Erna Loewy an Ehemann Richard und Sohn Ernst, 11. Juli 1937

Fall Ihr mir persönlich was zu schreiben habt, bitte auf einem Extrablatt, was ich nicht zeigen will.

München, Montag, den 11.7.37.

Meine beiden Liebsten!

Heute ist der Tag, an dem Ihr Euch bestimmt in den Armen halten werdet & bin ich im Geiste mit dabei. Welch eine Freude! Eure gemeinsame erste Nachricht erwarte ich mit Ungeduld, aber ich werde wohl darauf noch eine Woche warten müssen. Deinen lb. Brief vom 30/6-2/7., lb. Ernst, haben mir die Grosseltern nachgesandt, recht viel Dank. Ich finde, dass Du ziemlich lange Müllmann & Strassenkehrer bist, hat man keine bessere Beschäftigung für Dich, wobei man auch etwas lernt? Dass Ruhe in Eurer Gruppe ist, höre ich gerne, ich hasse alle Streitigkeiten. Sonst habe ich auf Deinen Brief nichts zu sagen & werde Euch nun etwas von mir & hier erzählen. Übrigens ist Kurt Seligmann gestern auch gekommen. Wenn ich geglaubt hatte, mich hier einmal gründlich erholen zu können, so ist das ein grosser Irrtum. Hier wird enorm viel gebummelt & war ich an Jahr & Tag nicht mehr so unsolide. Ein Tagesprogramm verläuft ungefähr so. Um 8 Uhr stehe ich auf, Frühstück, dann gehe ich bis 1 Uhr in die Stadt, Mittag essen, ½ Stunde Schlaf, dann setze ich mich auf irgend eine Bahn, fahre an die Isar oder sonstwo hin, um 6 Uhr wird zu Abend gegessen & dann beginnt erst der eigentliche Tag, Kino, Kaffees u.s.w. Therese bleibt natürlich immer zu Hause, aber um das auch zu tun, bin ich nicht hierher gekommen. Ich nehme also keine Rücksicht & begleite meinen guten Onkel Kalloh! Einmal gehen wir mit Herrn Dr. Meyer aus, der in Wirklichkeit Frau Friedemann heisst, ein andermal mit Dr. Schütze, der Frau Blümling ist und noch viele andere. Ich bin masslos erstaunt, dass mein Onkel mich da mit hineinzieht & mir gegenüber wenigstens mit offenen Karten spielt. Mit mir kann er das ja machen, erstens bin ich nicht kleinlich & dann hat er von mir zu Hause deswegen nichts zu befürchten. Dass er so ist, ist zum grossen Teil Therese selbst in Schuld. Die sieht aus, dagegen ist Hilda gut angezogen. Die Kronacher haben mir hierher geschrieben, sie sind um Unterstützung gegangen, die Sache läuft. Die untere Wohnung vermieten sie, sie selbst ziehen in den I. Stock. Sehr richtig. Sie sehen schon nicht mehr ganz so schwarz.

II

Also wieder zurück nach München. Gestern waren wir alle, Kurt, Therese, die ganze Familie Blümling nach Grünwald im Isartal. Eine wundervolle Gegend, nur hat es fürchterlich geregnet & war bitterkalt. Auch heute ist es wie im Oktober. Dabei habe ich nur Sommersachen bei mir, das Jackenkleid ist mein wärmstes Teil & darin habe ich gefroren. Wenn ich übrigens gewusst hätte, dass mich mein Onkel hier mit der eleganten Damenwelt zusammen bringt, hätte ich ganz andere Kleider mitnehmen müssen. Ich hatte mir zu Hause noch ein Leinenkleid gekauft, ein kleines Gesellschaftskleid wäre richtiger gewesen. Ich sehe in meinem Sommerfähnchen neben diesen eleganten Damen ganz spassig aus, aber das stört grosse Geister nicht. Ich lasse mich deshalb nicht abschrecken & setze mich nicht zu Therese um Trübsal zu blasen. Das kann ich in Krefeld wieder. Übrigens wird mein Aufenthalt viel teurer, als ich gehofft hatte. Dadurch, dass ich den ganzen Tag ohne Sali & Therese ausgehe, muss ich doch auch alles selbst bezahlen & werde dadurch ganz hübsch Geld los. Aber das ist nun nicht mehr zu ändern. Samstag war ich im deutschen Museum. Ganz enorm, ich war ganz toll, als ich wieder draussen war. Ich war stundenlang dort, habe aber erst einen Bruchteil davon gesehen. Morgen will ich den ganzen Tag in den Tierpark, wenn das Wetter gut ist. Von den Dingen, die sich hier so zutragen & von denen ich Euch erzählte, schreibt in Euren Briefen bitte nichts. Sie wollen doch Eure Berichte lesen & ich möchte nicht, dass sie wissen, dass ich Euch alles erzählt habe. Übrigens hat Kurt mit Frau Blümling ein tolles Ding gedreht in Sachen der bewussten Bürgschaft. Weder Kurt noch mir hat er Sali bis heute ein Wort davon gesagt, aber bluten muss er für seine Missetat. Ich kann das schlecht schreiben, aber wenn ich es Dir demnächst erzähle, lachst Du Tränen, grosser Pips. Die beiden halten ihn unter Druck & er weiss nicht, dass das Schwindel ist. In kurzen Worten, Frau Blümling hat die 300,- geliehen, hat gesagt, sie hätte Kurt 600 gegeben, die sie sofort wiederhaben muss & zwar von Sali für uns.) Nun fehlt ihm im Augenblick Bargeld & die beiden quälen in aus Spass. Statt Wertpapiere muss er nun tatsächlich zahlen. Sagt aber Kurt noch mir ein Wort. Zum Totlachen, geschieht ihm aber gut. Genug für heute. Lasst Euch beide umarmen & innig küssen Eure Mutter Erna.