Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 3. April 1937

Krefeld, 3.4.37. Samstag-Abend.

Mein lieber Junge!

Auch ich freue mich über Deine guten Nachrichten & kann soweit Gutes von uns berichten. Besondres ist nicht zu melden; es geht wie immer. Hoffentlich habt Ihr besseres Peßachwetter gehabt als wir, bei uns wars kalt & regnerisch. Auch heute Abend. Deine Mutter wollte mich eigentlich heute Abend zum Kino einladen, ich aber habe keine Lust bei dem Regen durch die Stadt zu laufen; ich mache lieber den Brief an Dich fertig & bringe ihn um 10 h zur Stadthalle, damit er am Montag 9 h ab München geht.

Oben I. Etage hackt jemand auf dem „Peano”, wie „Schorschi Hacker” sagt! Die Familie hat das Klavier von Frau Alma gekauft & da erleben wir jeden Tag etwas! Ich kann Dir sagen -! Wäre ich s. Z. zu Hause gewesen, wäre es bestimmt nicht passiert. Gut spielen können die Leutchen nicht, aber wenigstens mit viel Geräusch! - Deine Freundin Lore war letzten Sonntag Nachm. zum Kaffee bei uns & heute i. d. Synagoge hat sie sich erkundigt, wann sie Dir schreiben müßte, damit Du die Post zum 25/4. erhältst. Sie denkt also doch noch an Dich. Von Kurt Bruckmann, den ich neulich sprach, soll ich Dich grüßen; auch von Frau Geisler. Alle Welt fragt nach Dir. - Gestern war ich auf der Durchreise bei Kaufmanns in Gerresheim. Frau Kfm ist wohl jetzt auf der Reise von Triest nach Hause. Ich bin natürlich gespannt, sie zu sprechen; der erste Mensch, der Euch besucht hat & den wir sprechen. -

An Lore kannst ja mal wieder eine Karte schreiben. Du schriebst neulich, die Karten würden alle bei Dir herumliegen; heb sie bitte für mich auf! Auch einige Scheine; vielleicht brauchst Du sie nicht alle abgeben. - Von Onkel Richard kam heute auch Brief; er hat auch vor, umzusiedeln, aber er sagt noch nichts Genaues. - Das Negativ muß doch wohl im Brief gewesen sein, hier ist es nicht mehr & die l. Mutter meint bestimmt es Dir gesandt zu haben. Hoffentlich bringt auch Frau Kfm schöne Bilder mit. Ich wollte, ich hätte auch einen guten Apparat. Für drüben kann ich ja Deinen haben, aber für die Reise. Soll ich Filme mitbringen? Wieviele? - Heute legen wir Dir mal wieder eine Karte bei.

Morgen habe ich wieder Arbeit. Ich fahre mit Kaufmann von der alten [..] (K.K.L.-Kommissar, Nachfolger von Herrn Berg) nach Hüls,

für den KKL. - Hoffentlich klappt es, daß wir nicht wie arme Schlucker wieder heimfahren müssen. Viel Gebelust haben die Leute alle nicht. - Heute war Gefallenen-Ehrung im Gottesdienst. Dr. Bl. hat gepredigt; ziemlich durcheinander, wie immer. Unter anderem sprach er auch von „den Knaben, die als Pioniere im „heiligen Lande” (Erez sagt er nicht!) den Mist in Sandsäcken den Felsen hinauftragen”. Der Arthur ist ein ganz großer Zionist! - Auch ich hoffe, daß endlich aus Eurer Fahrt was geworden ist & daß Ihr viel gesehen habt. Auf den Bericht bin ich gespannt. - Auch auf näheren Bericht über Eure Feier. Wie geht es Manfred? In Deinem Brief erwähnst Du gar nichts davon! -

Wie ist das eigentlich, wenn ich bei Dir bin? Kann ich eigentlich in K.A. länger bleiben, wohne, schlafen, essen? Frau Alma hat deshalb natürlich schon längst bei Ilse angefragt & erzählt, daß Ilse geschrieben hätte, für Schlafgelegenheit für sie sei schon gesorgt; es sei „einstimmig beschlossen” woden, daß sie in K.A. bliebe. Ich bitte Dich deshalb, daß auch Du Dich mal umsiehst. Wenn ich, wie Frau Kfm, dauernd in Jerusalem in einer Pension wohnen & essen müßte, käme ich mit meinem Creditbrief, den ich hoffentlich erhalte, nicht weit; denn Frau Kfm hat ja nur 10 Mk bekommen & mehr bekomme ich bestimmt auch nicht. - Also, bitte um Deinen Bescheid.

Auf Eure Kühe bin ich gespannt. Sind es Holländische oder habt Ihr auch Deutsche? Wenn ich dort bin, werde ich wohl auch in den Kuhstall gehen & helfen - den Kühen die Schwänze auszuwaschen! Ich will mich dann natürlich nicht dauernd auf die faule Haut legen & auch mal mit Euch ein bißchen arbeiten. Ich habe schon riesig Sehnsucht danach - noch mehr natürlich nach dir, mein lieber Junge! - Nun genug für heute!

Laß Dich umarmen & [..] & viele Küsse
Dein Vater.

Lieber Pips, noch einem Gruss von mir. Vater lässt noch fragen, wie die Mazzenklöse geschmeckt hätten. Dann hat er Deinen Freund Funke gesehen & hätte er ihn beinahe gegrüsst. Nochmals viel Küsse Deiner Mutter.

Wenn Vater bei Euch schlafen könnte, wäre viel Geld gespart. Geht das wohl?