Richard Loewy an Sohn Ernst, 23. Oktober 1937

Krefeld, Samstagnachmittag, den 23.10.37.

Mein lieber Junge!

Bevor ich mit meiner geschäftlichen Arbeit anfange, will ich erst einmal Dir ein paar Zeilen schreiben, indessen habe ich schon mal Max Meyer drangesetzt zum anfangen. - - Die Hauptsache ist, dass ich aus deinem lieben Brief ersehe, dass es Dir gut geht und Du gesund bist. Es ist wohl auch für euch andre, die zur Zeit keinen Besuch haben, ganz nett wenn die Eltern von jemand anders da sind, etwas Freude fällt dabei auch immer wohl für alle ab. Frau Stern ist ja eine sehr liebe Frau, sie wird Dir wohl Bericht über uns gegeben haben, dass hier alles gut geht und wir uns immer auf Deine guten Berichte freuen. Fredi wird sich wohl auch sehr freuen, zumal seine Eltern beide da sind. Bleiben sie länger im Lande? So viel wie ich gesehen habe, werden die anderen wohl nicht sehen können, da man wohl sich zur Zeit nicht so frei im Lande bewegen kann wie zu meiner Zeit. - Die Bildchen will Mutter nun diese Woche machen lassen, einige Negative anbei. Man kann ja nicht alles auf einmal in einem Brief senden, der würde zu schwer werden.

Dass Küken wieder zuhause ist, freut mich herzlich. Grüsse ihn bitte von mir. Hoffentlich erholt er sich dann in Moza ganz. Den Bergnauern willst Du auch grüssen, ich wünsche ihm Erfolg zu seinem Roman. Auch Maseltow für das junge Brautpaar, an den Namen von Adler entsinne ich mich, weiss aber nicht mehr recht wie er aussah, war es nicht so ein stämmiger blonder Bursche? Was macht Fritz? Hat er noch immer keine Stellung gefunden? Ich dächte das könnte doch nicht so schwer sein? Es werden doch andauernd neue Schulen gebaut! Habt Ihr Euer Schulhaus fertig und bekommt denn Ihr keine neuen Lehrer? Was baut Ihr denn jetzt? Habt Ihr mit dem Chadar-Ochel schon angefangen? Und wo soll das hinkommen?

Von uns nicht viel Neues. Ich bin wieder die ganze Woche weggewesen und da gibt es nicht viel zu erzählen. Diese Woche war ich in Rüthen bei einer Familie, ein Kunde, bei dem ich des Abends eingeladen war. Der Bruder der Frau Stern, der früher in Solingen wohnte, und auch dort Kunde von mir war, wohnte die letzten Jahre drüben. Du hast es vielleicht auch dort erfahren: seine Leiche wurde bei Cäsarea angetrieben. Todesursache unbekannt. Es war

ein lieber Mensch, der sehr lebenslustig war. Deshalb ist ausgeschlossen, was die Rundschau schreibt: Ob Mord oder Selbstmord vorliegt, ist unbekannt. Selbstmord keinesfalls. Zumal er seine 75jährige Mutter bei sich hat, die zwar zur Zeit in Bielefeld zu Besuch weilt.

Auch sonst scheint wieder allerlei drüben los zu sein. Du schreibst kein Wort darüber. Ich hoffe, dass es bei Euch gut geht und dass sich auch die Herren in Beth Nakuba sowie in Kwar Suba gut benehmen.

Kurt Seligmann ist noch immer hier, Hans ist weg. Kurt möchte mit mir die nächste Woche mal mit auf Tour fahren, die ganze Woche. Ich täte das ganz gerne. Will mal sehen. Mit Kurt bekommt man Spass, der Junge hat einen seltenen Mutterwitz, über jedes zweite Wort möchte man lachen. Der hätte gut Komiker werden können.

Edith wünsche ich alles Gute. Ich habe noch nicht gehört, ob sie uns evt. besuchen will, wenn sie in Frankfurt ist. Vielleicht hat sie noch irgendwo am Rhein Verwandte, dann ginge das ja ganz gut. Sonst ist die Reise natürlich zu teuer. Grüsse nun alle von mir. Ich habe heute ein wenig Zeit, ich habe auch durchaus keinen Stoff und der Meyer wartet mit der Arbeit auf mich. Drum Schluss für heute und viele Küsse und Chasak!
Dein Vater.

Beste Grüße
Max Meyer