Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 3. Juli 1937
Krefeld, Samstag 3.7.37
Mein lb. Ernst!
Eigentlich sollte ich Dir böse sein, denn Dein lb. Brief vom 2.6.6 ist nur an Deinen Vater, ohne jeden Gruss an mich. Ein kleines bisschen war ich enttäuscht, aber ich kann es andrerseits wiederum so gut verstehen, dass Du nur immer ein & dasselbe denkst - Vater kommt! Mir ginge das wahrscheinlich gerade so & ich gönne Euch beiden von Herzen diese Freude: Alles, alles Gute & Schöne für Euer Zusammensein. Nur schade, dass ich nicht mit dabei sein kann, aber ich hoffe, meinen Kummer in München überwinden zu können. Ich fahre Dienstag früh hier ab, mit dem Zuge, den auch Du benutzt hast & willst Du mir bitte nach dort, bei Cohen Schubertstr. 2 schreiben. Auf Deinen Brief einzugehen, hat wohl wenig Sinn, mit Pips kannst Du alles besser mündlich verhandeln & er kann sich dann auch ein persönliches Urteil erlauben, ob Ihr alles richtig gemacht habt. Ich glaube, Vater kommt im günstigsten Augenblick. Er ist eben zur Bank für 10,- Devisen holen, damit er durch Frankreich etwas Geld hat & dann zu Waldbaum, seine ganzen Papiere in Empfang zu nehmen. Und dann kann es glücklich Montag losgehen. Eigentlich ist es gut, wenn er erst aus dem Hause ist, die ganze Angelegenheit war sehr aufregend & kostspielig, das hört dann wenigstens auf. Also nochmals, mein lb. Junge, viel, viel Vergnügen & behüte mir den alten Herrn gut. Er soll sich nicht zuviel zumuten & auch an seine Erholung denken. Vergesst mich nicht in
Eurer Freude & der lb. Gtt sei mit Euch.
Gerade kommt Vater, es ist alles in Ordnung, restlos. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Nochmals so viel Freude es nur für Euch geben kann, in Gedanken bin ich immer bei Euch. Tausend innige Küsse Deiner
Mutter Erna.
Ich weiss schon garnicht mehr, was ich schreibe, wir haben alle Reisefieber.
Mein lieber Junge! Dank für Deinen an mich gerichteten Brief, mit dem Du beinahe die ganze Familie beleidigt hast, denn an keinen einzigen andern hast Du einen Gruss gerichtet! Aber das konnte Dir ja schliesslich auch im Drang der Freude passieren. Dass Du nun aufgeregt bist, und die Zeit meiner Ankunft kaum mehr erwarten kannst, ist ja klar. Wie Du siehst, geht es mir ähnlich und ich habe es so eilig, dass ich mich dauern vertippe. Die liebe Mutter drängt, wir wollen noch ins Dorf und haben noch allerlei Besorgungen zu machen, es ist auch 5 Minten vor Toresschluss. Heute früh habe ich mir die Papiere nun alle geholt und habe ich nun endlich alles zusammen. Das war eine Arbeit!
Auf Deinen Brief viel zu antworten erspare ich mir. Es spricht sich das alles besser von Munde zu Munde. Ilse hat gestern auch einen Brief geschrieben, der über die Teilung spricht, sie wohne oben und es sei bei ihnen „wie in 'ner Familie”. Musst ihr aber nichts sagen, dass ich Dir das geschrieben habe.
Es ist vielleicht wirklich so am besten, wenn eine reinliche Scheidung stattfindet, als der ewige Krach. Trotzdem wäre es mir natürlich viel lieber gewesen, wenn bei Euch alles in Harmonie verlaufen wäre, wie es eigentlich der Zweck Eurer Chewrah ist. Aber wie gesagt, alles darüber mündlich.
Ich hoffe nun auf eine gute Fahrt und gute Landung. Wir werden uns in Haifa, so Gtt will, wiedersehen. Du musst am Hafen wohl etwas Geduld haben, bis wir herauskommen, denn Frau Kaufmann hat mir gesagt, ich möchte mich beim Zoll und den anderen Formalitäten nicht besonders drängeln, es käme jeder dran, man solle sich Ruhe und Zeit lassen und alles ohne Aufregung über sich ergehen lassen. Die Koffer kämen von alleine vom Schiff und es würde schon alles seinen Lauf nehmen. Für Dich also nochmal: Denke dran mir eventuell ein paar Sportstiefel mitbringen, ferner den Photoapparat, Filme bringe ich 6 Stck mit, dann Deine Aktentasche oder den Tornister, denn wir können doch nicht meinen Koffer mit auf Fahrt nehmen.
Also nun alles, alles Gute! Den Brief schicken wir, damit Du ihn noch bekommst ausnahmsweise per Luftpost. Lehithraoth beerez Israel!! Chasak!
Viele Küsse
Dein Vater.