Erna Loewy an Sohn Ernst, 15. Oktober 1937
2 Scheine anbei!
Freitag, den 15.10.37.
Mein lb. Ernst!
ich bin mit dem Briefträger garnicht mehr zufrieden, er bringt Deine Post nicht mehr pünktlich, oder gibst Du sie jetzt an einem andern Tag auf. Wenn nur alles in Ordnung & Du gesund bist, will ich aber gerne warten. Es bleibt mir ohnedies nichts anderes übrig. Besonderes von hier habe ich Dir nicht zu erzählen. Gestern sprach ich Frau Rosberg & hörte ich, dass Fritz immer noch zum Arzt nach Düsseldorf fährt. Als ob dieser ein anderer Kerl aus ihm machen könnte, ich glaube, die werfen viel Geld zum Fenster hinaus. Es ist ein wahrer Jammer, dabei ist er riesengross & kräftig geworden. Und hockt zu Hause. Wenn ich denke, was aus Dir indessen geworden ist & was Du leisten musst. Ihr seid doch nur ein halbes Jahr auseinander. Traurig für die Eltern. Da Herr Kaufmann vorerst nicht kommt, habe ich an Onkel Richard geschrieben, er möchte Dir ein Paar braune, gelochte Halbschuhe mitbringen; ich bin überzeugt, dass er es tun wird. Ich freue mich ganz riesig, dass er zu Dir kommt & habe ihm geschrieben, wenn er Dich frühzeitig benachrichtigt, kämst Du ihn in Haifa abholen. Wirst Du dazu frei bekommen? Was machen Eure Patienten? Hoffentlich geht es ihnen gut.
Wie ich Dir schon erzählte, nehme ich engl. Unterricht. Luise Leven geht sehr schnell vorwärts & können wir für 4 Stunden, die wir gehabt haben, schon allerlei. Iwrith wäre ja
richtiger, aber auch Engl. kann nichts schaden & der Kursus ist billig. Ja auch nicht ganz falsch für Erez. Heute Abend kriegen wir wieder Einquartierung. Fritz Seligmann mit Familie ist wieder abgereist, gestern erschien unerwartet Kurt & da Hans & Rita auch noch hier sind, müssen wir wieder einen übernehmen. Es ist für uns sehr nett, mal wieder junges Volk unter unserm Dach zu haben, zumal wir wenig Gutes von den alten Herrschaften hören. Du weisst doch wie es ist, wenn Grossvater anfängt zu Husten & nicht mehr aus dem Hause geht. Er ist dann recht verkehrt. Dass Frau Wertheim weg ist, darüber freue ich mich jeden Tag mehr, eigentlich habe ich schon ganz vergessen, dass sie überhaupt je hier gewohnt hat. Was macht denn der Engel Ilse? Nun erwarte ich erst noch Deinen Brief & schreibe dann weiter. Unterdessen ist dann auch der Pips wieder eingetrudelt & bringt vielleicht noch einiges Neue mit. Für heute tausend Küsse
Deiner Mutter.
Mein lb. Junge!
17.10. Heute kam Dein lb. Brief 9 ds. womit wir uns sehr freuen. Weniger erfreulich war natürlich der Bienenstich, den Du aber hoffentlich schon wieder vergessen hast. Hans & Rita sind hier & haben Deinen Glückwunsch selbst lesen können. Augenblicklich haben wir Kurt als Schlafgast bei uns, der sehr ulkig ist & es mit ihm immer was zu lachen gibt. Frau Stern wird nun ja auch dort sein & Dir die heissersehnten Bilder ausgehändigt haben. Auf den übrigen Inhalt Deines Schreibens kann Pips noch eingehen & bin ich mit vielen Küssen & guten Wünschen
Deiner Mutter!