Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 18. Juni 1937

Freitag, den 18.6.37.

Mein lb. Ernst!

Wenn Du auch Deinen Brief vom 8, 9 & 10 ds. diesmal 2 Tage früher als sonst aufgegeben hast, kam er doch nicht früher als sonst hier an. Viel Dank, mein Junge. Deine Beschäftigung wird ja immer schöner, vom Müllmann zum Nachtwächter, das macht Dir hier keiner nach. Aber es schadet auch nichts, wenn man mal alles kennen lernt, umso besser kann man sich im Leben einmal helfen. Kochen lernst Du dann auch dabei, siehe Rühreier u.s.w., ich staune nur. Dafür hattest Du ja schon immer Interesse, & ich finde, dass Koch immer noch ein guter Beruf ist. Mit den Büchern wird es wohl klappen, sofern wir sie besitzen. Der Koffer, den ich eben mit Frau Nikola vom Speicher geholt habe, muss sogar schon spätestens am Montag aufgegeben werden, sonst ist er nicht frühzeitig am Schiff. Die Steppdecke hängt zum Lüften im Garten, ich habe nichts vergessen. Ich laufe seit 3 Tagen herum, Vaters Reiseangelegenheiten zu erledigen. Erst mussten wir 800,- Mk als Bürgschaft einzahlen, heute habe ich bis auf 100,- Mk bei Waldbaum alles bezahlen müssen. Morgen müssen wir nach Köln, das Visum (resp. 3 Stück) holen & dann sind wir unser kleines & grosses Geld los. Es kostet doch eine ganze Stange viel mehr als man meint. Es fehlt uns nur noch eine Bescheinigung vom Finanzamt, daran wird es wohl nicht scheitern. Du

siehst also, es wird bitterer Ernst & ich wünschte, Vater wäre erst auf der Fahrt. Man wird ungeduldig, wenns aufs Letzte angeht. Das ging mir mit Dir damals gerade so & hinterher kommt dann der Katzenjammer. Hoffentlich bleibt nur noch soviel übrig, dass ich nach München fahren & mir die Zeit nicht so lange wird.

Zufällig war ich gestern bei Dr. Ferbers. Mir war etwas ins Auge geflogen, was ich selbst nicht entfernen konnte & hat er es herausmachen müssen. Seine erste Frage war „wie geht es dem Jung!” Frau Bann, der ich Dein letztes Bildchen zeigte, wollte dasselbe mit aller Gewalt behalten & ich soll Dich ja grüssen. Eine wirklich treue Seele.

Salmiakpastillen u.s.w. hätte ich Dir ohne Aufforderung mit geschickt, ich kenne doch Deine schwachen Seiten. 2 wunderschöne Flanellhemden habe ich auch schon, die andern Sachen kaufe ich morgen, d. h. Seife etc. hat Onkel Emanuel schon besorgt, verdient der auch was an der Palästinarerise. Sind Deine Hosen schon alle, dass Du Dir eine kaufen musstest? Die beiden blauen Sammthosen & die Leinenhose, die Dir Herr Levy mitgebracht hat, sind die schon erledigt? 15 Piaster sind doch ungefähr 2,- Mk, hast Du dann dafür etwas Gutes bekommen? Nun halt mal alle Daumen, dass auch wirklich alles gut geht & sei für heute tausendmal gegrüsst & geküsst von Deiner
Mutter.

Gerade finde ich „Tonio Kröger”.

Sonntag fahren wir zu Kaufmanns nach Gerresheim & treffen dort Sterns aus Grevenbroich. Sie wollen beide natürlich ein Päckchen mitsenden, was Vater selbstverständlich auch gerne besorgt. Aus Fkft. hörten nichts mehr.