Richard Loewy an Sohn Ernst, 25. September 1937
Krefeld, den 25.9.37.
Mein lieber Junge!
Deinen Brief hat Dir die liebe Mutter ja ausführlich beantwortet, sodass eigentlich alles gesagt ist, was zu sagen war. Miss Szold hat doch recht. Es deckt sich so ungefähr mit dem, was auch ich Dir und auch Fritz Königsfeld gesagt hat. Verwendet Eure Kräfte besser zu anderen Dingen. Es ist doch so, dass man ruhig in einem Dorfe und auch in einer Kwuzah leben kann und dass man dann mit dem einen oder andern kaum spricht, und mit ihm weiter nichts zu tun hat, weil man eben ausser der Arbeit keine weiteren Berührungspunkte hat. Und um in einer Kwuzah rein sachlich zusammen zu arbeiten, ist es doch nicht unbedingt erforderlich, das man wer weiss wie befreundet ist. Man arbeitet doch auch in Europa oft viele Jahre in einem und demselben Betrieb ohne privat weiter etwas zusammen zu tun zu haben. Deshalb kann doch alles klappen. Nun lassen wir das, die Zeit wird Euch auch noch klüger machen. Es gibt ganz andere Sorgen, die Euch schon zusammenhalten werden.
Von mir kann ich Dir heute nichts Besonderes mitteilen. Es geht mir gut, wie immer war ich die ganze Woche auf Tour. Ich war diese Woche in Meschede und hatte die Bilder von Erez mit bei Ikenbergs. Bertold I. kannte Kir. Anavim ganz genau wieder, er wusste auch noch, dass er bei Leib Kupper, der die Tenuva leitet, war, auch an das Wäldchen vor am Kwisch erinnerte er sich genau, und dass dahinter Beth Nakuba liegt. Die Bilder erregen überall Aufsehen. Morgen fahren wir nach Düsseldorf zu Lilienfeldts, dann wollen wir die Ausstellung besuchen; ich schrieb heute an Kaufmanns, dass wir morgen nach D. fahren und wollen uns vielleicht mit ihnen treffen. Vielleicht gehen sie mit zur Ausstellung. Ich würde sie dann mit dem Wagen oben abholen. Von D. aus rufe ich nochmal dort an, ob sie mitmachen. Heute Abend ist Lernen, zu Simchas Thora. Ich werde hingehen. Die l. Mutter bringe ich vorher zu Luise Leven, sie will heute Abend mit dem englischen Unterricht anfangen. Hoffentlich lernt sie gut, damit ich mit ihr lernen kann. Wenn sie mal soweit ist, dass ich mit meinen Kenntnissen nicht mehr mitkann, dann fange auch ich mit den Stunden an. Das wird aber wohl noch ein Jahr dauern. Ich bin ja doch schon etwas vorgeschrittenmit meinen Kennt-
Kenntnissen, sodass ich die ersten Anfangsgründe nicht mitzumachen brauche. Schade ist nur, dass es hier keine Möglichkeit gibt, Iwrith zu lernen. Das möchte ich doch noch viel lieber als Englisch. Vorerst habe ich allerdings auch wenig Zeit, ich werde mir aber wohl im Winter doch den Kaleko kaufen und wenigstens des Abens mich unterwegs im Hotel hinsetzen und etwas lernen, das ist doch immer noch vernünftiger als Zeitschriften lesen mit faulen Witzen.
Besonderes gibt es sonst nichts. Kurt Gimnicher sprach ich, ich bat ihn mal zu mir zu kommen, aber anscheinend hat er nicht Zeit genug. Frau Stern wird ja nun bei Euch sein und Euch allerlei erzählt haben. Grüsse sie bitte von uns. Ich war diese Woche, wie gesagt, bei Ikenbergs, die eine Frau I. ist noch so was wie eine Kusine von ihr.
Mein lieber Junge, ich muss schliessen, ich muss fort, die l. Mutter drängt. Ich bin ohnehin am Ende. Vielleicht schreibe ich Dir dieser Tage mal wieder von unterwegs, wenn ich Dir noch was zu erzählen haben sollte. Grüsse alle von mir, es tut mir leid, dass die kleine Persönlichkeit noch nicht fortkommt, aber Du freust Dich wohl darüber.
Lore hat mir übrigens neulich erzählt, dass sie Dir einen 4 Seiten langen Brief geschrieben habe, sie habe Dir ihr Meinung gesagt, weil Du eine Freundin hast. Das kleine Mädel ist eifersüchtig!!!!!!!! Es ist kein Scherz, sondern sie ist es wirklich!
Nun Schluss. Chasak und viele Küsse
Dein Vater.