Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 23. Mai 1937

Krefeld, den 23. Mai 37.

Mein lieber Junge! Du wunderst Dich, dass Du von mir einen mit der Maschine geschriebenen Brief erhältst, aber das wird von jetzt ab wohl meistens der Fall sein, denn ich habe mir eine Maschine angeschafft - gebraucht von Paul Levy -, die Briefe werden zwar etwas unpersönlicher aussehen, aber dafür kannst Du sie besser lesen. - - - Leider erwarten wir seit Freitag Brief von Dir, diesmal ist der sonst so pünktliche Brief ausgeblieben, auch bis jetzt am Sonntag früh ist er noch nicht da. Der Briefträger muss allerdings noch kommen, bringt er auch heute nichts geht der Brief doch weg, denn dadurch sollst nicht auch Du noch benachteiligt werden. Soeben hat es geschellt, wir rannten alle nach der Türe - - aber: „Sie sind es nur!” sagt Mutter zu Max Meyer. Na, hoffentlich werden in unsrer Erwartung nicht enttäuscht. (Von Ilse ist auch noch nichts da.)

Von uns selber: Wir Du weisst, war ich die Pfingsttage in Helmbrechts und Kronach. Leider war die Zeit nur sehr kurz, da ich hier am Donnerstag weggefahren bin, direkt mit der Bahn bis Münchberg, Onkel Karl holte mich dort mit seinem Opel ab, am Freitag fuhren wir nach Marktleugast, am Samstag und Sonntag Vormittag war ich in Helmbrechts, Sonntag Mittag fuhren wir mit dem Opel - Onkel Karl, Tante Margaret und Selma - nach Kronach, wo wir mit vieler Freude empfangen wurden. Montag war ich dann in Kronach, Dienstag fuhr ich schon wieder nach Hause, wo mich die liebe Mutter mit Fritz Seligmann und Frau am Bahnhof abholte. Fritz war mit Frau und Werner mit dem Motorrad mit Beiwagen hierhergekommen, seine Tochter Helga war schon ein paar Wochen hier und ist jetzt mit den Eltern wieder nach Osnab. gefahren. In Bayern war nicht viel los, bei Meisters wie immer. Georg war leider nicht da, obwohl er vorher geschrieben hatte, dass er da sei, aber er war für die letzte Woche weg, er musste einen Exportkursus mitmachen. In Kr. lernte ich Deinen Vetter Ernst aus Freiburg kennen, er ist ein lieber und hübscher Junge, der sich dort sehr gut erholt und eingewöhnt hat. Wenn später alles gut geht, wird er wohl auch mal bei Euch auftauschen. Von Ernst aus Steckelsdorf haben sie gute Berichte, er arbeitet genau wie Du meistens im Gemüsegarten. „Drüben ist er bei Schmitz!” sagt Mutter und meint den Briefträger. Wollen mal sehen! / - - Die Enttäuschung ist gross! Er hat nichts von Dir gebracht! Ich kann nur annehmen, dass Dein Brief wohl unterwegs ist, aber nicht mit Flugpost abgesandt wurde, sondern mit gewöhnlicher Post und dass wir ihn nun morgen endlich erhalten. Sollte aber auch das nicht der Fall sein, dann ist er eben einmal verloren gegangen. Das kommt zwar selten vor, das kann aber auch einmal passieren.

Von hier ist sonst nicht sehr viel zu berichten. Ich war nach meienr Rückkehr gleich wieder am Mittwoch bis Freitag unterwegs, am Mittwoch war ich in Kaldenkirchen, wohin mich die liebe Mutter begleitet hat. Freitag und Donnerstag die auch Dir wohlbekannte Tour nach Solingen - Remscheid - Wermelskirchen, hin über Burg, zurück über Müngsten. Das Geschäft ist nicht so, wie es sein sollte. Wir haben ja Pfingsten leider so früh gehabt, dass es für den Detailhandel nicht gut war, zumal die Tage vorher keine Sonne, sondern nur Regen war. Jetzt schein es endlich einmal Sommer werden zu wollen. Morgen fahre ich ins Sauerland, nach Arnsberg, Brilon usw. wohin ich Dich immer einmal mitnehmen wollte und woraus nie etwas geworden ist. Hoffentlich klappt das Geschäft die paar Wochen, die ich noch vor meiner Reise habe, einigermassen. - - Gestern war ich nochmal bei Waldbaum um mich wegen der Reise zu erkundigen, ob er schon was gehört hätte; er läuft, sagte er.

Deine Grossmutter ist seit Freitag nach Arnheim um von da dann nach Eindhoven zu fahren; sie will vielleicht 14 Tage bleiben. Ich bin neugierig, wie lange sie es aushält - oder wie lange er es aushält, bis er sie wieder zurückruft. Er tut dies ja nicht offiziell, aber er spricht so durch die Blume, dass sie dann doch zurückkommt. Gestern kam die erste Nachricht von ihr, sie schreibt, dass Hanny so ein netttes Mädel wär'.

Heute ist einmal wirklich schönes Wetter, wir wollten wohl gerne ein bisschen ins Freie fahren und hatten den alten Herrn aufgefordert, aber er bleibt lieber im Garten, mit dem Mann ist überhaupt nichts anzufangen. Ob wir nun allein fahren, weiss ich noch nicht. Im Garten ist es ja auch schön, der Flieder blüht sehr schön und alles steht wieder im wilden Wachstum.

Wie mag es jetzt bei Euch aussehen? Wenn ich zu Euch komme, was gibt es eigentlich um diese Zeit bei Euch für eine Ernte? Reifen da schon die Pflaumen oder die Trauben? Etwas Obst werdet Ihr ja wohl schon im Lande haben? - Wie ich auf alles begierig bin, kann ich Dir nicht sagen!

Gestern habe ich gehört, dass Willy Salomon in Jerusalem am Krankenhaus als Arzt sei. Vielleicht erkundigst Du Dich mal, wenn Du mal hinkommst.

Nun Schluss für heute! Wenn Dein Brief fehlt, dann fehlt auch die Anregung, denn hier geht alles im gewohnten Geleise, und ich selber komme ja auch mit niemand zusammen. Dr. Bluhm sprach ich gestern, er erkundigte sich nach Dir. Habe ich Dir eigentlich geschrieben, dass Herr Härig mich vorige Woche nach Dir gefragt hat, er möchte gelegentlich mal einen Brief von Dir lesen; ich solle Dich grüssen.

Also ich muss wieder an die Arbeit! Viele Küsse und ![..]
Dein Vater.

Herzlichste Grüße
Max Meyer.

Dieser Tage, nach Pfingsten!, kam erst Deine Karte, die Du in Chefzibah mit Frieda L. geschrieben hattest; sie war also 4 Wochen unterwegs!

Lieber Ernst!

Da ich auf einige Tage in der hiesigen Gegend geschäftlich zu tuen habe, bin ich „sonntagmorgendlicherweise” bei Deinen lb. Eltern zu Gast. Ich freue mich, gaß es Dir dort noch so gut gefällt, Du bist sozusagen der „Stammvater der gesamten Familie im heiligen Lande”. Hier ist auch alles soweit in Ordnung, Dein lb. Vater freut sich sehr auf seine Reise zu Dir. Lasse es Dir weiter verdammt gut gehen u. sei herzlichst gegrüsst von Deinem „beinahe” Vetter
Kurt.

Mein lb. Ernst!

Vater hat alle Neuigkeiten berichtet, deshalb von mir nur viel Grüsse & Küsse. Sobald Dein Brief kommt, den wir sehnsüchtig erwarten, schreibe ich sofort wieder. Hoffentlich ist das morgen schon. Was sagst Du zu Grossmutters Unternehmungsgeist? Nochmals tausend Küsse Deiner Mutter.

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