Dein lieber Brief v. 16.-20. ds. & hat uns viel Freude gemacht. Wir haben ihn mit nach Essen genommen & Frau Mendel Deine Mitteilung über weitere Besserung in Manfreds Befinden mitteilen können, worüber sie sich natürlich gefreut hat. Ich habe bei dieser Gelegenheit auch Manfreds Schwester, Ruth, kennengelernt,

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ein ganz reizendes Mädel; jedenfalls kommt sie zu Euch noch in die Gruppe. Frau Mendel sagt, sie ginge erst mit Manfred auf ein paar Wochen nach Moza, auch sie wollen sich erst erholen; ihr Mann bleibt solange bei Euch in K.A. - Ich habe Frau Mendel auch die Novellen von Jacobsen (darin Schuß im Nebel, Mogens etc) mitgegeben; ein handcoloriertes Büchelchen mit der ersten Novelle allein habe ich heute in der Eile nicht gefunden, kann sein, daß ein solches da ist; aber auch dieser Novellenband war „links hinten”. Auch ein paar Stiche für Dich mit Ansichten von Erez (Du kannst evtl. auch an andre davon als Zimmerschmuck abgeben!), sowie 3 Stiche von Frankfurt für Deine Chawerah (wer ist das?) habe ich Frau Mendel gegeben. Die Kletterweste ist schon mit ihrem Gepäck unterwegs. Wenn Du, oder Deine Chewerim etc., noch Stiche irgendwelcher Orte haben willst, schreibe mir. Es sind Stiche da von fast allen Gauen Deutschlands, von vielen deutschen Städten, auch z. T. aus England, Rußland, Polen, Italien, U.S.A., Wien, Tschechoslowakei; auf einige Stiche mehr oder minder kommt es nämlich gar nicht an, da ich sie doch sowieso nicht einzeln verwerten kann & viele en bloc abgeben muß. Es macht also gar nichts aus, wenn sich Deine Chawerim evtl. Bilder ihrer Heimatstädte wünschen & ich sie habe, dann will ich sie Euch gerne stiften. Ihr müßt dann nur selber zusehen, daß Ihr sie hinter Glas & Rahmen bekommt.

Ich muß nun leider schließen. Es geht auf Jontef zu. Morgen schreibe ich wohl weiter. - In Gedanken wünsche ich Dir „Gut Jontef” & in Gedanken „bensche” ich Dich. Also viele Küsse, mein lieber Bub! - Dein Vater.

Samstag-Abend, 27/III.37.

Mein lieber Junge! Nachdem nun Schabbat zu Ende & damit auch der 1. Tag Peßach kann ich weitergehen. Ihr feiert wohl nur heute den 1. & nächste Woche Freitag den 7. Tag? Heute frühh war ich zur Synagoge, - wie üblich. Ich sprach auch Lore nach langer Zeit wieder; morgen nach dem Gottesdienst will sie mit zu uns kommen.

Das versprochene Bild hätte sie Dir noch nicht geschickt, da sie sehr lange drauf warten mußte, aber jetzt bekommst Du es erst, wenn Du ihr erst schreibst; Du hättest ihr schon 3 Monate lang nicht geschrieben, also schreib ihr bitte eine Karte. Lore sieht gut aus & ist wie immer; gewachsen ist sie kaum in dem 1. Jahr! Jedenfalls kommt sie wegen ihrer glänzenden Resultate von der Schule.

Heute vor 1 Jahr ging Dein Schiff ab Triest! Die Zeit fliegt & bald fahre ich ab Marseille. Man fährt jetzt allgemein über Marseille, man hat keine Durchreise durch Österreich nötig, über die Schweiz - Italien ist es zu teuer & man fährt auch meistens ebenso ab Marseille & es ist auch auf dem Dampfer noch um 4 Mk billiger, & vor allem die Reise nach M. ist viel billiger als nach Triest, da die französische & belgische Eisenbahn 60 % Rabatt gibt & wir sind ja ganz nahe an der Grenze, hinter Aachen beginnt ja gleich Belgien. Ich habe gestern bereits die erste Teilzahlung für den Creditbrief bezahlt, - hoffentlich bekomme ich genügend, daß es 4 Wochen langt. Ich habe mir nun für die 1. Hälfte Juli eine Schiffskarte bestellt; eher kann ich ja nicht abkommen & wenn ich dann so um den 10. August wieder hier bin, genügt es; ich bin dann rechtzeitig zur Arbeit wieder hier. Ich habe mir auch schon eine Knickerbocker & eine Leinenjacke gekauft; es wird also Ernst! Schreib bittet mal, was ich eventuell für mich noch an Bekleidung besorgen soll! Soll ich eine alte Hose mitnehmen, wenn ich mal mit Euch zum Garten gehe? Was für Schuhe? Du kannst mir ja evtl. mit schweren Schuhen aushelfen? Soll ich mir auch eine kurze Leinenhose besorgen? Ich glaube nicht, daß das nötig ist? Auf alle Fälle erwarte Deinen Rat.

Du schreibst, „Alma käme am 1. Juni”. Das glaube ich nicht, denn wahrscheinlich fährt sie mit mir. Bis jetzt hat sie ihren Antrag noch nicht einmal gestellt, sondern will ihn erst nach Ostern stellen. Möglich ist, daß sie vor mir fährt, ihrer Ferien wegen, aber ich glaube es nicht. Hat sie denn geschrieben, sie käme am 1. Juni? Sie ist nicht hier, sondern über Ostern nach Frankfurt.