Richard Loewy an Sohn Ernst, 30. Oktober 1937

Krefeld, Samstagabend, 30.10.37.

Mein lieber Junge!

Die liebe Mutter ist soeben (gleich 7 Uhr) fort zur englischen Stunde. Da staunste, wat? So habe ich ungestört Musse, um Dir zu schreiben, zumal ich auch eben mit meiner Arbeit so ziemlich fertig geworden bin. Der Wagen steht noch vor der Türe und ich muss Mutter um 8 Uhr abholen. Wir bringen dann den Wagen zur Mörserstrasse, wo ich jetzt den Wagen immer stehen habe, denn bei Geislers haben sie wegen des Geschäftes mit den Tempowagen keinen Platz mehr frei, man braucht alles für die neuen Lastwagen, die zum Verkauf hierstehen. Es ist zwar etwas weit für mich, aber ich bekomme den Wagen meist gebracht, sodass es nicht so schlimm ist. An und für sich steht er ja auf der Mörserstr. besser als bei G. - Das nebenbei.

Nun zu Deinem lieben Brief, der gestern angekommen war und mit dem mich die lb. Mutter wieder in gewohnter Art empfangen konnte. Dass es Dir und Euch allen gut geht, freut mich am allermeisten, denn schöne Dinge liest man ja zur Zeit nicht über die dortigen Zustände. Ich hoffe nur, dass bald alles besser wird. Wie ich gestern in der Zeitung gelesen habe, hat ja nun auch der High Commissioner abgedankt, hoffentlich kommt eine tüchtige Kraft ans Amt, der es versteht durchzugreifen und endlich Ordnung zu schaffen. Ich habe ja Vertrauen zur Regierung, dass es schon werden wird.

Mit den klimakterischen und klimatischen Beschwerden ist es schon sowas, das eine schliesst das andere nicht aus, Frau K. hat beides - ich gar nichts davon, - - ausserdem besteht der ganze Unterschied ja auch nur in einer Unbekannten X, das man dem Klima anhängen kann - und dann ist das andere schon da - - - aber nicht bei uns Männern!!!! Ich kann mir denken, dass Du Schlingel, da gelacht hast. - - Dass Du aber auch über den Gemeindebullen, bei dem ich stehe, gelacht hast, ist nicht liebreich von Dir!! Jeden Vergleich oder gar Verwechselung möchte ich mir doch verbeten haben!!! - Sonst ist aber das Bildchen nett geworden. Das Bild mit Grünfelders ist nichts gewesen, ein leerer Film anscheinend, denn verschiedene Filme waren leer und mit Gr. habe ich keinen von Horster zurückerhalten. Schade darum!! Aber vielleicht hast Du mal wieder einen Film im Apparat, wenn Du hinkommst und kannst Du die alten Leutchen dann knipsen. Auf alle Fälle grüsse sie

bitte von mir. Vielleicht habe ich die nächste Woche mal Zeit, dann schreibe ich ihnen auch wieder. - - Gestern war ich in Coesfeld und bei Cohens, von denen ich Dich auch grüssen soll. Eine Stunde oder zwei vorher hatten sie gerade Tante Sofie zur Ruhe bestattet. R.I.P. Sie hat einen schnellen Tod gehabt, ohne viel zu leiden ist sie an Altersschwäche verstorben. Eine Stunde vorher war sie erst ins Krankenhaus gebracht worden. - Nun ist ihr Wunsch, 100 Jahre alt zu werden, doch nicht in Erfüllung gegangen. Sie hat zu Emma Mendel gesagt: Dr. Pöppelmann hat gesagt, ich kann 100 Jahre alt werden und ich werd' sie auch. Diese Freude hätten die anderen Mo. Gumpert der ja für ihren Unterhalt aufkommen musste, gegönnt, aber zu seiner Freude ist es anders gekommen. Sie war ein - - - na, de mortuis nisi bene - Toten soll man nichts Böses nachsagen - aber Tante Selma hat sie genug Leid angetan. - - Von Gerda hatten wir neulich wieder nach längerer Zeit einen Brief. Wenn man diese liest, so meint man sie wäre nur zu Besuch bei sehr reichen Leuten in London. Sie berichtet nur von ihren Freunden und Freuden, aber von ihrer Arbeit kein Wort. Ich wünsche ihr, dass sie es ewig so behält. - - Heute war ich auf der Neusserstrasse. Max erzählt mir, dass Paul eine gute Stelle bei der Kille in Johannesburg auf dem Büro habe, er müsse aber auch die kleinen Gottesdienste abhalten, d. h. vorbeten, er habe sich dazu seine Anwaltsrobe bestellt, damit es besser aussähe, den der Talar, den man ihm dort zur Verfügung stelle, sei nicht sehr schön. Da lachst Du, ausgerechnet der Paul, der über alles und alle gespottet hat, ich kann mir den Jungen kaum vorstellen, am Vorbeterpult!!!

Ich bin neugierig, was mit Eurem Chadar Ochel sein wird. Schreib mir bitte mal, wie die Verhandlungen verlaufen. Wenn ich mal wieder hinkomme, werde ich ja wohl im neuen Ch. O. speisen können?

Was Mutter von Edith schreibt, ist eigentlich ein Gedanke von Schiller! Edith ist ja Meisterin des Trampens, sie kann ja von Frkfrt nach hier trampen und bleibt ein paar Tage bei uns. Ginge das nicht?? Sie könnte doch mal zeigen, was sie gelernt hat, das kleine Persönchen! Grüsse sie bitte auch von mir, die Einladung geht auch von mir aus.

Von uns selbst kann ich Dir sonst nichts berichten, es geht wie immer. Ich war die ersten drei Tage der Woche mit Kurt S. unterwegs, wir haben ganz nette Unterhaltung unterwegs gehabt, abends waren wir immer wieder hier, aber das Geschäft war dabei ziemlich faul. Am Mittwoch habe ich ihn in Hamm abgesetzt und bin alleine weitergegondelt, dann klappte auch der Handel wieder. Im allgemeinen ists aber sehr faul, denn wir haben zur Zeit hier in Westdeutschland ein Wetter wie im schönsten Sommer so warm und voller Sonne, was sollen denn da die Leute eigentlich kaufen? Sie selber wollen jetzt Winterbekleidung verkaufen, aber man kann sie ja nicht brauchen. Ich hatte die ganze Woche noch keinen Mantel an, so warm war es. Sonst liegt um diese Zeit in manchen Gegenden des Reiches schon Schnee.

Nun aber will ich schliessen. Mein Stoff ist ohnehin auf. Lass es, mein lieber Bub, recht gut gehen und lass Dich herzlich umarmen und sei geküsst von Deinem
Vater. [..]!

Anbei 1 Schein -
ein paar Bilder. Mit der Zeit folgen noch mehr! Habe ich Dir eigentlich ein Bild mit Speiers gesandt, auch für Speiers? Ich weiß nicht!

Auf dem Bild mit Mendels siehst Du mich im Spiegel!