Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 23. April 1937

Krefeld, Freitag den 23.4.37

Mein lb. Ernst!

Mit Deinen beiden Karten vom 10 & 15. ds. die zusammen am Mittwoch ankamen, haben wir uns sehr gefreut & danken Dir dafür. Ich konnte die Reise sehr schön auf der Landkarte verfolgen, Ihr habt ja ein schönes Stück Erez gesehen. Hoffentlich war auch das Wetter gut & seid zufrieden nach Hause gekommen. Nun sind wir in Erwartung Deiner ausführlichen Berichte. Du hast sicher eine Menge Post bei Deiner Rückkehr vorgefunden & musst Dich wohl langsam mit den Antworten durcharbeiten. Hast Du Frau Mendel schon gesprochen & unsere Sachen erhalten?

Auch heute weiss ich Dir wenig zu erzählen. Sobald Deine Briefe wieder regelmässig kommen, gibt es mehr zu beantworten & dann fallen unsere Schreiben auch wieder länger aus. Wir erleben hier nichts Neues, was wichtig genug wäre Dir mitzuteilen, ein Tag ist wie der andere. Unser Garten ist dieses Jahr wunderschön in Ordnung gemacht, aber es regnet ununterbrochen & haben wir bis heute noch nichts davon gehabt. Eben kommt Vater, drum Schluss bis morgen.

Samstag morgen! Gestern bin ich nicht mehr dazu gekommen, weiter zu schreiben. Erst musste Vater Abendbrot haben, dann alles erzählen, was sich in der Woche draussen zugetragen hat & schliesslich kam noch Kurt Seligmann, der seit Weihnachten

nicht mehr in Krefeld war. Ich freue mich immer, wenn er kommt, er ist ein ganz drolliger Kerl, über den man immer lachen muss. Ich hatte Vater gestern nicht vor 11 Uhr abends erwartet, da er mittags noch in Bielefeld war & war sehr erstaunt & ebenso erfreut, als das Auto schon mit ihm vor 7 Uhr anrollte. Du siehst, bei uns hat sich garnichts geändert, es läuft noch alles so wie früher, nur, wir sind wieder 1 Jahr älter geworden. Morgen wirst auch Du schon 17 Jahre, ob man Dir wieder was zum Geburtstag schenkt? Im vorigen Jahr hattest Du allerlei auf Deinem Schemel stehen, schade, dass ich Dir nichts heimlich dahinstellen kann. Aber soweit reichen meine Arme nicht, wohl meine Gedanken, die immer & morgen besonders bei Dir sind. Als Du geboren bist, war auch ein Sonntag. Vater ist eben weg & gibt unterwegs 10,- Mk an Dich auf.

Samstag Abend. - Mein lieber Junge! Ich will Dir schnell einige Zeilen schreiben, dann kann der Brief heute Abend noch fort & Montag ab München. Wie Du siehst, bin ich zu Hause, es geht mir gut & sitze ich den ganzen Nachmittag gewohnheitsmäßig am Schreibtisch, um meinen Kram aufzuarbeiten. Zwischendurch war mal Kurt mit seinem Freund Porpet hier & haben die Beiden in den Stichen gewühlt. Kurt hat sich sogar einige ausgesucht.

Notabene: Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß Dein einstiger Lehrer Schlitt gestorben ist. Kurt zeigte mir von ihm eine kleine Aufnahme, wo er im Biologiesaal neben dem Skelett steht (dies in stolzer Pose), - auch eine spleenige Idee sich mit einem Skelett fotografieren zu lassen!

II

Besonderes habe ich Dir nicht mitzuteilen, da ich hier ja nirgends hin komme. Doch - Inge Friedberg sprach ich letzten Sonntag bei Lindenbaums. Es geht ihr gut. In London hat auch sie gelernt, sich die Lippen rot zu streichen; da hätte sie ja I a nach K.A. gepaßt! Oder lernen das Eure Mädels jetzt auch?

Heute war ich nochmals bei Waldbaums; also, wenn alles klappt, fahre ich am 6. Juli mit der „Champollion” ab Marseille, Haifa an am 13/6., ab 4./8. ab Haifa! wieder mit demselben Schiff.

Zu Pfingsten fahre ich evtl. nochmals nach Kronach; mit D-Zug. Onkel Karl kann mir dann für die dortigen Touren sein Auto leihen. Ich bleibe ja nur ein paar Tage, da ich keine Zeit habe.

Dein Brief fehlt mir sehr. Hoffentlich kommt er nur im Laufe dieser Woche mit langem Bericht.

Vetter Paul Levy hat in Johannesburg auch eine Stelle, & zwar bei einem Photographen als Laborant.

Herbert Meyer (aus Mörs) ist in Rhodesien in einem Kuli-Laden, mitten unter lauter Wilden. -

Nun Schluß. Demnächst mehr!

Viel Küsse & [..]![..]! Dein Vater.

Zum dritten Mal fange ich nun an, aber, nur um noch schnell viel gute Wünsche beizufügen. Und tausend Küsse
Deiner Mutter.