Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 1. Oktober 1937
Freitag, den 1.10.37.
Mein lb. Ernst!
ein Freitag ohne Post kommt ja selten vor, aber heute ist es so & gleich fehlt uns etwas. Wenn der Pips gleich kommt, macht der auch ein dummes Gesicht, aber es bleibt uns beiden nichts übrig, als schön zu warten. Vorgestern ist Frau Wertheim ausgezogen & stehen nun Deine Sachen wieder in dem Zimmer. Du glaubst garnicht, wie ich mich darüber freue & ist mir schon garnicht mehr, als ob dort 1 ½ Jahre jemand anders drin gewohnt hätte. Vorigen Sonntag waren wir bei Lilienfeldts in Düsseldorf. Wir kam um ½ 12 hin & haben sie uns gleich zum Mittagessen dortbehalten. Wir hatten die Aufnahmen von drüben mitgenommen & sind beide auch gleich darüber hergefallen. Es war so nett bei ihnen, dass wir bis fast 4 Uhr dort kleben geblieben sind & sind dann anschliessend daran noch zur Ausstellung gegangen. Es waren dort soviel Menschen, dass der Aufenthalt nicht gerade sehr schön war & ich abends totmüde nach Hause kam. Montag fahre ich vielleicht mit Vater auf Tour. Ich werde meinen Husten garnicht los & da meint Dr. Heilbronn, ich sollte mal ein paar Tage aus der Krefelder Luft & ich würde bestimmt nicht mehr husten. Dieses Rezept hat Vater natürlich gerne, so bekommt er mal für eine Woche Gesellschaft. Wir haben ganz herrliches Herbstwetter & lasse ich mir das auch nicht zweimal sagen. Gestern ist Hans Seligmann mit Braut gekommen, gesprochen habe ich noch keinen von beiden. Hans hat nun doch eine Assistenten-
Stelle angenommen & zwar in Berlin & damit habe ich Dir alle Neuigkeiten berichtet. Hat Frau Stern Dir die Sachen & Bildchen mitgebracht? Was machen Eure hitzigen Gemüter. ist nun alles in Ordnung in der Gruppe? Ich will es schwer hoffen. Dieser Tage sandte ich Dir 10,- Mk & damit beende ich meine Epistel für heute. Gerade kommt Vater. Tausend Küsse
Deiner Mutter.
Sonntag, den 3. Oktober 37.
Mein lieber Junge! Leider haben wir auch gestern den ganzen Tag auf einen Brief von Dir gewartet und auch heute gabs keinen. Das ist sehr traurig für uns, denn wenn wir eine Woche keinen Brief haben, ist es kein Sonntag für uns. Wir machen uns zwar keine Sorgen, so vernünftig sind wir, denn es kann ja immer ein Brief mal ein paar Tage später ankommen, aber es ist bei uns eben so, dass wir immer pünktlich am Freitag an Deine Nachricht gewöhnt sind. Nun hoffen wir weiter auf morgen, dann wird es wohl werden. - - Nun habe ich Dir auch nicht viel zu berichten, hier vergeht meist ein Tag wie der andere, ich bin zudem ja immer weg. Diese Woche war ich in Münster und habe des Abends im Hotel Lores Vater getroffen, dann kam ein Bekannter von ihm aus Münster dazu, der uns von Deiner früheren Tante Lotte erzählte, dass sie wahrscheinlich nach Amerika ginge und zwar nicht etwa mit ihrem Mann, sondern wieder wie einst nach China und Persien. Diese Frau hat kein Sitzfleisch und muss immer wandern. Sie war, wie Du vielleicht wissen wirst, mit ihrem Mann bei Onkel Richard, mit dem sie einige nette Tage verlebt haben. Onkel Richard schrieb übrigens dieser Tage, dass seine Pläne feststünden, er ginge nach Persien, wozu ihm Freunde,. die zur Zeit bei ihm sind, raten, er hätte dort gute Aussichten, weiterzukommen. Auf dem Wege wird er sich ein paar Tage in Erez aufhalten. Du wirst ja dann das Vergnügen haben, mit ihm zusammen zu sein. Du bist fein heraus, werden da die anderen sagen und neidisch sein, dass Du in einem Jahre zweimal Besuch erhältst. Auf alle Fälle wünschen wir Euch beiden viel Spass. Ob Onkel Richard vor seiner Reise noch nach Eindhoven kommt und wir uns also wiedersehen ist sehr fraglich. Die alten Herrschaften werden ohnedies kaum reisen, Opa bestimmt nicht und Oma scheut auch diese Reisen und die Unkosten. Ich glaube, dass er also sich direkt auf die weite Reise begeben wird. Wir werden uns ja bestimmt mal in Erez wiedersehen, für die alten Herrschaften ist es allerdings sehr fraglich. Man kann ja die Reise nicht so mir nichts dir nichts unternehmen, das kostet eine ganze Menge Geld, und Richard wird sich drüben wohl auch sehr einrichten müssen, bis er mal festen Fuss gefasst hat. Zumal er sich auch drüben erst an Land und Leute, an Klima und Sprache gewöhnen muss. Das geht alles nicht so schnell.
Hans mit seiner Braut ist hier, wie die l. Mutter schon geschrieben hat. Ich will sie gleich mal abholen, und werden wir dann wahrscheinlich nach Essen fahren um die Eltern von Frau Mendel zu besuchen. Ich habe noch immer keine Zeit gehabt und an einem Wochentag komme ich bestimmt doch nicht dazu.
Ich muss also schon den Sonntag dazu nehmen. Das Wetter ist auch so herrlich, dass es schon Freude macht ein bisschen herauszufahren, zumal ich auch seit Freitag Abend kaum von meinem Schreibtisch aufgestanden bin.
Rita, die junge Braut, ist ein sehr nettes und hübsches Mädel. Ich weiss nicht, vielleicht hast Du sie ja damals in München selbst kennen gelernt.
Vorige Woche bei Lilienfeldts war es sehr nett. Sie haben sich sehr gefreut, von drüben direkt zu hören. Sie möchten [..]
bald hinüber & warten auf Anforderungszertifikat. Meiner Ansicht nach dürfte das aber noch etwas dauern! - Wenn die l. Mutter morgen mitfährt, schreiben wir Dir von unterwegs aus. - Viele Küsse & [..] Dein Vater.