Richard Loewy an Sohn Ernst, 5. September 1937
Krefeld, den 5. Sept. 37. Sonntag.
Mein lieber Junge!
Am heutigen Sonntagvormittag soll meine erste Arbeit sein Dir zu schreiben und Dir Deinen lieben Brief vom 28.8. zu bestätigen. Vor allem freut es uns, dass Du gesund bist und wir soweit wieder Gutes von Dir hören.
Dann schreibst Du, Du hättest seit drei Wochen keinerlei Post von uns gehabt. Das ist unverständlich. Die liebe Mutter hat Dir doch während meiner Abwesenheit pünktlichst wie immer geschrieben und seit ich hier bin ist auch jede Woche der regelmässige Brief an Dich abgegangen und ausserdem habe ich Dir auch noch von der Reise geschrieben, Du hättest also eigentlich mehr Post haben müssen als gewöhnlich. Ich will hoffen, dass nichts verloren gegangen ist, sondern dass es sich nur um eine Verzögerung handelt. Du wirst indes wohl alles erhalten haben.
Deine Nachricht über den Besuch von Hans Beit hat mich sehr interessiert. Auf das Resultat der Lösung bin ich neugierig. Dass P. derartige Dinge beim Bergbauern über Dich gesagt hat nimmt mich bei seiner Einstellung gegen Dich nicht weiter Wunder. Er wird das vielleicht bei Hans Beit genau so gemacht haben. Es liegt ja an Dir selbst wie Du Dich gegen solche Dinge durchsetzt, aber ich bitte Dich, handle nicht unüberlegt, sondern überlege Dir alles reiflich. Keine Dummheiten machen!
Dass sich Deine Flechte bessert, höre ich gerne. Vernachlässige das ja nicht, man kann unter Umständen so etwas sein Leben lang behalten. Und das ist weder schön noch angenehm.
Dass wir nicht im Bezalelmuseum waren mag schade sein. Wir hatten uns ja noch so manches ansehen wollen, aber es war zu heiss für mich alles in so kurzer Zeit zu sehen und dann hatte ich ja auch den wunden Fuss, der mir viel Schmerzen bereitet hat. Ausserdem sprachen auch die Geldverhältnisse eine Rolle. So Gtt will, werde ich noch einmal nch Erez kommen und dann vielleicht in einer andren zeit, die erträglicher ist als gerade der Juli, und dann werde ich wohl noch alles Sehenswerte zu sehen bekommen. Es sind ja wohl viele Menschen im Lande, die noch nicht einmal das alles gesehen haben, was wir beide uns angesehen haben.
Die Bilder habe ich nun fertig, und zwar in einem Exemplar für mich selber. Ich habe sie in einem sehr netten album eingeklebt und das ist dann das Resultat der Reise, das alle mal sehen wollen. Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, nochmals alles Bilder und Filme nachzusehen, was alles auch für Dich interessant ist um Dir diese Bilder machen zu lassen. Aber an den beiden Jonteftagen hoffe ich dass ich endlich Zeit finde, mir das mal alles in Ruhe anzusehen und die Bilder zu Horster zu bringen. Ich hoffe, dass ich sie Dir dann im nächsten Brief mitsenden kann.
Heute sende ich Dir schon mal zwei Bildchen mit, die ich selbst entbehren kann, ferner ein kleines Bild, darstellend Vater und Sohn. Ich habe dieses Bild in meiner Brieftasche gefunden, anscheinend haben wir das auf dem Tjul von irgend jemand bekommen, aber ich habe keine blasse Ahnung, wen das Bild vorstellt. Weisst Du es noch? Dann sei so freundlich und schreibe mir das, denn ich möchte doch wissen, wessen Bild ich so lange herumgeschleppt habe. Es ist mir, als müsste ich es wissen, - - und doch kann ich mich nicht darauf besinnen. Vielleicht ist Dein junges Gedächntnis doch noch besser als mein altes verbrauchtes.
Die Filme, die Du dann haben willst, kannst Du mir aufgeben, ich kann sie Dir dann auch schicken, eventuell leihweise. Es könnte sein, dass sich einer Deiner Freunde für irgend etwas interessiert.
Dann bitte ich Dich, mir bei Gelegenheit in Jeruschalajim bei dem Fotomann ein kleines Foto mit Ansicht des Toten Meeres zu kaufen und mitzuschicken. Ich wollte mir damals ein kaufen, da sagtest Du aber, wir hätten eins. Das war aber nicht der Fall und da ich in meiner Sammlung auch ein solches Bild haben möchte, willst Du mir noch eins besorgen. Aber keine Ansichtskarte, sondern nur ein kleines Foto. Die Madame des Fotomanns kannst Du von mir grüssen.
Heute Abend beginnt Roschhaschanah. Nochmals alles Gute. Mein Segen ist immer mit Dir, mein lieber Junge! Ihr werdet wohl nicht allzuviel merken vom schönen Feste. Schreibe mir mal darüber, ob ihr gefeiert habt oder wie das Fest sonst bei Euch verläuft. Ich habe ja heute ganz andre Vorstellungen
wie alles sein kann, da ich K.A. kenne.
Für mich sind die Tage nicht besonders gut gelegen, da ich durch die Feiertage Roschhaschanah und Jomkippur drei Arbeitstage versäume und das ist immer ein Ausfall. Ich bin sonst immer wieder dauernd auf Reisen und geht das Geschäft zufriedenstellend. Allerdings muss ich sehr dahinter her sein.
Sonst ist nicht viel los. Gestern Abend waren wir bei Meyers auf der Klosterstrasse um von Speiers zu erzählen. Du kannst Dir denken, wie neugierig man war. Kürzlich war ich auch auf der Durchfahrt in Bochum bei Simon, dem Bruder von Frau Speyer. Aber an Speyers selbst habe ich noch nicht geschrieben auch nicht an Mendels. Ich hatte noch keine Zeit. Ich muss aber versuchen, das heute noch zu tun, auch an Neumanns. Hoffentlich komme ich nun auch dazu. Ich habe auch noch viel Geschäftskorrespondenz zu erledigen. Alles andre Private für Jontef ist bereits erledigt. G. s. D. An die Eltern von Frau Mendel habe ich neulich auf der Durchfahrt durch Essen mal telefoniert und ihnen meinen Besuch avisiert, aber ich hatte noch keine Zeit. Es dauert nun wohl noch 14 Tage bis ich hinkommen werde. Das Geschäft geht ja nun leider vor alles Private.
Von Gerda hatten wir gestern auch einen längeren Brief. Sie schreibt sie sei für das nächste Frühjahr nach Tel-Aviv eingeladen. Das Mädel scheint in London wieder in den Fettopf gefallen zu sein. Na das ist doch wenigstens bei einem Menschen erfreulich. Ihre Mutter und ihre Geschwister haben alle ohnehin kein bisschen Glück. ' ' Sadlers werden ja wahrscheinlich auch wegziehen und nach Manchester gehen, dann ist Hedwig ganz allein an dem verlassen Fleck am Ende der Welt und von allen verlassen. Das ist überhaupt ein Kapitel für sich.
Von Ernst Lamm hatten wir neulich eine Karte. Er stellt tausend Fragen über die möglichsten und unmöglichsten Dinge, die ich ihm im Leben beim besten Willen nicht beantworten kann! z. B. Was sagst Du zum Peel-Bericht? Wie stellst Du Dich zum Z.-Kongress in Zürich? Was weiss Onkel Richard zu erzählen? Tolle Fragen, über die man Bände füllen könnte und da meint er, diese könnte ich im Rahmen einer Postkarte oder eines kurzen Briefes beantworten! Ich glaube der Junge ist noch genau so wie er war. Tante Hilda schrieb neulich, er hätte geschrieben, die zwei Meter Grösse habe er erreicht, aber er sei sehr dünn!!! Scheint ja ein netter Bursche geworden zu sein von zwei Metern Länge!!!
Nun bin ich für heute am Ende meines Wissens. Hoffentlich kommt dieser Brief mal pünktlich über. Bleibe gesund und froh, mein lieber Bub, mit den besten Grüßen und vielen Küssen bin ich Dein
Vater ![..]!
1 Schein anbei.
Grüße alle, bes. Deine Z.-Kollegen & das kleine Persönchen! Diesen meinen Dank für ihre Grüße!