Erna Loewy an Sohn Ernst, 7. Mai 1937

Freitag, den 7. Mai 37.

Mein lb. Ernst!

Heute war meine Freude ganz besonders gross beim Empfang Deines lb. Briefes vom 27.4. bis 1.5. Er enthält soviel nette Dinge, die uns sehr froh machen & beglücken. Fritz muss doch ein feiner Mensch sein & Euch sehr lieb haben, dass er so viel für Euch tut. Ich kann mir lebhaft denken, wie Ihr den Tag in Jerusalem geschwelgt habt mit guten Dingen & lieben Menschen. Es ist für uns sehr beruhigend, dass Du schon solch netten Anschluss hast & kann es für Dich nur von Vorteil sein. Auch ist es wunderschön, dass Dich Grünfelders so gut aufgenommen haben, alle diese Menschen können Dir einmal eine grosse Stütze sein. Und dass das alles mit Deinem Geburtstag zusammenfiel, war besonders schön. Du nennst jetzt öfters den Namen Edith Stein, ist das Deine Freundin? Die alten Briefe brauchst Du uns nicht mehr zu beantworten, nur Vaters Fragen betreffs der Reise & was Du eigentlich mitgebracht haben willst. Es wird jetzt langsam Zeit, denn bis Dein Brief mal wieder hier ist, dauert ja auch wieder eine Weile. Fehlen Strümpfe, Wäsche, Unterzeug, irgend ein Kleidungsstück, Decken oder dergleichen? Ausser Büchern hast Du bis jetzt noch keinen Wunsch geäussert. Ich kann mir denken, dass Dir Hausdienst keinen besonderen Spass macht, aber es schadet garnichts, wenn auch ein Junge alles

lernt & kann. Man weiss nie, wie man es einmal im Leben nötig hat & sich dann helfen kann. Vater kann ja auch überall anfassen, aber wie schrecklich ist es, wenn man sich so garnicht helfen kann wie Grossvater. Mit seinen 72 Jahren hat er das ja auch nicht mehr nötig, aber früher wäre das für ihn auch besser gewesen. Bis Du diesen Brief erhältst, hast Du schon die Hälfte dieser Zeit herum & was wirst Du dann anfangen? Ich wünschte Dir mal was anderes als immer der Gemüsegarten, wenn es auch bestimmt nichts geschadet hat, dass Du dort ein ganzes Jahr gearbeitet hast. So kannst Du alles bestimmt gründlich & das ist immer das Beste. Etwas Halbes ist nie gut. Am Sonntag kommen Kaufmanns, der erste Augenzeugenbericht, den wir von Euch bekommen. Auf das Urteil von Frau Kaufmann bin ich sehr neugierig. Höchstwahrscheinlich fährt Vater am Donnerstag nach Bayern & ist über Pfingsten in Kronach. Für mich sehr langweilig, aber das Geschäftliche geht vor. Die Zeit werde ich auch schon herumkriegen, hoffentlich bekommen wir nur endlich einmal besseres Wetter. Der Garten ist so schön, aber durch den ewigen Regen haben wir nichts davon. Ein Herzchen aus unserm Garten lege ich bei für unser Herzchen. Vater ist eben zurückgekommen & muss an den Schreibtisch & will ich für jetzt schliessen. Tausend gute Wünsche & ebensoviel Küsse Deiner Mutter.