Richard Loewy an Sohn Ernst, 1. September 1937
Gasthaus Klughardt
Detmold in Lippe
Mittwoch, den 1.9.37.
Mein lieber Junge!
Nun sollst Du von der Reise aus mal wieder einen Brief haben. Besondres habe ich Dir von uns nicht mitzuteilen. Ich bin seit Montag früh auf Tour, es geht mir gut, auch geschäftlich klappt es soweit gut. Von der l. Mutter hatte ich vorhin einen Brief von gestern: zu Hause nichts Neues.
Ich will Dir nun weiter berichten, wo ich im letzten Brief Halt gemacht hatte: Wir waren in Alexandrien, wo wir gegen Morgen ankamen. Nach dem Mittagessen ging ich mit einer Dame (der gleichen wie in Port Said) & einem Herrn aus Tel-Aviv (ich glaube, daß ich Dir auch schon von ihm schrieb: er fuhr 4. Klasse, - nachdem er weder II. noch III. Platz bekommen hatte & konnte IV. Kl. nichts essen, es grauste ihm dort!) Er hatte die Absicht, gegen Bezahlung am Schiff in der Touristenklasse zu essen, aber das Martro's' Hotel erlaubte es nicht, man verkaufte ihm noch nicht mal eine Tasse Kaffee, er war sogar - vergeblich - auch beim Kapitän!! -) an Land, wo Herr K. sich zum ersten Male (in einem italienischen Restaurant) satt aß - für 20 Piaster! Eine Vorschrift (allerdings etwa [..] Dinge, Schinken, Käse, Ölsardinen, Salm, Wurst, Krebse etc.) Für 8 Piaster! Nach dem Essen sagte er: nun kann mich das Martro's' Hotel & der Kapitän - - -, ich bin satt!! - Wir machten dann einen kleinen Tjul durch die Stadt pr. Kutsche, besahen uns die Katakomben, kleine Sphinx, Römergräben etc. Gegen Abend zum Essen aufs Schiff & dann nochmals wir 3 in die Stadt. Die ganze Stadt war illuminiert, da gerade Krönungsfest war, 3 Tage lang. Ich sah noch den leeren Königswagen, - der König war darin durch die Stadt gezogen. Dann sahen wir Abends an der „Corniche”, d. i. eine Straße
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Grüße bitte alle von mir herzlichst. Manfred soll auch seine Alten grüßen.
Ich habe noch keine Zeit gehabt, irgend jemand zu schreiben.
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die sich 6 Meilen lang am [..] entlang zieht; alles herrlich illuminiert. In der Nacht furhen wir ab, ins freie Meer. Etwa 2 Tage danach kamen wir vor Sizilien. Erst sollten wir in Messina landen, das wurde aber abgesagt, weil der Duce dort war im Manöver, dafür landeten wir vor Taormina. Eien herrliche Gegend. Ich bin nicht vom Schiff, es kostete 20 Frcs & ich wollte meine Frcs für Paris sparen. Abends fuhren wir durch die Straße von Messina, diese Stadt links, rechts Reggio, beide Städte hell illuminiert wegen des Besuchs Mussolinis in Messina. In Reggio hatte man in riesigen Leuchtbuchstaben das Wort DVX (Duce - Duce) am [..] aufgestellt, die Buchstaben leuchteten über das Meer nach Messina. Der rauchende Ätna war zu sehen. Vorbei! - Um 12 Uhr nachts am rauchenden & sprühenden Stromboli, der hohe Feuergarben gen Himmel warf, vorüber; heller Schein fiel vom Berg meilenweit bis zum Schiff übers Meer - herrlicher Anblick! Am nächsten Tag vorbei an der Insel „Monte Christo”, kahle Felsen im Meer; ein paar Häuser am Strand. Noch ein paar solche kleine Inseln, dann Halt vor Villefranche bei Nizza. Für 30 Frcs (= 2 Rmark) konnte man vom Schiff & eine kleine Autofahrt nach Nizza & Monte Carlo machen, die ich mir auch versagt habe. Leider! (Frau Wertheim nicht!) Für 3 Mark komme ich nie wieder nach Monte Carlo! Abends 6 h Landung in Marseille, eiligst zum Zuge & wir erreichten noch um 7.25 den D-Zug nach Paris. In der Nacht - der erste Regen nach vielen Wochen. Ich hielt die Hände zum Fenster hinaus & fing die Tropfen auf! So lange entbehrt! Morgens Ankunft in Paris. Hotelsuche.
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Vormittags ein kleiner Stadtbummel. Mittagessen in der Stadt am Loire. Nachmittags Ausstellung. Viel zu sehen. Wir waren auch im Pavillon von „Terre Israel”, wo ein großes, prachtvolles Bild von Kirj. Anavim hängt. Frau Alma hat es photographier, es ist aber nicht geworden. Abends Riesenfeuerwerk am Eiffelturm, auf der Scine, tausende von Leuchtraketen stiegen in die Höhe, gekreuzt von den Scheinwerferstrahlen vom Eiffelturm, durch die gleichzeitig die beiden größten Gebäude der Ausstellung, das deutsche & das russische Haus, die direkt an der Seine einander gegenüberstehen, beleuchtet wurden. Tausende & abertausende von Menschen umsäumten die Seine-Ufer. Zwischen den Raketen fuhren die kleinen Personendampfer auf der Seine. Mitten im fluß war ein Lautsprecher zur Übertragung von Gesängen aufgebaut. Die Franzosen boten ihren Gästen allerlei. Am nächsten Tag Besuch des Louvre; besonders besichtigten wir die Mona Lisa, von der ich mich kaum trennen konnte. Welche Schätze hat man da zusammengeschleppt aus aller Herren Länder. Bilder von Rembrandt, Rubens, Tizian, Botticelli, Frans Hals u.s.w. - Napoleons Krone, & sonstige Schütze; was man sich nur denken kann.
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Abends Abfahrt, Morgens Ankunft in Aachen mit kleiner Verspätung, sodaß unser Anschluß fort war. Wir kamen also mit Verspätung heim. Beim Übertritt über die Grenze hatte ich noch 20 Frcs, die ich am Abend vorher in Paris eingewechselt hatte; ich wollte sie am Bhf Aachen in der amtlichen Wechselstube umtauschen & - siehe da, - sie waren falsch! Dabei noch eine plumpe Fäschung! Da hat man mich also noch schnell in Frankreich drangekriegt! Bei dem schlechten Kurs waren es zwar nur 2 Mark, - aber ich hätte sie besser noch in Paris gelassen. Na, soll also die schöne Reise 2 Mk mehr kosten. Und ich habe doch noch lachen müssen zum Schluß! In Paris hatte ich dafür 2 x zu Mittagessen können!
Heimkehr! Und große Freude! Mutter sah blendend erholt aus. Ich auch; leider aber habe ich auf dem Schiff schon wieder zugenommen - & die l. Mutter hat wieder ihre gute Farbe verloren. Sie hat zwar schöne Tage in München gehabt, aber einen schlechten Abschluß der Reise durch den so plötzlichen Tod von Onkel Ludwig gehabt. Sie hat ihn ja tot in seinem Zimmer auf der Erde liegend gefunden. Trotzdem bin ich froh, daß die l. Mutter dort war, nachdem er so sehr um ihren Besuch gebettelt hatte, mit der Begründung, vielleicht sei es zum letzten Male!
Nun bin ich wieder im alten Trott. - Am Sonntag waren Max Levys Eltern bei uns, die Woche vorher Kaufmanns & Sterns. Ich muß überall erzählen & erzählen! - Rosenstein erzählte s. Z. mal so schöne Geschichten von Frau Joske & der andren Frau, ([..]) ich wollte diese Dinge erzählen, habe sie aber vergessen! Laß sie
Dir doch mal sagen & schreibe sie mir ausführlich auf. Auch von dem Alten, Zwi dessen Jahr seit Rosenstein war. Diese Geschichtchen waren so nett!!
Nun Schluß. Am Samstag von Zuhause noch mehr.
Viel Küsse & gute Jontef! [..]! Dein Vater.