Erna Loewy an Sohn Ernst, 11. September 1937
Samstag, den 11.9.37.
Mein lb. Junge!
Dein Brief vom 3 ds. kam gestern, also wieder mal pünktlich & danke ich Dir sehr dafür. Ich bin froh, dass Du von uns nun auch wieder Post erhalten hast, aber ich entbehre noch immer eine Menge Bestätigungen. Einmal die 10,- ab München & dann einen Brief in dem Bildchen vom Tegernsee beilagen, nette Aufnahmen mit Sali, Kurt & mir. Schade, wenn was verloren gegangen wäre. Vielleicht kommt es nur verspätet an. Heute erhältst Du schon mal einige Aufnahmen, andere folgen, der Brief wird sonst zu schwer. Zu Deinem Brief kann ich Dir nicht viel sagen. Deine Einstellungen zur Religion betrüben mich weniger als befremden, da ich Dich hier nur von einer andern Seite kannte. Ich habe nicht gesagt, dass Du schlechte Lektüre liest, aber solche, die Dich ein bisschen verwirrt hat & in jungen Jahren lässt man sich nur zu leicht beeinflussen. Aber es hat sich schon mancher die Hörner abgelaufen & auch das Beten wieder gelernt. Wolle Gtt, dass Du den richtigen Weg gehst & ein ordentlicher Kerl aus Dir wird. Mehr kann ich Dir dazu nicht sagen. Wie hast Du die Feiertage verbracht? Hier war es sehr ruhig & gemütlich. Die schöne Alma war in Wiesbaden, wir hatten das Reich alleine. Am 1.10. ziehst sie G. s. D. aus, dann ist wieder Ruhe im Dorf. Wir haben nun einmal vermietet, aber nie wieder. Die paar Mark können uns auch nicht retten, es wird auch so gehen. Man muss sich zuviel gefallen
Anbei 3 Bilder
1 Schein
lassen. Ich würde es sehr begrüssen, wenn in Eurer Gruppe endlich mal eine richtige Einigung käme. Dieses Hin & Hergeziehe ist doch ganz sinnlos & führt zu nichts & ich meine immer, mit einigem guten Willen lässt sich viel machen. Auch muss man manchmal eine Faust in der Tasche machen, es geht im Leben nicht immer alles glatt & nach Wunsch. Und dann ist es auch nicht immer klug, zu sagen, was man denkt, oft ist es viel richtiger zu schweigen; es hat sich damit schon manch einer geschadet. Sei nicht zu hitzig, mein lb. Pipslein, handele, aber mit Bedacht & Klugheit.
Heute sende ich an Frau Stern die Seifenschale & den Gürtel, was sie Dir mitbringen wird. Besondere Dinge haben sich hier nicht ereignet & so will ich schliessen mit tausend guten Wünschen, ebenso viel Grüssen & Küssen
Deiner Mutter.
Den Brief an Lore sende ich weiter. Sie war dieser Tage hier & hat sich Dein Mitgebrachtes geholt. Aber was der Zufall ist, dasselbe Gebetbuch hat sie von ihrem Onkel von drüben mitgebracht bekommen. Sie will aber Deines behalten & das andere ihrer Schwester Inge geben. Gefreut hat sie sich trotzdem damit.