Erna Loewy an Sohn Ernst, 15. Mai 1937

15.5. Samstag.

Mein lb. Kind! bevor der Brief abgeht, will ich noch viele Grüsse mitsenden. Von Vater hatte ich gestern schon eine Karte ab Lichtenfels, wo er eine halbe Stunde Aufenthalt hatte; & die bei Regensburger Weisswürsten verbrachte. Er schreibt ganz unglücklich, dass der Tag kein Ende nähme & nichts langweiliger wäre als Bahnfahrten. Ich bin aber sehr froh, dass er nicht mit dem Auto unterwegs ist & einmal gefahren wird. Er wollte mich unbedingt mitnehmen, natürlich mit dem Wagen, aber für die 6 Tage, die er nur Zeit hat, habe ich gestreikt. Das wäre eine schöne Anstrengung geworden. Frau Just. Rat Kaufmann, die ich gestern sprach, lässt schön grüssen. Georg geht noch zur Schule, geht aber wahrscheinlich nach England. Sie erzählte mir u. a., dass Fritz Rosberg jetzt auch im Tennisklub sei, zum Gaudium des Publikums. Er wird dort genau so herumgestossen als auf der Schule. Ich kann mir das vorstellen, der Tölpel mit einem Tennisschläger, dass man da lachen muss, so traurig es ist. Besondere Neuigkeiten gibt es keine. Anbei einen Antwortschein. Wenn es geht, gibt sie dem Pips. Vielleicht fährt Grossmutter nächste Woche nach Holland. Die Ruhe dort wird ihr einmal gut tun. Ich wollte nur, sie wäre schon weg, soviel Umstände macht sie davon. Nun genug für heute, von Vater hörst Du wahrscheinlich aus Kronach.

Innige Wünsche & Küsse Deiner
Mutter

II

ganze Reise erzählt & gute Ratschläge für die Fahrt erteilt. Alles in allem hat es ihr sehr gut gefallen & von Euch wusste sie auch nur Gutes, sodass meine letzten Bedenken und auch restlos verschwunden sind. Sie erzählte, Du wärst der geborene Pädagoge & ob Du nicht Lust hättest, Lehrer zu werden, das Zeug hättest Du dazu. Zudem wären Lehrer so gesucht. Wie stehst Du dazu, hättest Du Lust zu solchem Beruf & wieder anzufangen, zu lernen? Es ist in jeder Beziehung gut, wenn Du Dich einmal mit Pips über all diese Fragen persönlich aussprechen kannst. Was Du Dir gewünscht hast, wird Vater natürlich mitbringen, ob das mit den Büchern geht, müssen wir uns erkundigen. Frau Mendel hat Euch hier schon eingeladen, ausserdem Speiers & noch so verschiedene Leute. Euch wird die Zeit schon nicht lange werden. Mit Frau Wertheim wird Vater schon fertig, er sieht sie nämlich lieber von hinten als von vorne & denkt garnicht daran, sich drüben an sie zu stören. Also keine Sorge! Du schriebst einmal, wir würden von Merseburg aus Negative erhalten. Bis heute haben wir noch nichts davon gesehen. Es wäre schade um jedes Bild, was wir nicht erhielten; darauf sind wir nämlich besonders scharf. Nun will ich noch an den Pips nach Kronach schreiben, dann Schluss. Tausend gute Wünsche & innige Küsse
Deiner Mutter.

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