Richard Loewy an Sohn Ernst, 17. Oktober 1937
Krefeld, Sonntagnachmittag den 17.10.37.
Mein lieber Junge!
Nun Sonntagnachmittag drei Uhr sollst Du auch Deinen Brief haben, obwohl ich Dir heute nichts Besonderes zu schreiben habe. Ich freue mich über Deinen lieben Brief, der aber erst heute wieder ankam statt Freitag. Dass Du gesund bist, ist die Hauptsache. Wo arbeitest Du? - - Heute früh habe ich Deine Schwägerin Inge gesprochen, Dein Brief an Lore ist angekommen, auch Edith Lindenbaum hat ihn gelesen. Ich fragte sie, was in Deinem Brief gestanden hätte, sie sagte, das dürfte sie nicht sagen, Lore hätte ihn ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit lesen lassen. So geht sie mit Deinen Liebesbriefen um!!!
Ich habe eben einen langen Brief an die Jugendhilfe nach Berlin geschrieben. Das wird Dich interessieren. Ich bekam dieser Tage von dort eine Anfrage, sie hätten gehört, dass ich nach meinem Besuch in Erez nicht mit den über Deine Zukunft gemachten Zusagen zufrieden sei. Ich möchte schreiben auf Grund welcher Feststellungen das geschehen sei. Entsinnst Du Dich noch an unseren Besuch bei Hans Beith? Ich sprach mit ihm über die Schilderungen der Jugendalijah im Merkblatt, wo soviel von handwerklicher Ausbildung und von Fachkräften die Rede ist. Hans Beith sagte daraufhin, ich möchte doch mal nach Berlin schreiben und daraufhinweisen, dass das alles in Wirklilchkeit gar nicht so stimme, sie malten die Sache in Berlin in viel zu rosigen Lichte, er selbst habe schon einmal deshalb nach Berlin geschrieben, es sei aber zwecklos gewesen, sie erweckten dadurch sowohl in Eltern als auch in den Kindern übertriebene Vorstellungen von der Jugendalijah und deren Möglichkeiten. Ich habe bisher nicht nach Berlin geschrieben gehabt, obwohl mich Hans Beith so sehr darum gebeten hatte. Ich hatte noch keine Zeit und dann erschien es mir ja auch gar nicht so sehr eilig. Anscheinend hat nun Hans Beith selbst nach Berlin geschrieben und dabei vielleicht auch geschrieben, dass auch ich über diese nicht bestehenden Möglichkeiten enttäuscht gewesen sei. In Berlin hat man das aber ganz anders aufgefasst als es den Tatsachen entsprach und man wollte nun Genaueres von mir wissen. Ich habe ihnen nun soeben einen längeren Brief geschrieben und meine Ansicht auf Grund meiner Erfahrungen
gesagt. Vor allem, dass ich auch eine regelrechte theoretische Ausbildung in den Zweigen der Landwirtschaft bei Euch vermisse, dass man mir gesagt hat, die Jugendalijah sei ja keine landwirtschaftliche Schule etc. Und noch so allerlei, was mir auf dem Herzen lag. Ich hätte ja bei dieser Gelegenheit auch mal vieles über Eure Zustände bei Euch in der Gruppe schreiben können, habe aber dies aus so machen Erwägungen nicht getan. Vielleicht wäre es von Nutzen gewesen und es wäre einmal alles anders geworden, aber ich wollte auch Hans Beith, der gewiss das Allerbeste bei Euch will, nicht ins Handwerk pfuschen. Wenn er eine Einigung bei Euch unter allen Umständen unter Pinchas will und sie nun auch wieder zustande gebracht hat, so wird das auch sein Gutes haben. Man muss die Sache eben laufen lassen und hoffen, dass im Laufe der Zeit sich alles bei Euch schon klären wird. Ihr sehr doch es gibt viel wichtigere Dinge, als diese kleinlichen Streitereien unter Euch selber. Wenn es zu einer Teilung des Landes kommt, dann helft besser dass alles vorwärts geht und lasst die kleinen Dinge bei Euch selbst, begrabt alles und helft Euch gegenseitig. Das ist viel notwendiger und besser. Der Feind sitzt aussen!!!
Ich bin neugierig, was ich für eine Antwort aus Berlin bekomme. Ich werde Dich auf dem Laufenden halten. Ich schrieb, es hätte sich bei der Unterredung mit H. B. gar nicht um Zusagen für Dich, sondern um allgemeine Dinge gehandelt, man sollte den Eltern das nicht so rosig malen. etc.
Wir erwarten die Seligmänner und Rita um vielleicht ein bisschen zum Wolfsberg zu fahren. Ich sitze, seit ich zuhause bin fast dauernd an der Maschine und freue mich auch mal ein bisschen an die Luft zu kommen, obwohl ich noch stundenlang zu schreiben hätte. Ich bin ja auch noch immer an dem Erez-Bericht, an dem ich seit Wochen noch nicht eine Zeile geschrieben habe. Ich habe doch vor, der ZOG mal zu den Weihnachten, wenn ich hier bin, einiges zu erzählen, aber ich sehe schon, ich bin auch bis dahin noch nicht fertig und dann wird auch dann nichts draus. Ich habe sehr viel schriftliche Arbeiten immer für meinen geschäftlichen Kram und dann bleibt ausser dem Brief an Dich alles. Solltest Du mal in die Stadt zu Grünfelders kommen grüsse sie bitte von uns recht herzlich, wir hätten uns riesig über ihr nettes Bildchen gefreut, zumal unsre Aufnahme ja nichts geworden ist. Ich schreibe in der nächsten Woche direkt hin. - - Nun genug für heute. Alles Gute! Chasak!!
Grüße alle, Kurt - Schmiel Küken & Chawa ![..]!
Alles Gute, hoffentliches gehts ihnen bald wieder recht gut. - Grüße auch an Erich & die andren alle. - Hast Du eigentlich mal meine Grüße mit Dank für die Aufnahme an den Muchtar bestellt? Viele Küsse
Dein Vater.