Erna Loewy an Sohn Ernst, 10. April 1937

Krefeld 10/4.37. Freitag.

Lieber Ernst.

Bei Eintreffen dieser Zeilen, wirst Du wohl von Eurem Ausflug in's Emektal zurücksein, und Du Dich von den Anstrengungen der Reise, wieder erholt haben. Hoffentlich hat alles geklappt, hast viel Freude gehabt, und recht viel von Erez gesehen.

Nun mein l. Junge, zu Deinem bevorstehenden Geburtstage, gratuliere recht herzlich, und wünsche Dir alles Gute für Deine Zukunft. Möge der Allgütige, auch fernerhin seine schützende Hand über Dich halten, wie er es bis heran getan hat. Feiere recht vergnügt & sei herzlichst gegrüßt und tausendmal geküßt von
Deinem Großvater

Mein lb. Junge!

Heute kam Dein lb. Brief vom 30.3.-3.4. & danke ich Dir herzlichst dafür. Ganz besonders für Deine guten Wünsche zu meinem Geburtstag nebst den Kornblumen, die mir viel Freude machen. Besonders feiern werde ich dieses Jahr kaum, denn Vater ist dann wieder auf Tour & sollte jemand kommen, gibt es eine Tasse Kaffee. Ich habe mir noch nicht mal einen Kuchen gebacken, weil ich keine Lust hatte. Wofür auch! Meine Geschenke kann ich Dir auch schon verraten, von Pips einen Regenmantel, von den Grosseltern ebenso praktische Dinge wir Strümpfe & einen seid. Rock. Für unnütze Dinge ist das Geld zu schade & zu knapp. Und wenn man mal 45 Jahre geworden ist, hat man an überflüssigem Kram so keine Freude mehr, zumal in

der heutigen Zeit. Und nun kann ich Deine Wünsche gleich erwidern & tue das hiermit aufs Herzlichste. Zu Deinem Geburtstag alles, alles Gute, mein Lieber. Bleibe weiter so gesund & brav, dann machst Du uns sehr viel Freude. Mögen Deine weiteren Wege so glücklich verlaufen als das erste Jahr. Der lb. Gtt. hat Dir bis hierher geholfen, er wird Dir auch weiter helfen. Unsere Geschenke wirst Du durch Frau Mendel erhalten, hoffentlich hast Du es zeitig. Passt die Weste & gefällt sie Dir? Wenn Ihr Montag auf Fahrt gegangen seid, habt Ihr schonbald eine Woche herum. Hoffentlich ist alles nach Eurem Wunsch verlaufen & habt viel erlebt. Wenn wir auch 14 Tage nur mal Karten von Dir bekommen, macht das nichts, umso mehr wirst Du uns dann später zu erzählen haben. Ich freue mich schon jetzt! Auf jeden Fall finde ich es wundervoll, dass man Euch diese Fahrt ermöglicht & auch das Geld finde ich nicht wenig. Es wird doch gut für Euch gesorgt & das zu hören beruhigt mich immer wieder. Was hättest Du dagegen hier? Vielleicht hocktest Du in irgend einer Fabrik & wärst noch das blasse Jüngelchen von damals mit den hundert eingebildeten Krankheiten. Ich glaube, Dr. Fette hat in allen Dingen recht behalten, wenn er auch damals sehr grob zu Dir war. Euer einj. Dortsein ist ja wohl ein Ereignis, dass man soviel Aufhebens davon macht. Auch darüber zu hören bin ich gespannt. Vaters Reise ist allerdings eingeleitet, aber ich bitte Dich immer wieder, nicht früher daran zu gleuben, bis er wirklich abgefahren ist. Ich möchte Dich vor event. Ent-

II

täuschungen schonen, es kann immer noch etwas dazwischen kommen. Sei also vernünftig & setze Dir keine Zeit fest, einmal kommt wer, wann bleibt die Frage. Ob Frau Wertheim zu gleicher Zeit kommt, ist noch nicht bestimmt, ich glaube aber ja, da es für sie angenehmer ist als alleine zu fahren. Dass Vater sich aber drüben an sie stört, ist ganz ausgeschlossen, denn unser Verhältnis zueinander hat auch schon lange einen Riss bekommen & wir sehen sie lieber nicht als wohl. Hätte ich sie früher so gekannt wie heute, wäre sie nie bei uns eingezogen. Aber davon kann Vater Dir mal erzählen, auf jeden Fall habe ich mal wieder feststellen müssen, dass die meisten Menschen falsch sind. Vater hat auch garnicht die Absicht in Jerusalem zu wohnen, wenn er die Möglichkeit hat, bei Euch wohnen zu können. Er redet jetzt immer schon davon, dass er erst mit Dir Fahrten machen will & dann mit Dir arbeiten geht. „Den Kühen die Schwänze abwaschen” immer noch sein Steckenpferdchen. In diesem Punkt kannst Du also ganz beruhigt sein, wenn Pips kommt, hast Du ihn ganz für Dich alleine. Zufrieden?! Nebenbei bemerkt finde ich das auch sehr verständlich. - Tonio Kröger besitzen wir doch selbst, das Buch bekommst Du bestimmt & allmählich gib uns mal Deine Wünsche bekannt. Was fehlt Dir, Strümpfe, Taschentücher, Unterwäsche, Hemden. Du musst es uns doch nun bald schreiben, damit ich es nach & nach kaufen kann. Übrigens haben wir beim Reinemachen eine weisse Leinenjoppe gefunden, die Dir passen dürfte. Die schicke ich Dir mit, sie ist glaube ich von Onkel Karl, als er aus Amerika kam.

Wenn wir die Negative erhalten, senden wir sie sofort zurück. Das verloren Geglaubte hat sich auch wieder gefunden, es lag in einem Briefumschlag im Schreibtisch. Anbei dasselbe zurück. Und sonst gibt es wenig zu berichten. Eben traf ich Frau Geissler, die Dich grüssen lässt & dann soll ich Dir viel Glück zu Deinem Geburtstag wünschen von der alten Frau Bann. Ich habe sie dieser Tage besucht, sie ist in einem Stift & fühlt sich dort sehr wohl. Ihr erstes ist immer, wie geht es Ernske?

Tante Tini sandte uns beifolgenden Zeitungsausschnitt & schreibt dazu, es würde sie riesig freuen, wenn Du einmal das Ehepaar Grünfeld besuchen würdest. Ich muss nun aufhören, damit der Brief nicht zu schwer wird, Vater will doch auch noch schreiben. Hoffentlich kommt er nicht zu spät heim. Nochmals viel Glück, mache Dir einen vergnügten Tag, im Geiste sind wir immer bei Dir. Tausend Grüsse & Küsse Deiner Dichl. Mutter.

Ne, Ne, wat et net all jitt! Liebes Ernstelein. Während ich hier nun an ein paar passende Worte herumdruckse, reisest Du fern, fern von uns durch fremde Lande. Ich müßte Dir nun was schönes schreiben, aber es will mir nichts aus der Feder. So nimm denn zu Deinem Geburtstage herzlichste Gratulation u. alle guten Wünsche. Möge der l. Gott Dich auch weiter behüten. Unser Geschenk wirst Du wohl erhalten haben. Hoffentlich kommst Du gesund u. befriedigt von der Reise zurück.

Feiere Deinen Geburtstag recht vergnügt, in Gedanken bin ich mit dabei, nimm viele Grüße, u. sei geküßt
von Deiner Dich liebenden
Großmutter.