Richard Loewy an Sohn Ernst, 6. November 1937

Krefeld, den 6.11.37.
Samstag-Abend ½ 8.

Mein lieber Junge!

Von mir wirst Du heute sehr wenig zu sehen bekommen, denn Neues habe ich nicht für Dich und was auf Deinen Brief zu schreiben war, das hat die liebe Mutter bereits erledigt. Ich freue mich vor allem, dass Deine Nachrichten beruhigend sind, denn schöne Dinge liesst man ja zur Zeit nicht über die Verhältnisse drüben. Wenn nur einmal wieder die schöne Ruhe eingetreten wäre! Es heisst zwar in der Zeitung, man merke ein Abflauen des Terrors, aber auf der gleiche Seite sind dann eine ganze Menge Geschichten aufgezählt, die absolut nach einem Abflauen aussehen. Der Weg zum Jam hamelach scheint wohl die erste Zeit nicht so zu befahren sein und auch in den Balfourwald möchten wir uns wohl heute nicht zum Mittagsschläfchen hinlegen, es ist doch eine Schande, dass man die so mühselig angelegten Wälder aus lauter Bosheit niederbrennt. Damit ist doch keinem genutzt, sondern doch wohl dem ganzen Lande geschadet. Von einem Freiheitskampf keine Spur, sondern Terror in übelster Form. Aber was nutzt darüber reden? Wir müssen warten und Vertrauen haben, eines Tages wird auch bei Euch wieder Ruhe und Ordnung einkehren. Es heisst da wirklich Chasak we'ematz!

Uns hier geht es wie immer. Wir sind gttlob gesund und das ist ja die Hauptsache. Das Geschäft geht so ziemlich. Es hätte ja besser sein dürfen in den letzten Wochen, aber wir hatten ja eine Wärme wie im Sommer, wie soll da das Geschäft gehen. Wenn meine Kundschaft nichts zu tun hat, dann hat sie auch keine Stimmung zum Kaufen. Nun scheint es endlich kalt zu werden und dann wird es auch schon werden. Du weisst, man muss mal nicht gleich klagen und jammern, wenn es mal einen Tag schlechter ist. Im allgemeinen geht es, das ist doch das Bestimmende.

Die l. Mutter ist zu Luise in die englische Stunde. Ich habe noch den Wagen da und will sie gleich abholen. Ich bringe auf diesem Wege gleich den Wagen weg und dann haben wir gleich einen kleinen Spaziergang. Das ist für mich, der ich den ganzen Nachmittag an der Maschine sass ganz gut.

Also dem Bergbauern sein Roman ist fertig. Ich gratuliere ihm. Hoffentlich hat er auch den ersehnten Erfolg. Ich grüsse ihn und wünsche ihm das Beste dazu. - Dass die Väter und Mütter wieder fort sind, ist wohl schade? Frau Stern ist ja nun jetzt auf der See und werden wir bald was von ihr hören. - - Heute gegen Abend war Frau Alma hier, zum ersten Mal, seit sie ausgezogen ist. Du kannst Dir gar nicht denken, wie schön das ist, dass wir unser Reich wieder für uns haben. Das habe ich zu Mutter schon gesagt, eine Fremdenpension möchte ich nie in meinem Leben haben. Furchtbar ist das, man ist keinen Augenblick Herr in seinem eigenen Bezirk, wenn man nicht einmal sein letztes Zimmer für sich in Ruhe bewohnen kann.

Sag mal, mein Lieber, habe ich Dir eigentlich ein englisches Lehrbuch mitgebracht oder hast Du das selber mitgenommen, und zwar das eine Buch, aus dem ich damals selber Englisch gelernt habe, es hat einen rotblau karrierten Umband, kleinoktov, das Buch stammt von Siegmund Sax, ich glaube, vorne steht sogar sein Name drin. Es ist in Amerika herausgegeben. Sollte sich das Buch in Deinem Besitz befinden, dann wäre ich Dir sehr verbunden, wenn Du mir das mit Herrn Kaufmann demnächst mitschicken wolltest. Evt. kann es auch Edith mit nach Deutschland bringen und mir von Frt aus schicken, wenn sie es nicht vorziehen sollte, mal nach hier zu trampen. Ich möchte dies Buch gerne haben und Du brauchst es wohl nicht, da Du ja 1000 Worte englisch hast. - - Was ich Dir noch erzählen wollte: Du weisst doch, dass ich von Tel-Aviv an einen Kunden geschrieben habe. Derselbe hat neulich 3 Mk an den KKL gestiftet. War das nicht nett? Die Karte hat sich bezahlt gemacht. Und demnächst bekomme ich noch einen Taler!

Der Bericht, an dem ich schreibe, sind nur über meinen Aufenthalt in Erez. Ich kann den Leuten von der ZOG doch nicht alles aus dem Kopf erzählen, wenn ich vor Weihnachten hier bin muss ich doch endlich mal in der ZOG erscheinen und einen kleinen Bericht geben über meine Erlebnisse. Es wird kein grossartiger Vortrag, aber ein kleines Referat. - Nach Berlin habe ich sehr ausführlich berichtet, aber nichts über „unten und oben”, sondern meine allgemeine Ansicht über die Jugendalijah. Antwort habe ich bis heute keine erhalten. Ich habe das Gute gelobt und das Mangelhafte gerügt.

Anbei zwei 2 Scheine! Bekommst Du eigentlich diese immer? Du bestätigst niemals, daß Du den Schein bekommst!

Oma will Dir zu Chanukah 10 Mk schicken!

Nun genug für heute. Viel Küsse & ![..]! Dein Vater.